Wind über der Prärie. Regan Holdridge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regan Holdridge
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742769848
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fast eine Viertelstunde, bis sie den Fuchs gesattelt und aufgezäumt hatte und dann erschien Miklós.

      „Ah!“, sagte er und grinste. „Du! Hätte ich wissen müssen! Nur du holst einfach ein Pferd!“

      „Entschuldige!“ Julie band ihre Tasche am Sattel fest. „Aber du weißt ja, dass ich ihn dir zurückbringe!“

      Der Ungar lachte heiser auf. „Natürlich! Reite nur zu, Mädchen! Immer auf und davon! Brauchst mir dieses Pferd auch gar nicht mehr bringen! Lässt sich sowieso bloß von dir gut reiten!“

      „Na, mein Vater wäre nicht begeistert!“, meinte Julie lachend, während sie sich in den Sattel schwang. „Er findet es schon sündhaft, dass ich überhaupt reite wie ein Mann!“

      „Wie ein Mann?“, rief Miklós verständnislos. „Bei uns in Ungarn alle Mädchen reiten mit einem Bein rechts und einem links! Ist doch viel einfacher!“

      „Bis heute Abend!“ Julie grinste und trieb das Pferd vorwärts. Sie mochte den Stallbesitzer und seine Sprüche, die er stets auf seine lustige Art mit inkorrekter Grammatik von sich gab. Er verriet sie nie, wenn sie wieder einmal davonritt und außer Hardy niemand wusste, wohin ihr Weg sie führte. Er gab ihr auch jedesmal ohne lange Fragereien den Wallach und verlangte kein Geld von ihr dafür, weil er wusste, dass sie irgendwo außerhalb der Stadt jemanden zu versorgen hatte.

      Der Weg zur kleinen Farm der Stromsons führte über unwegsames, steiniges Gelände. Einen richtigen Weg gab es ohnehin nicht, nur einen schmalen Pfad, der zur Not auch mit einer kleinen Kutsche befahren werden konnte, das allerdings nur langsam. Julie kannte die Gegend und sie träumte ein wenig vor sich hin, wie sie es meistens tat, wenn sie zu einem der Siedler hinaus ritt. Dunkle Wolken machten sich von Westen her über dem Land breit, die wohl bald Regen bringen sollten. Auf einem der Felsformationen zu ihrer Linken, weit hinter dem Wald, schien jemand ein Feuer gemacht zu haben, denn weißer Rauch zog von dort langsam gen Himmel. Julie schenkte ihm keine weitere Beachtung, denn sie hatte das kleine Farmhaus beinahe erreicht. Es lag geschützt zwischen hohen Sträuchern am Fuße eines Hügels. Aus dem einfachen Steinkamin stieg Rauch auf und die Schafherde blökte in der großzügigen Umzäunung daneben.

      Julie sprang aus dem Sattel und wickelte die Zügel kurzerhand um mehrere Äste eines Busches. Sie knotete ihre Tasche los, als sich bereits die Türe öffnete und Geertje heraustrat.

      „Julie! Wie schön! Komm herein! Willst du ein Stück Apfelkuchen?“

      „Danke, immer gern, das weißt du doch!“ Erst jetzt fiel ihr auf, dass ihr Magen knurrte. „Ich hatte noch gar kein Mittagessen!“

      Geertje hielt ihr die Tür auf und wartete, bis Julie eingetreten war.

      „Setz dich“, bat sie und eilte an den Herd. „Mir geht es bestens! Du bist ganz umsonst gekommen!“

      Julie lachte leise auf. „Ich werde nicht wieder fort reiten, ehe ich mir deinen Zustand angesehen habe! Das würde mir Hardy nie verzeihen und ich mir auch nicht!“

      „Mir geht es wirklich sehr, sehr gut!“, versicherte die junge Frau, während sie ein großes Stück Kuchen herunterschnitt und auf einen Teller legte. „Björn müsste auch gleich hier sein. Er wollte nur noch schnell den Zaun ablaufen, damit die Schafe heute Nacht nicht entwischen, falls ein Sturm hereinbricht und danach sieht es wohl aus. Du solltest dich lieber beeilen, wieder zurück in die Stadt zu kommen.“

      „Danke!“ Mit leuchtenden Augen griff Julie nach der Gabel und stach einen großen Bissen vom Kuchen ab. Sie verspürte jetzt wirklich Hunger und war froh, etwas essen zu können.

      Keine fünf Minuten später öffnete sich die Hintertür und Torbjörn trat ein.

      „Hallo Julie!“, rief er munter. „Ich hab dein Pferd draußen gesehen!“

      „Ist nicht meins“, erwiderte Julie mit vollem Mund. „Gehört Miklós!“

      „Mmh“, machte der junge, strohblonde Norweger und richtete seine Aufmerksamkeit in Richtung Herd. „Das duftet aber!“

      „Setz dich!“, lachte seine Frau. „Du wirst nicht verhungern!“

      „Oben, bei den Felsen, scheinen sich die Indianer breitzumachen“, sagte Torbjörn leise, sodass nur Julie es verstehen konnte. Erschrocken starrte sie ihn an.

      „Die Indianer?“, wiederholte sie gedehnt. „Bist du sicher?“

      „Ziemlich“, nickte Torbjörn. „Ich habe jede Menge Hufspuren von unbeschlagenen Pferden gesehen!“

      Julie schluckte. Sie wusste, was das bedeutete. Oft genug war ihr von ihrem Vater und Hardy eingeschärft worden, sich sofort in Sicherheit zu bringen, sollte sie Spuren unbeschlagener Pferde entdecken. Also war es jetzt vermutlich soweit, dass sie auszogen, um sie zu vertreiben von diesem Land, das ihnen nicht gehörte, das sie geraubt hatten, wie Hardy es immer wieder formulierte.

      „Alles in Ordnung?“, fragte Geertje in ihre Überlegungen hinein.

      „Was?“ Verwirrt starrte Julie sie einen Augenblick an, dann rang sie sich zu einem Lächeln durch. „Ja, ja...alles okay! Ich habe nur gerade überlegt....was in der kommenden Woche so alles ansteht!“ Sie schob den leeren Teller zurück und sprang hastig auf. „Am besten, ich reite schnellstmöglich zurück in die Stadt. Komm, lass mich dich kurz anschauen.“

      Verwundert hob Geertje die Schultern und ging ihr voraus, in Richtung Schlafzimmer. „Wenn du meinst...“

      Julie war froh, als sie die Untersuchung hinter sich gebracht hatte und der jungen Norwegerin mitteilen konnte, dass es dem Kind gut ging, soweit sie feststellen konnte.

      „Du musst dich trotzdem schonen“, ermahnte sie streng und sagte sich, es höre sich wie Hardy an. „Sei bitte vorsichtig“, fügte sie sanfter hinzu. Sie lächelte. Sie und Geertje mochten sich und wenn sie davon sprechen konnte eine Freundin zu besitzen, dann war Geertje auf jeden Fall eine von ihnen.

      Ein lautes Rufen ließ die beiden jungen Frauen herumfahren. Torbjörn stieß die Türe auf. „Runter! In Deckung! Indianer!“

      Geertje wurde blass und stieß einen kurzen Schrei aus. Julie besaß mehr Kaltblütigkeit und packte die junge Frau kurzerhand an den Schultern, um sie auf den Fußboden neben dem Bett zu drücken.

      „Bleib hier!“, befahl sie. „Du rührst dich nicht von der Stelle!“

      Sie selbst huschte in gebückter Haltung hinüber in den Wohnraum, zu Torbjörn, der in der offenen Tür stand. Seine Winchester krachte und ein Schrei erklang von draußen. Ein weiterer Schuss und es war still, verdächtig still. Vorsichtig wagte Julie es, hinter ihn zu treten. Sie blinzelte und schaute hinaus. Zwei kleine, gescheckte Pferde ohne Sattel standen im Hof. Ihre beiden Reiter lagen ein Stück daneben, regungslos. Julie überlegte einen langen Moment. Es war ihre Pflicht, Menschenleben zu retten, ganz gleich welcher Rasse, Herkunft oder Geschlechts. Das hatte Hardy ihr immer und immer wieder eingebläut, doch das da draußen waren zwei Indianer, die vielleicht nur vorgaben, verwundet zu sein. Vielleicht wollten sie sie auch nur herauslocken, um sie dann umzubringen. Galt für sie nun dasselbe? War es diese Pflicht wert, dass sie sich selbst in Gefahr brachte? Julie schwirrte der Kopf.

      „Ich kann keine anderen sehen“, raunte Torbjörn jetzt und schob sich behutsam einen Schritt nach draußen. „Seltsam.“

      „Vielleicht dachten sie, mehr brauchen sie für euch beide nicht!“

      Julie wagte sich neben ihm ins Freie, ihre Umgebung genau unter die Lupe nehmend, um jede Bewegung sofort wahrzunehmen. Sie konnte niemanden entdecken, kein Geräusch, nichts verriet, ob sich noch mehr Indianer in der Nähe aufhielten. Langsam, jeden Schritt genau bedenkend, ging Julie vorwärts. Nichts geschah. Kein Schuss fiel, kein Pfeil traf sie und auch die beiden Indianer rührten sich nicht. Zuerst trat Julie zu dem einen, der auf dem Bauch lag. Sie scheute sich davor, ihn zu berühren. Er trug Lederkleidung und sein Haar war lang und pechschwarz. Eine Feder war hinein geknotet und er roch seltsam scharf nach Leder, Fell und als habe er neben einem Feuer gestanden, rauchig und schwer.