Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Joachim R. Steudel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004960
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Me­ter ho­hen Wand un­ter­bro­chen. So­weit man das von hier un­ten be­ur­tei­len konn­te, wa­ren dort reich ver­zier­te Licht­durch­läs­se ein­ge­baut. Ver­mut­lich ver­sorg­ten sie den großen In­nen­raum mit ei­nem dif­fu­sen Licht. Nun folg­te das ei­gent­li­che Dach. Auch die­ses war wie­der mit blau­en Zie­geln ge­deckt und auch hier fehl­ten die Wäch­ter nicht.

      Durch die of­fe­ne Ein­gangs­tür des Tem­pels konn­te man den gol­de­nen Schim­mer ei­ni­ger Fi­gu­ren wahr­neh­men. Ge­ra­de als ich die­se bes­ser zu er­ken­nen ver­such­te, wur­den sie von ei­ni­gen Mön­chen, die aus dem Tem­pel tra­ten, ver­deckt.

      Alle tru­gen gel­be, bis auf den Bo­den fal­len­de Kut­ten und bis auf den Mönch in der Mit­te wa­ren über die­se noch rote Über­hän­ge ge­schlun­gen. Die­ser Mönch in der Mit­te strahl­te et­was aus, das mich so­fort in sei­nen Bann zog. Auch auf alle an­de­ren schi­en das so zu wir­ken, denn man ließ einen ge­wis­sen frei­en Raum um ihn he­r­um.

      Er schi­en schon ein recht ho­hes Al­ter er­reicht zu ha­ben, doch sei­ne Be­we­gun­gen wa­ren frisch und kraft­voll. In sei­ner rech­ten Hand hielt er eine Per­len­ket­te und wäh­rend er mich freund­lich mus­ter­te, glit­ten die Per­len un­ab­läs­sig durch sei­ne Fin­ger.

      Mei­ne bei­den Be­glei­ter ver­neig­ten sich ehr­er­bie­tig vor ihm und auch ich senk­te grü­ßend den Kopf. Es war, wie ich da­mals schon rich­tig ver­mu­te­te, der Abt des Klos­ters. Mit ru­hi­gen, be­däch­ti­gen Schrit­ten ka­men er und sei­ne Be­glei­ter die Trep­pe he­r­un­ter auf uns zu. Mit sei­ner war­men und be­ru­hi­gen­den Stim­me sprach er mich an, doch lei­der konn­te ich, wie bei mei­nen bei­den Füh­rern, kein Wort ver­ste­hen.

      ›Tut mir leid, aber ich spre­che die­se Spra­che lei­der nicht.‹

      Er sah mich kurz prü­fend an und stell­te dann mei­nen bei­den Füh­rern ei­ni­ge Fra­gen, die die­se, im­mer wie­der auf mich deu­tend, be­ant­wor­te­ten. Ver­ste­hend ni­ckend schi­en er kurz zu über­le­gen, dann sprach er den Mönch zu sei­ner Rech­ten an. Die­ser schi­en mit dem, was der Abt sag­te, nicht ein­ver­stan­den zu sein, denn es folg­te ein kur­zer Wort­wech­sel, an des­sen Ende sich der kräf­tig aus­se­hen­de, jün­ge­re Mönch zwar vor dem Abt ver­neig­te, aber man konn­te sei­ner Hal­tung und dem Ge­sichts­aus­druck an­se­hen, dass er dem, was der Abt ge­sagt hat­te, nicht zu­stimm­te.

      Der Abt nick­te mir auf­mun­ternd zu und ging, ge­folgt von sei­nen Be­glei­tern, zu­rück in den Tem­pel. Nur der Mönch, mit dem der Abt ge­spro­chen hat­te, blieb zu­rück. Miss­mu­tig sah er mich an und gab dann mei­nen bei­den Be­glei­tern ei­ni­ge An­wei­sun­gen. Die­se ver­neig­ten sich ehr­er­bie­tig vor ihm und for­der­ten mich mit Ges­ten dazu auf, ih­nen zu fol­gen.

      Mei­ne Un­si­cher­heit stei­ger­te sich. Ich sah hi­n­auf zu dem Tem­pel, denn der Abt hat­te mir Ver­trau­en ein­ge­flö­ßt, doch es war nichts mehr von ihm und sei­nen Be­glei­tern zu se­hen. Als der jün­ge­re mei­ner bei­den Füh­rer mich schließ­lich am Hand­ge­lenk fass­te und vor­sich­tig in die ge­wünsch­te Rich­tung zog, folg­te ich ih­nen im­mer noch hof­fend, dass sich bald al­les auf­klä­ren wür­de.

      Wir ver­lie­ßen die­sen Teil des Klos­ters und er­reich­ten kurz dar­auf einen Be­reich, der Ähn­lich­keit mit ei­ner Ka­ser­ne hat­te.

      Auf dem großen Hof, an des­sen Rand wir ent­lang­gin­gen, führ­te eine Grup­pe von etwa ein­hun­dert Män­nern, in höchs­ter Kon­zen­tra­ti­on, mit syn­chro­nen Be­we­gun­gen kraft­vol­le Schlag- und Tritt­kom­bi­na­tio­nen aus. Es er­in­ner­te mich sehr an ein Kung Fu-Trai­ning, über das ich ein­mal einen Be­richt im Fern­se­hen ge­se­hen hat­te. Ich wäre ger­ne ste­hen ge­blie­ben, um zu­zu­schau­en, doch mei­ne bei­den Be­glei­ter dräng­ten mich wei­ter. Wir gin­gen bis zu ei­ni­gen ein­stö­cki­gen Ge­bäu­den im hin­te­ren Teil der Klos­ter­an­la­ge. Sie wa­ren in ei­ner ba­ra­cken­ähn­li­chen Bau­wei­se er­stellt, und in ih­nen be­fan­den sich an­schei­nend die Un­ter­künf­te der Mön­che.

      Mei­ne bei­den Füh­rer ge­lei­te­ten mich in ei­nes von ih­nen und führ­ten mich einen lan­gen Gang ent­lang bis zu ei­ner ein­fa­chen Zel­le. Schon auf dem Weg den Gang ent­lang, hat­te ich durch die of­fe­nen Tü­ren in ei­ni­ge Räu­me se­hen kön­nen. Die ers­ten wa­ren grö­ßer ge­we­sen und es stan­den im­mer meh­re­re Prit­schen in die­sen Un­ter­künf­ten. Am Ende des Gan­ges wa­ren dann ei­ni­ge klei­ne­re Zel­len, in de­nen nur eine oder zwei Prit­schen stan­den.

      In die äu­ßers­te die­ser Un­ter­künf­te wur­de ich ge­führt. Dort lag auf der ein­zi­gen Lie­ge, die sich in die­sem Raum be­fand, or­dent­lich zu­sam­men­ge­legt, Klei­dung wie sie mei­ne Füh­rer tru­gen. Der äl­te­re der bei­den sprach mich wie­der an und deu­te­te da­bei auf die Klei­dung, den Raum, die Prit­sche und mich. Sei­nen Ges­ten ent­nahm ich, dass die­ser Raum so­wie die Klei­dung für mich be­stimmt war und dass ich mich um­zie­hen soll­te. Ich schüt­tel­te den Kopf.

      ›Ent­schul­di­gung, ich möch­te nicht hier­blei­ben! Ich weiß ja nicht ein­mal ge­nau wo ich bin! Füh­ren Sie mich doch bit­te ein­fach zu ei­nem Te­le­fon, dann kann ich ver­su­chen, das al­les auf­zu­klä­ren.‹

      Ver­ständ­nis­los sa­hen die bei­den mich an und zuck­ten nur be­dau­ernd mit den Schul­tern. Frust stieg in mir auf.

      Warum ver­steht mich denn bloß kei­ner? Wie soll ich’s ih­nen denn nur er­klä­ren?

      Ich deu­te­te mit Ges­ten das Te­le­fo­nie­ren an, doch die bei­den zuck­ten wie­der nur mit den Schul­tern.

      In­stink­tiv griff ich in mei­ne Ja­cken­ta­sche und be­rühr­te mei­ne Brief­ta­sche. Im ers­ten Mo­ment at­me­te ich auf, doch die Freu­de über die­sen Fund ebb­te so­fort wie­der ab. Was soll­ten mir die­se Din­ge hier auch nüt­zen, da wir uns ja nicht so recht ver­stän­di­gen konn­ten, wür­den sie si­cher­lich auch nichts mit ei­nem Aus­weis oder et­was ähn­li­chem an­fan­gen kön­nen.

      Da fiel mir mein Han­dy ein, ich zog es he­r­aus und woll­te wäh­len, doch es war kein Netz vor­han­den. Fie­ber­haft über­leg­te ich. Gab es bloß hier keins, in die­sem Ge­birg­stal, oder war ge­ne­rell keins vor­han­den? Ich muss­te in ei­nem frem­den Land sein, so­viel stand fest. Aber war ich über­haupt noch auf der Erde, in mei­ner Zeit? Oder war ich viel­leicht tot? Aber ein Le­ben nach dem Tod, soll­te das so aus­se­hen? Trä­um­te ich viel­leicht nur? Aber dann müss­te ich ja lang­sam mal auf­wa­chen. Al­les war so pri­mi­tiv, so ein­fach. Auf dem gan­zen Weg bis hier­her hat­te ich kei­ner­lei Spu­ren von ir­gend­wel­cher mo­der­nen Tech­nik ge­se­hen.

      Ir­gend­wie war al­les wie im Mit­tel­al­ter und als ich wie­der zu den bei­den hin­sah, be­merk­te ich, wie sie das Han­dy in mei­ner Hand fi­xier­ten. So ein Ge­rät hat­ten sie mit Si­cher­heit noch nicht ge­se­hen und als das Licht im Dis­play wie­der aus­ging, fuh­ren sie er­schro­cken zu­rück.

      Nach­denk­lich steck­te ich es wie­der weg. Ich hat­te kei­ne Vor­stel­lung, wie ich mich wei­ter ver­hal­ten soll­te. Aus ir­gend­ei­nem Grund schie­nen sie mich, nach ih­rem Ver­hal­ten zu ur­tei­len, er­war­tet zu ha­ben, aber wes­halb? Rat­los sah ich sie an, doch der äl­te­re der bei­den be­deu­te­te mir nur wie­der, dass ich die Klei­dung, die auf der Prit­sche lag, an­zie­hen soll­te.

      Ver­ständ­nis­los schüt­tel­te ich den Kopf und zeig­te auf mei­ne Klei­dung,