Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004960
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und durch­schüt­teln wür­de. Doch er griff nur nach der Klei­dung auf der Prit­sche und drück­te sie mir ener­gisch in die Arme. Da­bei schimpf­te er die gan­ze Zeit vor sich hin. Er be­sah sich mei­ne Hän­de, be­tas­te­te mei­ne Ober­ar­me, sah mir ins Ge­sicht, schüt­tel­te den Kopf und be­deu­te­te mir wie­der, dass ich mich um­zie­hen sol­le. Ich konn­te kei­nen Grund er­ken­nen, warum ich das tun soll­te, woll­te ihn an­de­rer­seits aber auch nicht noch mehr ver­är­gern. Mit dan­ken­den Wor­ten leg­te ich die Klei­dung wie­der auf die Prit­sche, doch er ver­stand mich ja nicht. Ener­gisch und mit wü­ten­dem Ge­sichts­aus­druck drück­te er sie mir zum wie­der­hol­ten Male in die Arme und als ich dar­auf­hin er­neut ab­wehr­te, sah er mir kurz in die Au­gen und ver­ließ mich dann mit ei­ner weg­wer­fen­den Ges­te.

      Ich hat­te ge­hofft, Auf­klä­rung über mei­ne An­we­sen­heit an die­sem Ort zu er­hal­ten, doch ir­gend­wie wur­de hier al­les nur noch ver­wor­re­ner. Auch die Ab­nei­gung, die ich bei die­sem Mönch ge­spürt hat­te, mach­te es noch schwe­rer, et­was Po­si­ti­ves hier zu se­hen.

      Aus die­sen Grün­den ent­schloss ich mich, das Klos­ter gleich wie­der zu ver­las­sen. Der grö­ße­re Ort am Fluss schi­en im Au­gen­blick das sinn­volls­te Ziel zu sein. Viel­leicht konn­te ich dort Auf­klä­rung er­hal­ten, oder ich fän­de einen Weg zu­rück in mei­ne Welt.

      Nach­denk­lich ging ich über den Hof, auf dem die Män­ner im­mer noch die­se Übun­gen durch­führ­ten. Kon­zen­triert, ru­hig und gleich­mä­ßig be­weg­ten sie sich wie ein ein­zi­ger Mann. Auch mei­ne bei­den Füh­rer hat­ten sich ein­ge­reiht und nichts deu­te­te dar­auf hin, dass sie oder die an­de­ren mich be­merk­ten.

      Ohne auf­ge­hal­ten zu wer­den er­reich­te ich das Ein­gang­stor. Die we­ni­gen, die mich ge­se­hen hat­ten, schau­ten mir ver­wun­dert nach, doch es schi­en kei­nen wei­ter zu in­ter­es­sie­ren, was ich tat. Lang­sam ging ich un­ter der bren­nen­den Son­ne den Weg hi­n­auf zum Berg­kamm. Dort dreh­te ich mich um und schau­te zu­rück.

      Weit hin­ter mir, so­dass man ge­ra­de noch er­ken­nen konn­te was es war, sah ich drei Ge­stal­ten auf dem Weg hin­ter mir her­kom­men. Ich hat­te nicht den Ein­druck, dass sie sich be­son­ders be­ei­len wür­den um mich noch ein­zu­ho­len, und im glei­chen, ru­hi­gen Tem­po wie bis­her setz­te ich mei­nen Weg fort. Bald hat­te ich auch die Stel­le er­reicht, an der ich wie­der zu mir ge­kom­men war. Nach­dem ich mich einen Au­gen­blick um­ge­schaut hat­te, ging ich wei­ter in Rich­tung Fluss.

      Die Son­ne hat­te nun schon fast ih­ren höchs­ten Punkt er­reicht und die feucht­war­me Luft mach­te mir lang­sam zu schaf­fen. Ich schätz­te, dass es be­stimmt schon um die drei­ßig Grad warm war und es herrsch­te eine hohe Luft­feuch­tig­keit, als wenn es eben stark ge­reg­net hät­te und die Son­ne nun das Was­ser wie­der auf­saug­te.

      Als ich das Flus­stal er­reich­te, folg­te ich dem Weg, der par­al­lel dazu fluss­ab­wärts ver­lief. Hier be­geg­ne­ten mir jetzt mehr Men­schen, aber kei­ner konn­te mich ver­ste­hen, wenn ich eine Fra­ge an sie rich­te­te. Sie wa­ren fast alle bar­fuß, im Höchst­fall tru­gen sie leich­te, dünn­soh­li­ge San­da­len. Die Ho­sen gin­gen nur we­nig über die Knie her­ab und ein leich­tes, weit­ge­schnit­te­nes Ober­ge­wand so­wie ein Hut aus Reiss­troh ver­voll­stän­dig­te bei den meis­ten die Klei­dung.

      Ver­wun­dert sa­hen sie mich an, wenn ich sie an­sprach oder an ih­nen vor­bei­ging. Bald war ich mir ganz si­cher, dass sie noch nie einen Eu­ro­pä­er ge­se­hen hat­ten. Ich war dem grö­ße­ren Ort schon sehr nahe ge­kom­men, als mir ein Rei­ter in vol­lem Ga­lopp ent­ge­gen­kam.

      Mit ei­nem Satz in die Bü­sche muss­te ich mich in Si­cher­heit brin­gen, da­mit er mich nicht um­ritt. Ich hat­te beim Sprung noch sein Ge­sicht ge­se­hen, war mir aber si­cher, dass ich we­nigs­tens ge­nau­so ver­blüfft drein­ge­schaut hat­te wie er.

      Der An­blick die­ses Rei­ters be­stä­tig­te ein­mal mehr mei­ne Ver­mu­tung, dass ich mich in ei­ner an­de­ren Zeit be­fand. Er war ge­klei­det und ge­rüs­tet wie ei­ner die­ser Krie­ger, die ich ein­mal in ei­ner Ter­ra­kot­ta-Aus­stel­lung ge­se­hen hat­te.

      Ich schau­te hoch und konn­te se­hen, dass der Rei­ter sein Pferd he­r­um­ge­ris­sen hat­te. Es tän­zel­te und bäum­te sich auf, wäh­rend er zu mir he­r­un­ter­schau­te. Doch bald dreh­te er sich um, schau­te in die Rich­tung, aus der ich ge­kom­men war und an­schei­nend war ihm wich­ti­ger, was er dort sah, denn er setz­te sei­nen ei­li­gen Ritt fort. Als ich sei­nem Blick folg­te sah ich, dass die drei Wan­de­rer, die ich schon vom Berg­kamm aus ge­se­hen hat­te, mir mitt­ler­wei­le sehr viel nä­her ge­kom­men wa­ren. Ich konn­te die Ge­sich­ter noch nicht er­ken­nen, aber ei­ner der drei hat­te die­se Mönchs­klei­dung an, die ich schon bei dem Abt im Klos­ter ge­se­hen hat­te.

      Der Krie­ger un­ter­brach sei­nen Ritt bei den drei Wan­de­rern, stieg ab und ver­beug­te sich mehr­fach vor dem Mönch. Dann über­reich­te er ihm et­was und ver­such­te an­schlie­ßend sein Pferd zu be­ru­hi­gen. Es schi­en ein Schrift­stück zu sein, denn der Mönch be­gut­ach­te­te es aus­gie­big und gab es dem Krie­ger dann zu­rück. An­schlie­ßend sprach der Mönch kurz mit ei­nem sei­ner Be­glei­ter und die­ser schick­te sich dann an, ge­mein­sam mit dem Rei­ter aufs Pferd zu stei­gen und den Ritt fort­zu­set­zen. In mei­ne Rich­tung deu­tend, sag­te der Rei­ter noch et­was zu dem Mönch, doch die­ser mach­te nur eine ab­weh­ren­de Hand­be­we­gung und be­deu­te­te ihm, dass er sei­nen Ritt fort­set­zen sol­le. Dann setz­te auch er mit sei­nem ver­blie­be­nen Be­glei­ter sei­nen Weg fort.

      Nun wur­de mir das Gan­ze doch un­heim­lich. Folg­ten mir die­se Leu­te etwa doch und wenn ja, was woll­ten sie dann von mir? Und wie­so ritt hier ei­gent­lich ei­ner he­r­um, der ge­ra­de ei­nem Film­set ent­stie­gen zu sein schi­en? Es wur­de im­mer du­bio­ser.

      In der Zwi­schen­zeit hat­te ich mich aus der Um­klam­me­rung der Bü­sche be­freit und streb­te nach­denk­lich wei­ter mei­nem Ziel ent­ge­gen. Au­to­ma­tisch hat­te ich mei­nen Schritt be­schleu­nigt, um den Wan­de­rern hin­ter mir zu ent­ge­hen. Doch es hat­te kei­nen Zweck, denn die Ent­fer­nung zwi­schen mir und ih­nen wur­de trotz all mei­ner Be­mü­hun­gen im­mer klei­ner. Das Hemd kleb­te mir mitt­ler­wei­le klatschnass vor Schweiß am Kör­per und mein Schritt ver­lang­sam­te sich wie­der. Dem grö­ße­ren Ort war ich nun schon so nahe ge­kom­men, dass ich er­ken­nen konn­te, dass auch hier nichts von mo­der­ner Tech­nik, die mir ver­traut vor­kom­men wür­de, zu se­hen war. Re­si­gnie­rend hielt ich bei ei­nem Baum an, der mit sei­ner großen Kro­ne Schat­ten spen­de­te, und ließ mich an sei­nem Stamm nie­der.

      Es dau­er­te nicht lan­ge bis der Mönch und sein Be­glei­ter mich er­reich­ten. Nun er­kann­te ich, dass es der Abt und der jün­ge­re mei­ner bei­den Füh­rer von heu­te Mor­gen wa­ren. Ich woll­te mich er­he­ben, um sie zu be­grü­ßen, denn in ih­rer Ge­gen­wart hat­te man das Ge­fühl will­kom­men und ge­ach­tet zu sein, doch der Abt be­deu­te­te mir, sit­zen zu blei­ben. Dann nahm er mir ge­gen­über Platz und schau­te mir tief in die Au­gen.

      Die­ser Mann hat­te eine Aus­strah­lung, die sich schwer be­schrei­ben lässt. Al­les an ihm wirk­te be­ru­hi­gend und ver­ständ­nis­voll. Die­se Aura um­gab ihn und nahm je­den in sei­ner Nähe ge­fan­gen. Sei­ne schma­len, asia­ti­schen Au­gen schie­nen al­les zu durch­drin­gen, doch das ha­ge­re, von vie­len Fal­ten durch­zo­ge­ne Ge­sicht ließ kei­ne Re­gung er­ken­nen. Die klei­nen Fält­chen in sei­nen Au­gen-