Angelo. Martin Renold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Renold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847618874
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drehte sich um. Dort saß hinter einem Tisch eine junge Frau und blickte zu ihm herunter.

      „Ich möchte eine Wurst“, wiederholte Angelo.

      „Was für eine Wurst?“, fragte die Frau mit sanfter Stimme.

      „Für meinen Hund“, antwortete Angelo schüchtern.

      „Hast du Geld?“, fragte die Frau.

      Angelo blickte verständnislos. Was die Leute doch alles von ihm wissen wollten!

      Die Frau nahm einen Hundertlireschein und zeigte ihn Angelo.

      „Hier, solches Geld, hast du solches Geld?“, fragte sie nochmals.

      Angelo schüttelte den Kopf.

      „Dann bekommst du auch keine Wurst“, erklärte ihm die Frau und zuckte die Schultern.

      „Aber ich muss eine Wurst haben für meinen Hund“, brach es nun aus Angelo hervor, und gleichzeitig kamen auch die Tränen. „Ich habe es ihm versprochen, und er hat noch gar nichts gefressen. Vielleicht ist er jetzt schon verhungert.“ Angelo schluchzte und wischte sich die Tränen von den Wangen.

      Die Frau hinter der Kasse zeigte Erbarmen mit dem kraushaarigen Jungen mit den dunkelbraunen Augen.

      „Warte“, sagte sie und gab ihm ein kleines Papier in die Hand. „So, und jetzt geh dort zu jenem Mann.“

      Angelo ging mit diesem Papier zu dem Mann und reichte es ihm hinauf. Der Mann schnitt mit einem Messer die unterste Wurst von einer Kette, die an der Wand hing, ab, wickelte sie in Zeitungspapier und reichte sie Angelo.

      „Darf ich sie haben?“, fragte Angelo und blickte den Mann mit geröteten Augen an.

      „Natürlich, nimm sie“, sagte der Mann mit seiner rauen Stimme und lächelte.

      Angelo griff nach der Wurst. „Grazie!“, sagte er, und seine Augen begannen zu strahlen. Dann eilte er, so rasch ihn die Füße trugen, zurück und kletterte zur Grotte hinauf. Der Hund bellte ihm freudig entgegen, als er ihn kommen sah.

      „Rate, was ich dir gebracht habe!“, sagte Angelo und hielt die Hand mit der Wurst auf dem Rücken.

      Der Hund schnupperte und sprang an Angelo hoch.

      „Schau, eine Wurst!“, rief Angelo und wickelte sie aus dem Papier.

      Erst als die mit Tränen erkaufte Wurst verschwunden war, verspürte auch Angelo Hunger. Er musste wieder fortgehen. Aber der Hund? Sollte er ihn mitnehmen oder hier lassen? Hatte Mario nicht gesagt, er dürfe ihn nicht mitnehmen?

      Angelo sah, dass die Schnur, mit der er den Hund am Abend zuvor angebunden hatte, noch am Strauch hing. Das war verräterisch. Rasch löste er die Schnur vom Ast und steckte sie in seine Hosentasche.

      „Bleib hier!“, befahl er dem Hund. „Ich komme am Abend wieder zurück. Lauf nicht davon! Sitz dort in die Ecke!“, und er zeigte mit dem ausgestreckten Arm in den Hintergrund der Grotte. Der Hund setzte sich nicht, aber als Angelo ging, lief er ihm nicht nach, sondern blieb in der Grotte zurück.

      Angelo ging wieder in die Stadt. Er suchte sich zuerst etwas Essbares und ging dann seinem Tagewerk nach, das darin bestand, durch die Gassen zu streifen und zu schauen, ob er irgendetwas finde, das sie in der Höhle brauchen könnten.

      Am Abend kehrte er früher heim als sonst. Den ganzen Tag hatte er an seinen Hund gedacht. Ob er ihm wohl fortgelaufen war?

      Nein, das treue Tier wartete geduldig auf ihn. Es war ein wenig auf den Felsen herumgeklettert. Sobald der Hund aber Angelo sah, lief er ihm entgegen.

      Als bald danach auch Lorenzo kam, spielte Angelo vor der Höhle mit seinem neuen Freund. Lorenzo suchte mit der Hand in seiner Hosentasche. Dann zog er etwas hervor und warf es Angelo und dem Hund hin. Es war eine Wurst.

      „Wo hast du die her?“, fragte Angelo.

      „Ich habe sie gekauft“, antwortete Lorenzo.

      „Das ist nicht wahr. Du hattest kein Geld“, widersprach Angelo. „Wenn man kein Geld hat, bekommt man keine Wurst.“

      „Dann habe ich sie halt irgendwo weggenommen“, warf Lorenzo hin.

      „Das hast du getan“, rief Angelo, „für meinen Hund?", und sein Gesicht leuchtete vor Überraschung und Freude. Nach einer Weile fragte er: „Soll ich den Hund Renzo nennen? Bist du damit einverstanden? Weißt du, weil du jetzt so lieb gewesen bist.“

      Lorenzo sagte nichts, aber nicht deshalb, weil er böse gewesen wäre.

      Dann kam Mario.

      „Ist er dir noch nicht davongelaufen?“, fragte er und machte mit dem Kopf eine verächtliche Gebärde gegen den Hund.

      „Renzo läuft mir nicht davon“, sagte Angelo.

      „Wie, wer? Renzo? Heißt dein Hund jetzt Renzo? Nun, ein schöner Name für dieses Tier. Nur wenn ich Lorenzo wäre, ließe ich mir dies nicht gefallen.“

      Nach einiger Zeit des Schweigens grub Mario in seiner Tasche.

      „Weil er dir nicht davongelaufen ist, habe ich ihm doch noch etwas mitgebracht, sonst müsste er noch verhungern.“

      „Mein Hund muss nicht verhungern; darum brauchst du dich nicht zu sorgen“, sagte Angelo ärgerlich. Als er aber sah, dass Mario eine Wurst aus seiner Tasche zog, da schwieg er beschämt, aber freudig.

      „Das habe ich doch nur so gesagt, wegen dem Verhungern“, sagte Mario, „deshalb brauchst du mir nicht böse zu sein.“

      „Ich bin dir doch gar nicht böse, Mario“, antwortete Angelo. „Damit du siehst, dass ich’s nicht bin, will ich ihn auch noch Mario nennen.“

      Mario wehrte sich dagegen.

      Angelo dachte eine Weile nach. Dann sagte er: „Nun, so soll er denn Malo heißen, von jedem Namen die ersten beiden Buchstaben.“

      Mario und Lorenzo waren einverstanden, und Angelo war glücklich, einen Namen gefunden zu haben für seinen Hund.

      „Gute Nacht, Malo!“, rief er noch ein paar Mal aus dem Inneren der Höhle. „Gute Nacht, Malo!“

      Mario weiß, wie man zu Geld kommt.

      Am Morgen, noch während Angelo durch das Loch aus der Höhle kroch, begrüßte er Malo freudig, und Malo sprang in lustigen Sätzen um ihn herum.

      Als die drei Freunde miteinander in der Grotte saßen, hob Angelo vom Boden das Zeitungspapier auf, in das gestern seine Wurst eingewickelt war. Er strich das zerknüllte Papier auseinander und betrachtete es, als ob er das viele schwarze Zeug da hätte lesen können.

      „Was heißt das?“, fragte Angelo und hielt Mario das Papier hin.

      „Messaggero“, antwortete Mario kurz. „Das kannst du nicht lesen. Wo hast du die Zeitung her?“

      Angelo berichtete nun, wie er von der Frau hinter der Kasse die Wurst erhalten hatte. Nur dass er geweint hatte, erzählte er nicht.

      „Siehst du“, sagte Mario, „es ist nötig, dass wir Geld verdienen, damit wir uns das Essen kaufen können, wenn wir es nicht auf andere Art bekommen. Das Geld ist zwar nichts wert. Es ist nur Papier, wie hier die Zeitung, aber dafür kann man alles bekommen: Brot, Trauben, Würste, alles was man haben will. Wenn ihr heute mit mir kommt, zeige ich euch, wie man Geld verdienen kann. Ich habe einen Plan.“

      Wenn Mario einen Plan hatte, war es gewiss etwas Großes. Aber Mario verriet noch nichts.

      Sie gingen zusammen mit ihm. Er führte sie in eine enge, dunkle und menschenleere Gasse. In einem kleinen Laden war eine Uhr ausgestellt im Fenster, eine runde, schöne Uhr, die an einer silbernen Kette hing.

      Mario erklärte, was jeder zu tun hatte.

      „Habt