Please stay with me. Lora Flynn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lora Flynn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753140179
Скачать книгу

      Stattdessen trat ich ein, schloss die Tür hinter mir und ließ mich an der gegenüberliegenden Wand der Kabine nieder. Mit großen Augen verfolgte sie verdutzt meinem Tun. Dicht zog ich meinen Rucksack an mich. Auch wenn unsere Toiletten stets sauber waren, achtete ich peinlichst genau darauf, weder mit dem Boden noch mit der Toilette auf dem engen Raum in Berührung zu kommen.

      Meine Augen glitten über die Wände der Kabine, die einige Kritzeleien zierten. Unter anderem diverse Hilfshotlines für Jugendliche mit Magersucht oder Suizidgedanken. Mich beschlich das Gefühl, dass diese Toilette schon mehr als einmal als Rückzugsort einiger Mitschülerinnen gedient hatte.

      Mein Blick wanderte weiter, wobei ich versuchte mich auf Madison zu konzentrieren.

      »Madison, das war doch nur ein blödes Foto«, versuchte ich es vorsichtig, während ich sie sanft an der Schulter berührte. »Mach dir deshalb doch nicht so viele Gedanken. Morgen werden es die meisten schon vergessen haben und sich über den nächsten Klatsch und Tratsch das Maul zerreißen.«

      Madisons Miene verdüsterte sich noch mehr und eine Sekunde später schlug sie auch schon meine Hand weg.

      »Du hast leicht reden«, fauchte sie. »Das war nicht nur ein Foto, Drea. Alle werden jetzt denken, dass ich lesbisch bin! Kannst du dir vorstellen, wie furchtbar das ist?«

      »Bist du es denn?«, fragte ich stattdessen und sah sie mit einem forschenden Blick an. Madisons blaue Augen wurden groß und sie sog scharf die Luft ein.

      »Natürlich nicht!«

      Madisons Aussage kam für meinen Geschmack etwas zu schnell, wie aus der Pistole geschossen. Sie wirkte nur wenig überzeugend auf mich.

      Ich hob lediglich eine Braue.

      »Wen belügst du jetzt? Mich oder dich selbst?«

      Madison schnaubte abfällig und warf sich arrogant eine ihrer roten Locken über die Schulter.

      »Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß, Dupree.«

      Verärgert verzog ich das Gesicht.

      »Ich verstehe nicht, weshalb jeder seine Gefühle unterdrückt und nicht einfach zu ihnen steht. Das ist doch Unsinn«, schimpfte ich und dachte dabei unbewusst an Logan.

      »Drea, du hast doch gar keine Ahnung wie das ist, wenn man sich anders fühlt. Wenn man seine wahren Gefühle verbergen muss, weil es gar nicht anders geht! Es gibt nichts Schlimmeres, als diese Heimlichtuerei!«

      Nun war ich diejenige, die abfällig schnaubte.

      »Oh, wenn du wüsstest«, entgegnete ich, wobei meine Stimme vor Sarkasmus nur so triefte. Mein Blick wanderte gedankenverloren ins Leere. In meinem Kopf spukten ein paar eisblaue Augen.

      Als ich Madisons argwöhnische Blicke bemerkte, wurde mir bewusst, dass ich meinen letzten Satz lieber hätte nicht sagen sollen. Er war mir einfach über die Lippen gerutscht. Zu meiner Erleichterung bohrte sie jedoch nicht weiter nach, da sie wohl zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.

      »Ich hasse die High School«, hörte ich sie plötzlich und wie aus dem Nichts sagen. Daraufhin neigte sie ihren Kopf nach hinten und ließ ihn gegen die Toilettenkabine sinken.

      »Wem sagst du das«, stimmte ich ihr zu. Ein paar Sekunden später hob sie den Blick wieder und sah mich an. Ein schwaches Lächeln zierte ihre Lippen.

      »Kaum zu fassen, dass ich mir hier mit dir eine Kabine teile und dir mein Leid klage. Wir können uns doch eigentlich gar nicht ausstehen.«

      Ich erwiderte Madisons Lächeln und zuckte lediglich mit den Schultern.

      »Tja, manchmal spielt das Leben eben verrückt«, erwiderte ich schlicht, wobei jeder von uns in seinen eigenen Gedanken versank.

      Irgendwann brach Madison allerdings das Schweigen.

      »Hey Dupree?«

      Ich hob das Gesicht und sah sie an. Auf ihren Lippen lag noch immer der Ansatz eines kleinen Lächelns, dieses Mal wirkte es aber mehr wie dieses gehässige Lächeln der alten Madison.

      »Verschwinde.«

      Zum wiederholten Mal konnte ich gar nicht anders, als es zu erwidern. Kopfschüttelnd erhob ich mich von dem Boden und warf mir die Tasche über die Schulter.

      Madison und ich mochten wohl ein einigermaßen annehmbares Gespräch miteinander geführt haben, aber offensichtlich hieß das noch lange nicht, dass wir nun Freunde waren. Ein vorübergehender Waffenstillstand traf es wohl eher. Doch das sollte mir recht sein.

      Die folgenden Tage zogen nur so an mir vorbei und ehe ich mich versah, stand schon der letzte Schultag vor der Tür. Zwei Tage vor Heiligabend. Überall auf den Straßen Seattles herrschte der alljährliche Weihnachtstrubel. In einigen Wohnblocks lieferten sich die Häuser einen Wettstreit, wer wohl die schönere Weihnachtsdekoration hatte, während man in den Supermärkten das Gefühl bekam, der Teufel hätte seinen Sack ausgeschüttet. Offenbar wollte halb Seattle noch eilig den letzten Einkauf vor den Feiertagen erledigen.

      Ich warf mir meinen Mantel über und schlüpfte hastig in meine schwarzen Winterboots, ehe ich mich nach draußen zu meinem Auto und somit auf den Weg zur Schule begab. Wie so oft war ich viel zu spät dran.

      Als ich auf dem Schulgelände ankam, lenkte ich meinen Wagen in eine passende Lücke und blickte durch die Windschutzscheibe. Es hatte begonnen zu schneien. Dicke, weiße Schneekristalle rieselten von dem wolkenverhangenen grauen Himmel herab. Nachdem ich ausgestiegen war, blinzelte ich einige Male, da sich eine Flocke in meinen Wimpern verfing.

      »Ho ho ho!«, vernahm ich eine Stimme hinter mir und erkannte Poppy, die mit einem breiten Grinsen und einer roten Nikolausmütze auf mich zulief. Um ein Haar hätte ich sie mit der Mütze und der neuen Haarfarbe gar nicht erkennt. Rosa Löckchen ringelten sich unter der roten Mütze hervor und umschmeichelten die sanften Züge ihres Gesichtes.

      Erstaunt hob ich die Brauen

      »Poppy!«, begrüßte ich meine beste Freundin mit einem Lächeln, während ich sie eingehend musterte. »Ist da jemand in den Farbtopf gefallen?«

      Poppy zuckte lediglich mit den Schultern.

      »Ich brauchte einfach eine Veränderung.«

      Ich nickte verständnisvoll. Auch wenn Poppy ihre Haarfarbe wechselte, wie andere Leute ihre Kleidung, so war ich mir doch sicher, dass es dieses Mal ihrer Trennung mit Lukas geschuldet war.

      »Lass uns reingehen, es ist schweinekalt!«, schlug Poppy vor, wobei man beinahe schon ihre Zähne klappern hören konnte. Ich gab einen zustimmenden Laut von mir und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Schulgebäude. Kurz vorm Eingang stießen Timmy und Danny zu uns. Wir begrüßten die beiden und Timmy machte Poppy sogleich ein Kompliment für ihre neue Haarfarbe. Sie errötete und gab nur ein piepsendes Dankeschön von sich. Danny und ich warfen uns vielsagende Blicke zu.

      »Hey Leute, was habt ihr an Heiligabend vor? Ich habe gehört, dass Barney das Café am späteren Abend öffnet. Habt ihr Lust, noch etwas im Barney’s trinken zu gehen? Natürlich erst, nachdem ihr mit euren Familien gefeiert habt?«, fragte Danny mit einem erwartungsvollen Blick in die Runde.

      Ich kam kurz ins Grübeln. Selbstverständlich hatte ich Lust darauf, meine Freunde an Heiligabend zu sehen. Allerdings galt dieser Tag stets der Familie, zumindest war es bisher bei uns Zuhause immer so gewesen. Dieses Jahr war das erste Weihnachtsfest ohne meine Mom. Zudem bezweifelte ich, dass Tante Carolyn und Adam eingeladen waren. Nun ja, Tante Carolyn womöglich schon, aber ich nahm nicht an, dass sie ihren Sohn an Heiligabend alleine lassen wollte. Denn egal was Adam getan hatte, er war immer noch ihr Sohn.

      Der Gedanke an Tante Carolyn tat mir unglaublich weh. So hatte sie sich ihr Weihnachten sicherlich nicht vorgestellt. Doch was passiert war, war passiert. Ich konnte den Tag im Krankenhaus nicht mehr rückgängig machen. Das wollte ich auch überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.

      Ich