Halbe-Halbe, einmal und immer. Kathrin Brückmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kathrin Brückmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753188614
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dass Sie mir Mut machen, Will«, sagte Sophie.

      »Gern. Wollen Sie auch noch einen Tipp von einem erfahrenen Schuldenmacher?«

      »Untertauchen?«

      »Ratenzahlung. Bestehen Sie beim Finanzamt und auch sonst auf Ratenzahlung. Dann können Sie Steuern und Schulden in bequemen kleinen Raten aus ihren laufenden Einnahmen abzahlen.«

      »Laufende Einnahmen?« Sophie musste lachen. «Ich bin arbeitslos, Will. Ich bekomme nicht mal Arbeitslosengeld, weil ich für eine Abfindung selbst gekündigt habe.«

      »Na dann …«, sagte Trenck grinsend, »viel Glück.«

      Sie lachten beide.

      »Cheers, Will Trenck«, sagte Sophie und hob ihr Glas mit einem letzten Schluck Wein. »Auf Glück.«

      »Cheers, Sophie Schatz. Und auf Ratenzahlung.«

      Sie saßen noch eine Weile und tranken ihren Kaffee, ohne zu sprechen, denn es gab nichts mehr zu sagen, aber wenn sich ihre Blicke trafen, lächelten sie einverständig. Sophie fühlte sich gut. Sie war satt, ihr war warm, sie war in angenehmer Gesellschaft. Einen schöneren Abschluss für diesen verrückten Tag hätte sie sich nicht vorstellen können.

      12 – Sophie zahlte an der Theke,

      während Trenck den Wassernapf aus dem Wagen holte. Die Hündin lag im leeren Laderaum hinter den Vordersitzen des Landrovers. Sie freute sich, wieder in Gesellschaft zu sein, und klopfte mit dem Schwanz auf den Wagenboden, als Sophie und Trenck einstiegen. Sie fuhren schweigend und ohne Eile, vorbei an den Grenzposten, über die Brücke und durch die Oderniederung. Es hatte aufgehört zu schneien. Kurz bevor sie die Stadtgrenze von Küstrow erreichten, fragte er, wo er sie hinfahren solle, und Sophie bat ihn, sie an einem Taxistand abzusetzen.

      Der Abschied war kurz. Keiner von beiden versuchte, ihn hinauszuzögern.

      »Vielen, vielen Dank, Will. Ich weiß nicht, was ich heute ohne Sie getan hätte.«

      »Ach was. Ich bin sicher, Ihnen wäre schon was eingefallen.«

      Sophie raffte ihre Schultertasche an sich, langte hinüber zu Trenck und berührte ihn kurz am Oberarm als Ersatz für einen Händedruck. Dann kletterte sie aus dem Landrover. »Machen Sie es gut.«

      »Sie auch, Sophie. Wenn Sie wieder mal in der Gegend sind, kommen Sie vorbei. Die nächste Pizza geht auf mich. Sie finden mich im Internet.«

      »Du mach’s auch gut, Cora«, sagte Sophie zu der Hündin, die aufgestanden war und ihr zwischen den Sitzlehnen hindurch nachblickte. »Du hast echt Glück mit deinem Herrchen.«

      Sie schloss die Wagentür und wandte sich ab. Hinter ihr knirschte das Getriebe des Landrovers, als ein Gang eingelegt wurde. Dann polterte er davon.

      13 – Das Bad in ihrem Hotelzimmer

      hatte keine Wanne. Für das nach der Pizza Zweitbeste an diesem Tag, nämlich heißes Wasser, musste Sophie unter die Dusche. Sie ließ sie so stark laufen, wie es der mickrige Duschkopf hergab, so heiß, wie sie es gerade noch aushielt, und so lange, bis sie gründlich aufgewärmt war. Danach cremte sie sich von Kopf bis Fuß ein. Sie zog einen anderen Pullover an, dicke Socken und eine Schlafanzugshose, drehte die Heizung ihres Zimmers voll auf und rief Jens an.

      Er nahm nicht sofort ab, und er war nicht zu Hause. Das erkannte Sophie an den Hintergrundgeräuschen, als er sich endlich meldete. »Hallo Süße. Schön, dass du anrufst. Wo bist du gerade?«

      »Hallo Jens. Immer noch in Brandenburg. Und du?«

      »Ich sitze hier mit ein paar Kollegen.«

      ›Hier‹ schien eine Bar zu sein. Sophie hörte Gläser klingen und Frauenstimmen.

      »Was macht deine Erbschaft?«, sagte Jens.

      »Komplizierte Geschichte. Ich erzähle es dir, wenn ich wieder zurück bin. Das kann aber noch dauern. Deswegen rufe ich auch an: mein Wagen steht in einer Werkstatt, und ich weiß nicht, wie lange …«

      »Was ist passiert? Unfall?«

      »Nein, nein, kein Unfall. Ich bin …« …in einem Schlammloch abgesoffen, aber das musst du nicht wissen, dachte Sophie. Ich will keinen Kommentar zu meinen Fahrkünsten, und du sollst auch nicht recht behalten damit, dass du mir deinen Wagen nicht geliehen hast.

      »Bist du noch dran, Süße?«

      »Ja, ja. Entschuldigung, ich war abgelenkt. Es ist irgendwas mit der Elektrik. Was ich sagen wollte, war, dass ich wohl vor übermorgen Abend nicht zurück bin. Vielleicht wird es auch noch später. Kommt auf die Werkstatt an.«

      »Ja, okay. Weißt du was, jetzt, wo du geerbt hast, solltest du dir endlich mal ein neues Auto kaufen.«

      »Der Golf ist noch gut«, sagte Sophie.

      Jens antwortete nicht. Er oder jemand anderes fummelte mit seinem Telefon herum. Für einen Moment hörte Sophie nur Klopfen und Rascheln, ein paar Wortfetzen, dann erst war Jens wieder dran.

      »Hör mal, Süße, ich muss auflegen. Gibt es noch was Wichtiges?«

      »Im Moment nicht, nein.«

      »Dann bis später.« Er unterbrach die Verbindung so rasch, dass Sophie sich nicht verabschieden konnte. Eine Minute lang saß sie auf dem Hotelbett und starrte ihr Telefon an. Dann klappte sie ihr Notebook auf und googelte, Trenck, Antikholz und Küstrow. Sie erhielt sofort eine ganze Seite Treffer, und Trenck hatte eine Firmen-Webseite. Wilhelm Trenck, Zimmerei, Sägerei, Meisterbetrieb, las Sophie. Ihr Antikholzspezialist in Brandenburg. Großer Vorrat an Fichte und Kiefer, alle Formate, alle Altersklassen. Eichenbalken bis 5 m Länge, original handbehauen oder neu besägt, bis ca. 400 Jahre, Eichen-Gründungspfähle, 1.000 Jahre+. Linde, Birke, Birne, Kirsche, Nussbaum in kleinen Mengen und als Stammholz. Bohlen, Bretter, Dielen, Stufen, Täfelungen, min. 19. Jhdt. Preise auf Anfrage. Bei Bedarf Anlieferung. Wir reservieren und nehmen Suchaufträge an … Google Maps zeigte Sophie, dass der Betrieb im Norden Küstrows am äußersten Rand der Stadt lag. Sie speicherte seine Telefonnummer auf ihrem Handy. Eine persönliche Webseite hatte Trenck nicht, bei Facebook war er nicht angemeldet, und auch bei Twitter hatte er keinen Account. Sie schaltete ihr Notebook aus.

      Es war noch früh am Abend, zu früh, um zu Bett zu gehen, und Sophie war auch noch nicht müde. Sie beschloss, sich vom Fernsehprogramm schläfrig machen zu lassen. Am einfachsten gelang ihr das gewöhnlich mit der Hilfe einer halben Flasche Wein. Den Impuls, sich aus der verboten teuren Minibar in ihrem Zimmer zu bedienen, unterdrückte sie erfolgreich – ihre Knauserigkeit half ihr dabei. Dafür musste sie dann fünf harte Minuten gegen ihre Bequemlichkeit kämpfen, bis sie sich dazu durchringen konnte, sich noch einmal anzuziehen und das Hotel zu verlassen. Sie lief zu der Tankstelle neben dem vietnamesischen Imbiss, in dem sie am Abend zuvor gegessen hatte, und kaufte eine Flasche Wasser und eine Flasche Chardonnay (mit Schraubverschluss). Zurück im Hotel und wieder in Schlafanzughose, dicken Socken und Pullover warf sie sich aufs Hotelbett, trank Wein aus einem Wasserglas und zappte durch das Fernsehprogramm. Jede der Sendungen, an die sie geriet, sah sie sich immer nur bis zur ersten Werbeunterbrechung an und schaltete dann um. Irgendwann landete sie aber bei einem alten Spielfilm aus den Achtzigern, in dem Tom Hanks und Shelley Long ein schönes altes Haus kaufen, das sich, während sie noch dabei sind einzuziehen, zunehmend zerlegt. Waschbären im Wandschrank, braune Soße aus den Wasserhähnen, eine Badewanne, die gefüllt durch die Geschossdecke bricht, eine prächtige Treppe, die sich unter Hanks’ Schritten in ihre Einzelteile auflöst … Sophie war begeistert und ertrug geduldig die Werbepausen, um den Film bis zum Ende sehen zu können. Alles wurde gut. Am Ende war das Haus repariert und ein Schmuckstück, und Hanks und Long blieben trotz einer Beziehungskrise ein Paar.

      14 – Um herauszufinden,

      welcher Bestatter ihre Großtante