Dich habe ich mir nicht gewünscht. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753189543
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      „Mag ja sein, aber wenn Mr. Munro schon auf seinem Geld gesessen ist und nur ungern Kredite vergeben hat, dann ist dieser Typ wie eine Bruthenne, die nicht von ihrem Nest runter geht.“

      „Nicholas?“

      Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass er so streng ist.

      „Du kennst ihn?“, fragt Jo. Besser gesagt, sie kreischt es förmlich in mein Ohr, sodass ich unwillkürlich zurückzucke.

      „Nicht wirklich“, gebe ich zu.

      Doch da hat mich Nick schon entdeckt, hebt die Hand zum Gruß und steuert auf mich zu.

      „Und das nennst du ‚nicht kennen‘?“ Ihre feinen rotgoldenen Augenbrauen schnellen in die Höhe, was bei Jos hohem Haaransatz nicht so einfach ist.

      „Hi!“

      Nicholas Lyle bleibt vor mir stehen, die Hände in den Taschen seiner schwarzen Stoffhose vergraben. Wenn ich ihn mir jetzt so besehe, sieht er absolut wie ein Banker aus, ganz im Gegenteil zu dem Tag am Feenhügel. Ein besonders attraktiver Banker, zugegeben, aber man muss ja nicht unbedingt immer von Mr. Munro ausgehen.

      „So sieht man sich wieder“, sage ich.

      „Guten Abend, Mr. Lyle!“, flötet Jo. Es hört sich eher an wie ein Papagei, der versucht einen Singvogel zu imitieren.

      Jo ist absolut niemand, von dem man sanfte Töne oder Schmeicheleien erwarten kann, dementsprechend kam es schon immer ziemlich falsch rüber, wenn sie es denn mal versuchte. Nicholas legt den Kopf ein wenig schief und sieht sie an, als ob er überlegen würde, was mit ihr nicht in Ordnung ist.

      „Erinnern Sie sich nicht an mich?“, fragt Jo unbeeindruckt. „Josephine Graham von der Bäckerei. Sie kaufen fast jeden Tag Ihr Frühstück bei uns ein. Und Sie haben mein Kreditgesuch abgelehnt.“

      Es klingt immer seltsamer, dass Jo versucht freundlich zu bleiben, obwohl ich merke, dass sie Gift und Galle spuckt und Nicholas Lyle am Liebsten die Augen auskratzen würde. Den scheint das allerdings ziemlich kalt zu lassen.

      Seine Augen wandern wieder zu mir hinüber, als er sagt: „Ich vergesse niemals ein Gesicht.“

      Es kommt ziemlich gelegen, dass Pete in diesem Moment unsere Getränke auf den Tresen stellt. Ich spüre, dass Jo zwischen mir und Nicholas hin und her sieht und sich vermutlich fragt, was da zwischen uns läuft.

      „Irgendwas für Sie, Mr. Lyle?“, fragt Pete.

      „Ein Belhaven, bitte“, sagt dieser, dann deutet er auf einen Platz am Tresen, der noch frei ist. „Dürfte ich mich hierher setzen?“

      „Aber sicher“, sage ich, während Jo neben mir schnaubt.

      „Kann man ja schlecht verbieten“, grummelt sie vor sich hin.

      Ganz toll! Eben noch war ich dankbar, dass die Verbindung zwischen mir und Jo nach vierzehn Jahren doch nicht ganz abgerissen ist und dann kommt dieser Nicholas Lyle und macht alles zunichte. Einfach nur mit seiner Anwesenheit. Nichts als Ärger mit den Männern! Jo denkt vermutlich gerade, dass ich eine absolute Zimtzicke geworden sein muss, wenn ich mich mit jemandem wie Nicholas abgebe, der bei ihr in Ungnade gefallen sein muss, weil er ihren Kreditantrag abgelehnt hat.

      „Heute ist Pubquiz-Abend, wusstest du das?“, frage ich in der Hoffnung, ihn mit dieser Information zu vertreiben. Schließlich ist das ja nichts für jeden und er scheint auch keinem Rateteam anzugehören.

      „Ich weiß“, antwortet er jedoch gutgelaunt. „Ich komme gerne hierher und sehe zu. Noch lieber würde ich auch mal mitmachen, aber ich habe noch keine Teammitglieder gefunden.“

      „Was kein Wunder ist, wenn man es sich mit jedem im Ort verscherzt.“ Jo flötet jetzt nicht mehr, stattdessen faucht sie richtiggehend, um ihrem Unmut Luft zu machen.

      „Ich bin privat hier, da möchte ich ungern über Geschäftliches reden“, meint Nicholas souverän.

      „Nun, dann sollten Sie sich daran gewöhnen, dass in Sheemore das eine wie das andere immer zusammengehört. Hier ist es üblich bei einem Bier im Pub über Geschäftliches zu sprechen.“

      „Ich halte das so, wie ich denke, dass es richtig ist.“

      „Ihr Pech, wenn Sie dann niemals Freunde finden. So wird’s dann auch nichts mit dem Rateteam.“

      Demonstrativ verschränkt Jo, die zu meiner Rechten sitzt, die Arme und wendet den Blick ab, um eingehend die Blechschilder an der Wand neben sich zu studieren, die sie sicherlich schon auswendig kennt. Ich sitze ziemlich hilflos zwischen den Beiden und sehe, wie sich Nicholas‘ Miene verfinstert.

      „Man muss sich an die Gepflogenheiten in einer Kleinstadt erst gewöhnen, nehme ich an“, werfe ich ein. „In Manchester ist sicher einiges anders.“

      „Das kann man wohl laut sagen.“

      Er prostet mir mit seinem dunklen Belhaven Ale zu, das Pete vor ihn auf den Tresen gestellt hat und sieht dann zu Jo, doch die würdigt ihn keines Blickes. Ich schnappe mir meinen Wein, stoße mit ihm an und nehme dann einen viel zu großen Schluck. Eine lästige Angewohnheit in letzter Zeit. Meine Mitmenschen könnten aber auch rücksichtsvoller sein und mich nicht immer unangenehmen Situationen aussetzen, dann wäre das gar nicht nötig.

      „Wir könnten doch ein Rateteam bilden“, schlage ich plötzlich vor und deute auf Nicholas, Jo und mich.

      Mit einem Ruck dreht sich Jo zu mir und reißt die Augen weit auf, wie ein Reh im Licht eines Autoscheinwerfers.

      „Echt jetzt?“

      „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist“, meint Nicholas zögerlich.

      „Papperlapapp!“, rufe ich und fuchtele mit den Armen wild herum.

      Ich sollte langsamer mit dem Wein machen. Ich habe unter Alkoholeinfluss komische Ideen und sage altmodische Worte wie ‚Papperlapapp‘. Aber jetzt gerade finde ich meinen Vorschlag grandios. ‚Grandios‘ ist vermutlich auch so ein Wort…

      „Nicholas kennt hier niemanden und ich bin auch erst wieder neu nach Sheemore gezogen. Und du, Jo, warst noch niemals beim Pubquiz-Abend. Also haben wir alle kein Team und sollten uns zusammentun.“

      „Ich wollt nur zusehen, aber selbst mitzumachen ist natürlich lustiger“, sagt Nicholas achselzuckend und setzt dann hinzu: „Meine Freunde nennen mich übrigens Nick.“

      Ein Typ mit einem Mikrofon taucht auf und begrüßt die Leute zum Quizabend. Lautes Johlen ist die Antwort, die Stimmung wird immer aufgeheizter.

      „Jedes Team bekommt einen Zettel, auf dem es die Antworten eintragen kann. Wo sind die Teams? Dann gehe ich jetzt rum und teile die Zettel an euch aus.“

      Wieder lautes Gejohle. Es verspricht ein lustiger Abend zu werden. Und plötzlich möchte ich auch ein Teil davon sein. Ich sehe zu Jo und erkenne an ihrem leuchtenden Blick, dass es ihr ebenso geht. Sie sieht Nick schräg an und scheint abzuwägen.

      „Na gut“, gibt sie schließlich nach. „Das könnte Spaß machen. Auch wenn ich dafür mit ihm spielen muss, ist es noch besser, als nur zuzusehen. Wer bitte kommt nur zum Zusehen zum Pubquiz?“

      Sie schüttelt den Kopf, als wäre das wirklich die blödeste Idee, die jemand nur haben kann.

      Ich kichere und nehme noch einen großen Schluck Wein, während Nick die Hand hebt, um zu signalisieren, dass wir auch einen Zettel brauchen. Es imponiert mir, dass er Jos spitze Bemerkungen einfach so wegsteckt. Ich wäre vermutlich schon empört aufgestanden und gegangen.

      „Versuch‘ wenigstens etwas netter zu sein, Josephine Graham. Ich weiß, dass dir das schwerfällt, aber du müsstest dir dafür kein Bein ausreißen“, flüstere ich ihr zu.

      „Entschuldige“, raunt Jo zurück. „Mag ja sein, dass du von seinem guten Aussehen geblendet bist, aber dieser Typ ist geschäftlich wirklich eine Plage. Mal sehen, ob er privat anders ist. Er trennt