Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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wahrscheinlich erstaunt gewesen, das dieses junge Mädchen die Richtung kannte, in die sie wollten. So ließen sich die beiden jedoch nicht beeindrucken.

      "Wir sollten langsam nach einer Unterkunft für die Nacht suchen", schlug Jikav vor. "Es wird in ein paar Stunden dunkel und hier draußen wird es dann auch sehr kalt."

      "Ich sehe mir die Gegend mal auf meinem Comtab an. Gentis hat mir kurz vor der Abreise noch den aktuellen Zugang zu den Daten freigeschaltet."

      "Was für Daten?", wurde Jikav neugierig.

      "Navigationsdaten, Sicherheitszonen, Gefahrenbereiche und so weiter", kommentierte Tandra tonlos. Dann schaute sie weiter auf den kleinen Kommunikator und seinen Bildschirm, der jetzt eine Art Landkarte der Umgebung anzeigte. Die Renegatin drehte sich etwas, um den Kompass auf dem Display nach Norden auszurichten. Von Zeit zu Zeit schaute sie auf und verglich die Landkarte mit der Realität. Dann, nach einigen Minuten, steckte sie das Gerät wieder ein und zeigte mit der Hand in eine Richtung, direkt auf Misuk, die bereits etwas mehr als hundert Meter weiter war. Tandra stockte. Nach einigen Sekunden der Ratlosigkeit drehte sie sich zu Jikav um.

      "Was ist?", wollte der wissen.

      "Warum geht dieses Mädchen genau in die Richtung, die ich gerade für uns ausgemacht habe?" Jikav schaute die schlanke, junge Frau an, verstand aber kein Wort.

      "Wie meinst du das?"

      "Ich habe mich gerade auf dem Comtab orientiert und ein kleines Dorf in unserer Nähe ausgewählt und sehe dann, wie dieses Mädchen genau auf dieses Dorf zuhält."

      "Vielleicht kennt sie sich in dieser Gegend aus und hat mitbekommen, wie wir nach einer Unterkunft gesucht haben."

      "Das halte ich für unwahrscheinlich", mischte sich Thevog in das Gespräch ein. "Sie war bereits abgebogen, da hattet ihr noch nicht einmal davon gesprochen, nach etwas für die Nacht zu suchen." Es entstand ein Schweigen. "Ich beobachte sie ununterbrochen, seit sie die Führung übernommen hat", erklärte der Junge sich.

      "Offensichtlich weiß sie, dass wir zu dem Dorf wollen. Sie macht noch nicht einmal die geringsten Anstalten, auf uns zu warten", bemerkte Jikav, der dem Mädchen hinterherschaute.

      "Was würde wohl passieren, wenn wir jetzt nicht dort lang gehen?", fragte Tandra rhetorisch.

      "Wahrscheinlich gar nichts, da wir in diese Richtung müssen, wollen wir heute Nacht nicht irgendwo in den Dædlænds erfrieren."

      "Ich bin gespannt, ob sie in dem Dorf auch noch an dem Ort sein wird, zu dem wir gehen werden", murmelte Thevog.

      "Da gebe ich dir recht. Ich glaube nicht, dass sie am Rande auf uns warten wird. Jedenfalls habe ich das so im Gefühl", stimmte Jikav dem Jungen zu.

      "Das wäre dann wirklich gruselig", ergänzte Tandra noch, bevor sie sich erneut auf den Weg machten.

      Misuk war immer noch in Sichtweite, wenn auch mittlerweile einige hundert Meter vor ihnen als kleiner Punkt. Offensichtlich hatte sie keine Angst allein durch diese gefährliche Einöde zu wandern. Die drei beobachteten, wie Misuk nach fast zwei Stunden das Dorf betrat und verschwand. Tandra löste ihre Umarmung um Jikavs Hüfte, während der seinen Arm ebenfalls von der ihren nahm und über ihren Po gleiten ließ. Mit einem fragenden Blick schaute sie den Renegaten an. Dessen Augen ruhten in den ihren. Ebenso fragend.

      "Sucht euch irgendein Haus aus", unterbrach Thevog die Stille. "Ich wette, sie ist bereits dort."

      "Ich habe keine Ahnung warum aber ich glaube, Thevog hat recht."

      "Schaurig oder was sagst du?", antwortet Jikav.

      Es dauerte noch einige Minuten, bis die Gruppe ebenfalls den Rand des Dorfes erreichten. Sie blieben auf der Zufahrtsstraße stehen und schauten sich um. Offensichtlich lebte hier schon seit langem kein Mensch mehr, obwohl die Häuser alles andere als verfallen waren. Sie bestanden allesamt aus Backsteinen und hatten nicht mehr als ein weiteres Stockwerk über dem Erdgeschoss. Außerdem schien keines von ihnen mehr als zweihundert Quadratmeter Grundfläche zu haben. Einige hatten hölzerne Vorbauten, überdachte Stellplätze oder Veranden. Im Großen und Ganzen sah alles sehr friedlich aus.

      "Wir sollten uns ein Haus nicht all zu weit vom Rand entfernt suchen", unterbrach Tandra die Stille. "Vielleicht ein oder zwei Querstraßen weiter. Nicht mehr."

      "Das denke ich auch", bestätigte Jikav ihren Vorschlag. "Dann können wir uns schnell wieder in die Dædlænds zurückziehen, sollte etwas aus dem Zentrum kommen oder auch anders herum."

      "Das meinte ich", erwiderte Tandra. "Lass uns mal in dieser Straße nachsehen."

      "Oder ruft doch einfach nach Misuk", schlug Thevog vor. "Die weiß doch jetzt schon, welches Haus ihr euch aussucht."

      "Hör auf solche Schauergeschichten zu erzählen", forderte Jikav den Jungen auf. "Das kannst du doch gar nicht wissen. Keine Ahnung, wo sich das Mädchen aufhält. Aber wenn sie etwas von uns will, muss sie zu uns kommen. Wir werden uns mit Sicherheit nicht nach ihr richten."

      "Kommt her", rief Tandra, die bereits einige Meter weiter gegangen war. "Ich denke, das hier ist ideal. Es steht etwas freier als die anderen und man kann sein Umfeld gut überschauen."

      Jikav fuhr sich mit der Hand durch die kurzen, rötlich braunen Haare, holte einmal tief Luft, die er dann mit einem leichten Zusammensacken seines Oberkörpers wieder ausstieß. Er klopfte dem Jungen auf die Schulter und lächelte ihn aufmunternd an. Doch das konnte Thevog nicht überzeugen. Etwas enttäuscht darüber, dass Jikav ihn nicht ernst nahm, trottete er hinter dem Renegaten in Richtung Tandra und dem von ihr ausgewähltem Haus. Dort stieg seine Laune jedoch schlagartig wieder an, als sich die Tür öffnete und das gruselige Mädchen im Türrahmen stand.

      "Wurde aber auch Zeit", war alles, was sie sagte, bevor sie sich erneut zurückzog. Jikav und Tandra blieben wie angewurzelt stehen. Mit entgleisten Gesichtszügen starrten sie sich gegenseitig an.

      "Hab ich es euch nicht gesagt?", fragte Thevog provozierend und trat ein. Immer noch vollkommen verwirrt folgten die beiden Renegaten ihm.

      "Woher wusstest du, welches Haus wir auswählen würden?", polterte Jikav los, als sie Misuk im ehemaligen Wohnzimmer wiederfanden.

      "Legt euch schlafen. Es wird eine kurze Nacht", war alles, das Misuk sagte, bevor sie sich in ihrem Schlafsack einrollte und eindeutig zu verstehen gab, dass sie keine weiteren Fragen mehr beantworten würde. Jikav wollte gerade auf sie losstürmen, da griff Tandra nach seiner Hand, um ihn zurückzuhalten. Der junge Renegat drehte sich zu ihr. Der Blick von Tandra war auf den Boden gerichtet, während sie mit einem Lächeln um ihre sinnlichen Lippen leicht den Kopf schüttelte, was ihre roten Haare wie einen Wasserfall erscheinen ließ. Jikavs Wutgefühle wandelten sich umgehen in Zuneigung um. Ein Lächeln machte sich bei ihm breit und er nahm die Renegatin liebevoll in den Arm.

      "Lass sie", flüsterte Tandra in sein Ohr. "Sie will uns nur ärgern."

      "Aber, wie macht sie das nur?"

      "Keine Ahnung. Aber ist das denn so wichtig?"

      "Vielleicht nicht. Also gut. Dann gehen wir jetzt besser schlafen."

      "Wusstest du eigentlich, dass es rechte und linke Schlafsäcke gibt? Die lassen sich zu einem Doppelschlafsack zusammen zippen", verkündete die junge Renegatin mit einem leicht süffisanten Grinsen während sie zwei dieser Schlafgelegenheiten emporhielt.

      "Aufstehen, Leute", verkündete Misuk plötzlich, nachdem alle den Alarm ihres Comtab vernommen hatten. "Es wird Zeit."

      "Warte. Was soll das?" Jikav schaute aus dem Fenster in die tief schwarze Nacht.

      "Sie kommen", war Misuks einzige und auch letzte Antwort. In aller Ruhe und doch irgendwie in Eile packte sie ihre Sachen zusammen, rollte den Schlafsack auf und verstaute alles in den dafür vorgesehenen Taschen.

      "Wer kommt?", fragte Thevog gleichgültig, der sich mittlerweile damit abgefunden hatte, das dieses Mädchen anscheinend alles wusste.

      "Niemand kommt", beruhigte Jikav den Jungen.

      "Ich