Wind über der Prärie. Regan Holdridge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regan Holdridge
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769848
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Stimme vom Eingang her und Hugh musste nicht den Blick heben, um zu wissen, wer es war.

      „Was für eine Begrüßung ist das denn? Du hörst dich schon an, wie einer dieser Herumtreiber!“ Er grinste sie überlegen an. „Heute gar nicht unterwegs?“, fragte er scheinheilig, wusste er doch, dass seine Schwester keine Gelegenheit entgehen ließ, sich in den Sattel des Fuchshengstes zu schwingen – zum Leidwesen ihrer Mutter.

      „Ich war schon längst“, erwiderte Julie und kam zu ihm geschlendert, um sich auf sein Pult zu setzen. „Zuerst war ich bei den Stromsons, dann bin ich zu Miklós und seiner Frau, beide hat die Grippe erwischt und danach waren wir draußen, bei dem Siedlertreck, der vor der Stadt lagert. Hardy meint, ein paar hätten Typhus.“

      „Typhus?“, wiederholte Hugh alarmiert und starrte sie an. „Pass bloß auf, dass du dich nicht ansteckst!“

      „Ja, ja!“, machte Julie ungeduldig. „Wusstest du, dass sie sich bei uns niederlassen wollen?“

      „Nein“, gab Hugh zurück und schloss seine Tasche. „Das einzige, was ich weiß ist, dass vorher ein paar Soldaten vom Fort aufgekreuzt sind und sich gleich mit Vater und Sheriff O’Connor zusammengesetzt haben.“

      Burt O’Connor war Ire und gleich nach ihrer Ankunft zum Sheriff ernannt worden. In seiner Heimat hatte er bei der Gendarmerie gedient und schien somit prädestiniert für den Posten als Ordnungshüter. Zu tun gab es ohnehin nicht viel für ihn, abgesehen von den regelmäßigen Samstagabend-Schlägereien. Wenn im Saloon große Tanzabende veranstaltet wurden, bekamen sich immer wieder junge Männer in die Haare oder brachen mit ein paar Soldaten vom Fort einen Streit vom Zaun, die sich eingeschlichen hatten – verbotenerweise natürlich.

      „Das bedeutet nichts Gutes“, entfuhr es Julie und ihre Stirn legte sich in viele kleine Falten.

      Neckend zwickte Hugh sie in die Rippen. „Du kannst dich ja im Ernstfall bei Hardy verstecken! Der passt bestimmt sehr gern auf dich auf!“

      „Bei Hardy?“ Verständnislos schaute Julie ihn an. „Wie kommst du ausgerechnet auf Hardy?“

      „Jetzt tu’ doch nicht so unschuldig“, grinste Hugh. „Glaubst du, es wüsste nicht längst jeder in der Stadt, dass ihr ineinander verliebt seid?“

      Julie lachte laut auf. Endlich begriff sie. „Verliebt? Ich und Hardy? Ha, das ist das Lustigste, was ich seit langem gehört habe! Verliebt! Ich in Hardy! So ein Unfug!“

      Verdutzt hielt Hugh in seiner Bewegung inne. „Du meinst, ihr habt nicht die Absicht, irgendwann zu heiraten?“

      „Heiraten?“, stieß Julie prustend hervor. „Ich will Hardy doch nicht heiraten! Er ist nett, sehr nett sogar, aber doch kein Mann, den ich heiraten würde!“

      Hugh schluckte und kratzte sich verlegen an der Schläfe. Er kannte den österreichischen Arzt mittlerweile gut genug, um zu merken, dass dieser ganz andere Gefühle für seine kleine Schwester hegte, als diese offensichtlich für ihn.

      „Hardy ich doch kein Mann für mich“, erklärte Julie jetzt, sehr ernst. „Er ist ein guter Freund, aber verliebt? Nein! Wieso sollte ich ihn also heiraten wollen?“

      Hugh unterdrückte ein Schmunzeln. „Weißt du überhaupt, wie sich das anfühlt? Wenn man verliebt ist, meine ich?“

      Ein verträumter Ausdruck legte sich auf das runde Gesicht seiner Schwester. „Ja, ich glaube schon und dabei weiß ich nicht einmal, wie er heißt. Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet, aber als ich angesehen habe... Hugh, noch nie hat ein Mensch solche Gefühle in mir ausgelöst. Ganz plötzlich habe ich gewusst, dass ich mich in ihn verliebt habe. Ist das nicht eigenartig?“

      „Nein“, erwiderte ihr großer Bruder. „Nein, ich glaube nicht. Es ist etwas ganz Natürliches, was jeder irgendwann einmal erfährt!“

      „Ach, spielt ja keine Rolle. Wahrscheinlich werde ich ihn sowieso nie wiedersehen.“ Julie seufzte, ein wenig betrübt. Sie hatte immer wieder an ihn denken müssen in den zurückliegenden Monaten, seitdem sie hier angekommen waren. Jedesmal, wenn Soldaten vom Fort herübergekommen waren, hatte sie Ausschau gehalten, ob er mit dabei wäre, doch kein einziges Mal hatte sie ihn entdecken können. „Wahrscheinlich ist er längst woandershin versetzt worden.“

      Hugh hielt verdutzt inne. „Einer der Soldaten vom Fort?“

      Julie lächelte weggetreten. „Er war an dem Tag mit Captain Harbach am Tor gestanden, als wir angekommen sind.“

      „Da waren ein paar Männer“, erinnerte sich Hugh sehr vage.

      „Er war groß und blond und er hatte die blausten Augen, die ich jemals gesehen habe.“

      Hugh lachte, ein wenig belustigt und kratzte sich am Kopf. „Du bist schon ein wenig zurückgeblieben, Schwesterchen. Du hast kein Wort mit ihm gewechselt und glaubst, in ihn verliebt zu sein! Sieh lieber zu, dass du dich in Hardy verliebst! Damit wäre uns allen geholfen!“

      Julie schwieg. Sie wollte doch gar nicht Hardy lieben! Sie schreckte bei der Vorstellung zurück, mit einem Mann verheiratet zu werden, den ihr Vater als gut befand und für den sie aber nicht die nötigen Gefühle empfand. Sie wollte nicht heiraten, weil es praktisch war! Das Leben musste doch noch mehr zu bieten haben, als jemanden zu ehelichen, den ihre Eltern als recht und anständig empfanden, um danach als Hausfrau und Mutter zu enden. Es musste einfach noch mehr geben! Es konnte nicht alles im Leben einer Frau sein, bloß Mutter und Misses Sowieso zu werden!

      „Lass uns nach Hause gehen“, meinte Hugh und schob sie zur Tür hinaus, wobei er sie aus ihren trostlosen Überlegungen bezüglich ihrer Zukunft riss. „Dann ziehst du dir erstmal diesen verdammten Reitrock und die Stiefel aus und kleidest dich, wie es sich für eine anständige Frau unserer Gesellschaft gehört! Und dann bekommst du Tanzstunden von mir, damit du dich unter die anderen jungen Leute mischen kannst und nicht ständig nur über irgendwelchen Büchern sitzt! Vielleicht ist ja unter den neuen Siedlern einer dabei, der dir als Ehemann taugt!“

      Er hielt sie am Ellenbogen fest, als fürchtete er, sie könnte ihm entwischen. Nur widerwillig ließ Julie sich von ihm hinterdrein zerren. Ihr rebellisches Wesen schrie in ihr, dass sie sich das nicht gefallen lassen dürfe, dass sie anständig gekleidet war – jedenfalls für ihren Geschmack – und dass sie überhaupt nicht tanzen können wollte! Doch eher hätte sie sich die Zunge abgebissen als jetzt, hier auf der Straße und in aller Öffentlichkeit, einen Streit mit Hugh vom Zaun zu brechen. Sie wusste aus Erfahrung, dass er den größere Dickschädel von ihnen beiden besaß und nicht locker ließ, ehe er seinen Willen nicht durchgesetzt hatte.

      Vor der Arztpraxis standen drei Pferde angebunden und an der Art ihrer Sättel und Zaumzeuge war zu erkennen, dass sie vom Fort sein mussten. Also war die Besprechung noch immer nicht beendet. Weder Hugh, noch Julie sprachen ein weiteres Wort, ehe sie bei ihrem Haus angelangt waren.

      „Nein!“, schrie Doktor Retzner und schlug so heftig mit der Hand auf den Tisch, dass alle, die rundherum versammelt standen, erschrocken zurückfuhren. „Nein, nein, nein!“

      „Aber Hardy!“, versuchte Friedrich ihn zu besänftigen. „Captain Harbach will doch nur unsere Sicherheit und...“

      „Was Captain Harbach will“, fiel Doktor Retzner ihm wutentbrannt ins Wort, „ist, gegen ein Volk sein Gewehr erheben, das alle Rechte auf seiner Seite hat, uns von hier zu vertreiben!“

      „Diese roten Teufel haben überhaupt keine Rechte, nach unserem Gesetz!“, rief Sheriff O’Connor.

      Ein scharfer Blick Doktor Retzners traf ihn. „Nach dem Gesetzbuch vielleicht nicht, aber es gibt noch ein anderes Gesetz und zwar das des Christentums und der Menschlichkeit und das zählt in meinen Augen mehr als jedes andere! Selbst, wenn wir uns auf die Paragraphen der Vereinigten Staaten von Amerika berufen, befinden wir uns auf Grund und Boden den diese Regierung den Indianern zugesprochen hat!“

      „Die Verhandlungen zwischen Washington und den oberen Häuptlingen wurden bereits wieder aufgenommen!“, mischte Captain Harbach sich jetzt ein. „Es gibt