Angelo. Martin Renold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin Renold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847618874
Скачать книгу
Lorenzo ganz aufgeregt und berichtete, wie sein Brot hinter dem Strauch verschwunden war, und wie er das Loch entdeckt hatte.

      Mario und Angelo traten herbei, und Lorenzo streckte den Arm wieder zwischen den Zweigen hindurch, aber nicht mehr so weit. Man kann ja nie wissen. Vielleicht wohnt ein wildes Tier in einer solchen Höhle, das einem den ganzen Arm abfressen könnte.

      Mario drängte Lorenzo auf die Seite, und auch er streckte den Arm in das Loch, ein wenig beherzter als Lorenzo.

      „Wir müssen den Strauch ausreißen“, sagte Angelo und griff nach den Ästen, aber er fuhr gleich wieder zurück; denn er hatte mitten in die Dornen gegriffen.

      „Lass es nur!“, sagte Mario, „vielleicht können wir uns in dem Loch verbergen; dann sind wir froh, wenn uns der Strauch verdeckt.“

      Sie drückten nun sorgfältig die Äste auseinander, und Mario kroch in das Loch. Die Öffnung war gerade so groß, dass er noch gut durchschlüpfen konnte, wenn er sich ganz flach auf den Boden drückte.

      „Es ist ganz finster“, sagte er und kroch weiter. Schon war nichts mehr von ihm zu sehen.

      „Es ist eine richtige Höhle“, rief er, und seine Stimme klang dumpf und hohl.

      „Ist sie groß?“, fragte Angelo.

      „Ich weiß es nicht“, rief Mario zurück, „ich sehe nichts, es ist ganz dunkel.

      Angelo kroch in das Loch. Sein Herz klopfte heftig.

      „Aufpassen!“, warnte Mario. „Es geht ein paar Tritte hinunter.“

      Angelo rutschte auf dem Bauch vorwärts, hinter ihm Lorenzo. Es ging wirklich ein paar Stufen hinunter, wie bei einer Treppe.

      „Mario stand aufrecht in der Höhle. Er hatte sich schon ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt. Und durch das Schlupfloch kam ein wenig Helle herein. Er sah, wie die beiden Schatten, langsam vor sich hertastend, ihm entgegenkrochen.

      „Steht doch auf!“, sagte er, die Höhle ist hoch genug.

      „Wo bist du denn?“, fragte Lorenzo und stand auf.

      „Hier, gerade vor euch“, antwortete Mario und griff nach den beiden. Lorenzo fühlte plötzlich eine Hand an seinem nackten Arm, Angelo eine kalte, feuchte an seinem Hals.

      „Uh, bist du’s?“, fragten beide zugleich mit ängstlicher Stimme und wichen einen Schritt zurück.

      „Natürlich“, sagte Mario, „nur keine Angst!“

      „Jetzt seh ich dich auch!“, rief Angelo auf einmal freudig, und Lorenzo sagte: „Ich sehe euch beide.“

      Die drei standen zusammen in der Mitte der Höhle und spähten umher. Weil draußen der Morgen immer heller wurde, drang durch das Loch im Felsen auch etwas mehr Licht herein. Langsam konnten sie die Wände der Höhle erkennen. Der Boden war, nachdem er hinter dem Eingang einen halben Meter stufenförmig abfiel, ziemlich flach. Die ganze Höhle hatte ungefähr die Größe eines kleinen Zimmers.

      Plötzlich fasste Lorenzo seinen älteren Kameraden am Arm.

      „Mario, schau dort! Was ist das?“, fragte er ängstlich.

      Am Rande jenes Lichtstreifens, der durch die Öffnung fiel, war etwas Kleines, Rundes. Es bewegte sich nicht. War es ein Tier? Ein Igel oder eine schlafende Ratte?

      „Mario lachte. „Hab doch keine Angst! Das ist doch nur ein Stein.“

      „Lorenzo lachte auf einmal mit. „Ich weiß, was es ist!“, rief er und bückte sich. „Mein Brot! Kommt, wir essen es miteinander!“

      „Dieses Brot ist schuld, dass wir die Höhle gefunden haben“, sagte Lorenzo und brach es in drei Teile, die wider seinen Willen ungleich groß wurden. Er betrachtete sie eine Weile, dann legte er den größten für sich beiseite und reichte die beiden anderen Mario. Der nahm das kleiner Stück und ließ Angelo das größere.

      Lorenzo griff nun nach seinem Stück. Es war nicht viel, und sein Magen knurrte. Er besah es lange und von allen Seiten. Dann schaute er auf Marios Hand, die das kleinste Stück hielt, das bereits um einen Bissen noch verkleinert worden war. Als es Mario wieder zum Mund führte, nahm es ihm Lorenzo rasch aus der Hand, ehe er davon abbeißen konnte und gab ihm das seine.

      Wenn das nicht echte Kameradschaft ist!

      Die Höhle

      Die Höhle wurde nun zu ihrer Wohnung. In einer Ecke hatten sie Stroh zurechtgelegt und ein paar Lumpen darüber gebreitet. Darauf schliefen sie, als die Nacht hereinbrach, eng nebeneinander, und deckten sich mit einer alten, zerrissenen Decke, die Mario an einem Müllabholplatz gefunden hatte.

      „Was ist das?“, fragte Angelo auf einmal ängstlich. „Habt ihr gehört?“

      Sie horchten. Es blieb alles still. Plötzlich ein Rascheln.

      „Mäuse“, sagte Mario und drehte sich auf die andere Seite.

      „Uh, das ist aber gruselig“, sagte Angelo und zog seine Beine an den Bauch hinauf.

      „Bleib doch ruhig!“, sagte Mario. „Du ziehst mir ja die Decke weg.“

      „Glaubst du wirklich, dass es Mäuse sind?“, fragte Angelo.

      „Natürlich sind es Mäuse“, gab Mario zurück. „Die machen dir nichts. Wenn es dir nicht passt, kannst du dir ja vorstellen, dass es Ratten sind. Aber nun lass mich in Ruhe!“

      „Wir sollten eine Katze haben“, flüsterte Lorenzo. „Die Katzen fressen die Mäuse. Das habe ich einmal gesehen. Hier laufen ja so viele Katzen umher. Wir fangen einmal eine und bringen sie da herauf.“

      Angelo schlief lange nicht. Immer hörte er die Mäuse rascheln. Wann Mario und Lorenzo sich drehten, fuhr er zusammen. Plötzlich schnellte er in die Höhe. Da war eine Maus, gerade neben seinem Kopf. Lange saß er aufrecht. Endlich, als er vom Sitzen müde war, wagte er, an einem Strohhalm zu ziehen. Vielleicht würde er damit die Maus verscheuchen können. Als alles still blieb, begann er ängstlich um sich her zu tasten. Es war unheimlich. Mario und Lorenzo schliefen schon, Mario rechts, Lorenzo links neben ihm. Wenn sich nur einer gerührt hätte! Endlich legte sich Angelo wieder nieder. Seine Schulter stieß an etwas Weiches, Lebendiges. Aber es bewegte sich nicht. Angelo blieb erstarrt. Er fühlte es unheimlich an seiner Schulter, aber er konnte sich nicht mehr wegbewegen. – Doch langsam löste er sich aus der Erstarrung, und ehe er es merken konnte, dass es Marios Hand war, schlief er ein und erwachte nicht mehr bis zum Morgen.

      Am Tag waren sie selten in der Höhle. Wenn sie nicht fort waren, saßen sie vor dem Loch draußen in der Grotte, oder sie wagten sich auch weiter hinaus und lagen auf dem Felsen an der Sonne. Angelo, der immer so bleich gewesen war, sah schon ordentlich braun und wild aus. Am Morgen fuhr er rasch mit den gespreizten Fingern durch sein schwarzes, gekraustes Haar, und manchmal, wenn er es nicht vergaß, wusch er sein Gesicht an der kleinen, unterirdischen Quelle, die in einer Felsspalte verborgen war. Wenn sie das, was vom Essen am Abend noch übrig geblieben war, verzehrt hatten, schlichen sie von ihrem Schlupfwinkel fort und zogen, jeder auf eigenen Wegen, in der Stadt herum, um für das tägliche Brot zu sorgen. Am Abend, wenn sie müde von ihren Streifzügen zurückkamen, saßen sie in der Grotte und erzählten sich, was sie den Tag über alles erlebt hatten.

      Wenn sie einmal am helllichten Tag zuhause blieben, mussten sie immer sehr aufpassen. Sie sahen oft die fremden Soldaten drunten im Forum Romanum herumstreifen und alles genau betrachten. Einzeln oder in Gruppen standen sie herum, besahen die Ruinen und spähten in allen Winkeln umher. Manchmal war ein gewöhnlicher Mann bei ihnen – kein Soldat –, der ihnen alles erklärte. Zuweilen zeigte er auch gegen den Felsen hinauf. Dann mussten sie besonders achtgeben.

      Andere trugen auch Bücher mit sich herum, in denen sie blätterten, während sie langsam zwischen den Ruinen der Tempel und den Säulen hindurchspazierten.

      Es konnte auch vorkommen,