Kishou IV. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754909676
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gespannter Unruhe. „Aber man schaut natürlich reflexartig hin, wenn man ihn in seiner Nähe hört – außer dem Gleim. Er reagiert auf solche Profanitäten nicht. Sie sind nichts ungewöhnliches und es ist nicht ihre Aufgabe, darauf zu reagieren. So erkennt man sie in der Menge auf einen Blick! Ein kleiner Trick – aber immer wieder sehr wirkungsvoll!“, schloss er.

      „Und jetzt?“, fragte Kishou beunruhigt. „Wir müssen ja wohl irgendwie da rüber!“

      „Ziemlich riskant – ich hab’ kein gutes Gefühl hier!“, bemerkte Undolf. „Es gibt auch eine Brücke. Es ist ein Umweg, aber sicherer, als hier auf dem Präsentierteller zu stehen!“ Er kletterte erneut vom Wagen, und führte sein Zugtier am Kehlriemen aus den Wartenden heraus. Glücklicherweise standen sie außen in der mehrreihigen Schlange, so dass es problemlos möglich war. Es sollte nichts ungewöhnliches sein, dass sich auch mal jemand aus den Wartenden wieder herauslöste – aber es war wohl hier und heute ungewöhnlich genug.

      Kishou sah, wie sich einer der rotberockten ganz in ihrer Nähe plötzlich aus der Menge herauslöste, und sein langer Stab im nächsten Moment Undolf Einhalt gebot. Der reichte dem SOK ein Papier – wohl seinen Existenznachweis – und kurz darauf noch ein Zweites und noch ein Drittes. Alles wurde von dem SOK im wechselnden Blick auf Undolf genau fixiert. Undolf sprach die ganze Zeit, aber Kishou konnte nichts verstehen, wegen der vielen Geräusche, die über der Menge lag. Der SOK ging mit den Papieren um den Wagen herum und betrachtete etwas auf seiner Hinterfront – wohl das Schild, das an jedem Wagen zu sehen war. Dann endlich gab er die Papiere an Undolf zurück.

      Kishou wollte beinahe aufatmen, aber statt nun wieder zu verschwinden, kam der Rotberockte nun geradewegs auf sie zu. „Den Existenznachweis!“, befahl er leidenschaftslos.

      Kishou reichte ihn klopfenden Herzens vom Wagen hinunter …

      „Was ist eigentlich los?“, fragte Undolf, der nun neben dem SOK stand. „Es ist unübersehbar das ungewöhnlich viele SOKs auf den Straßen sind. Ich hatte heute noch keine Gelegenheit die Nachrichten zu lesen. Liegt etwas Besonderes vor?“

      Der rotberockte Antwortete nicht und lass stoisch in dem Papier Kishous.

      Laut VOASOK-63/14-3 sind sie verpflichtet, Auskunft zu erteilen, wenn eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung vorliegt, oder zu erwarten ist!“, sagte Undolf mit klarer und selbstbewusster Stimme. „Ich könnte mich im Zweifelsfalle nicht schützen, wenn eine solche Gefahr angezeigt ist, und ich sie wegen ordnungswidrig unterlassener Aufklärung nicht abwehren kann!“

      Das zeigte tatsächlich Wirkung. Der SOK wandte seinen Blick von dem Papier und schaute auf Undolf. „Bei den Eindringlingen soll sich auch ein Breene aufgehalten haben!“

      „Ein Breene?“, tat Undolf erschrocken. „Das kann doch nur bedeuten, dass sie Unterstützung in der ONO finden!“

      „Es ist damit zu rechnen, dass die ONO nun verstärkt aktiv wird, zumal die Eindringlinge noch nicht festgesetzt werden konnten. Es ist also äußerste Vorsicht und höchste Aufmerksamkeit geboten!“, erklärte der SOK, während er Kishou ohne aufzublicken das Papier zurückgab. „Hierzu gilt VOBSOK-1/12a und b!“

      „Ich werde mich umgehend über die hierfür geltenden Regeln ordnungsgemäß unterrichten!“, antwortete Undolf ernst. „Hoffen wir, dass der Spuk bald ein Ende hat!“ Mit diesen Worten bestieg er den Kutschbock, nickte noch einmal dem SOK zu, und gab dem Pferd das Zeichen zum Aufbruch. Erst nachdem sie sich schon ein gutes Stück von der Fährstelle entfernt hatten, wagte Kishou endlich hörbar aufzuatmen.

      „Das war knapp!“, reagierte Undolf auf Kishous Erleichterungsbekundung.

      Die schier endlose Straße führte die ganze Zeit direkt am Ufer des Flusses entlang, und erst als die Häuser auf der anderen Seite niedriger und spärlicher wurden, kam endlich die Brücke in Sicht – ein hölzernes Monstrum, das auf dicken Stelzen das Wasser überspannte. Sie wurde offenbar vor allem genutzt, um nach Trital hinein zu gelangen. Von ihrer Seite – also aus der Stadt hinaus – gab es nur wenige Wagen, die sie überquerten.

      Auf der anderen Seite mussten sie zunächst wieder ein gutes Stück am Fluss entlang zurückfahren, bevor sie endlich ins Landesinnere einscheren konnten. Kishou schaute bis dahin die ganze Zeit über fasziniert zur Stadt hinüber. Die Welt schien ihr hier auf dem Kopf zu stehen. Aus all der satten und unbändigen Natur heraus, sah sie auf eine Oase aus grauem und wohlgeordneten Gestein.

      Nun aber waren sie endlich auf ihrem Weg, vorbei an noch kahlen oder gerade erblühenden Feldern, still daliegenden Seen, und immer wieder kreuzenden breiten Schneisen, die durch das dichte Unterholz führten. Kleine Stege und Brücken führten über sprudelnde Bäche oder ruhig dahinfließenden Wassern.

      „Es ist so viel!“, bemerkte Kishou endlich überwältigt von dem Anblick nach einer langen Zeit wortloser Fahrt.

      „Was meinst du?“, fragte Undolf.

      „Kannst du dir vorstellen, wie das ist …“, sagte Kishou von der Frage erwachend, „…wie das ist, wenn es genau umgekehrt ist? – also ich meine, wenn das alles hier nur Steine und Felsen und Sand wäre, und die Städte so wär’n wie das hier alles? Verstehst du, was ich meine?“

      Undolf sah sich nach ihr um, und seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass er wohl nicht so recht verstand, was Kishou da meinte.

      „Also in den anderen Dromen ist es genau umgekehrt wie hier! Da gibt’s nur Sand und Steine und ab und zu mal ‚ne Oase – bestenfalls so groß wie Trital, wenn's ’ne große ist. Mehr Grünes und buntes gibt’s da nicht. Und im Ersten Drom gibt es nicht mal das mehr!“, fügte sie hinzu.

      Der Breene schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich will es mir nicht vorstellen, aber hier gibt es vereinzelt auch schon Gegenden, die einen das Fürchten lehren!“

      „Trautel Melanchful hat mir erzählt … ach so … sagt dir der Name überhaupt was?“, unterbrach sie sich selbst.

      „Melanchful … Trautel Melanchful …“, überlegte Undolf laut. „Ich meine mich zu erinnern, dass die in den Legenden der verbotenen Bücher als so etwas wie die Herrscherin unseres Droms beschrieben wird!“

      Kishou stellte fast amüsiert fest, dass Undolf sie offenbar bereits zu seinesgleichen zählte – weil er ja ‚unseres Droms’ sagte. „Gewöhn' dich mal langsam dran, dass das keine Legenden sind!“, lachte sie. „Ich bin bei Trautel Melanchful aufgewachsen, und sie hat mich immerhin hierher geschickt!“

      Sie erntete nur ein Kopfschütteln von Undolf – was immer er damit sagen wollte.

      „Also ich erinnere mich, das mir Trautel Melanchful einmal gesagt hat, dass sie hier ein großes, weißes Schloss hat, das mitten in einem großen See liegt. Gibt’s das noch?“ Sie kletterte zu Undolf auf den Kutschbock.

      Der legte die Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. „Da weiß ich nichts von!“, meinte er etwas unwillig.

      „Aber das müsste doch auffallen!“, bohrte Kishou weiter. „Es kann doch nicht alles weg sein. Gibt’s nicht hier irgendwo einen See … mit einer Insel drin, oder sowas, wo ein Schloss drauf steht?“

      Undolf schüttelte abermals den Kopf, schien aber dabei angestrengt nachzudenken. „Also … es gibt da so eine von diesen trockenen, versteppten Gegenden … Es ist ein recht schmales, rundes Band … und bildet gewissermaßen eine Gürtel um ein flaches, sehr ausgedehntes, dicht bewaldetes Tal. Etwa in seiner Mitte liegt ein kleiner Hügel, auf dem wohl mal ein großes Gebäude gestanden haben muss. Es ist aber schon verfallen. Es kam mir schon vorhin in den Sinn, als du von den Oasen sprachst!“, erzählte er mit einer Mischung aus Unwillen und Neugier. „Laut VOAuGe 3/7-14-4 ist es aber seit Urzeiten schon ein Sperrgebiet – also wegen Sicherheitsgefährdung durch Einsturzgefahr!“, erläuterte er. „Man darf das Gebiet nicht betreten. Ich hörte von einen von uns, der das Gemäuer erkunden wollte. Er kehrte nicht zurück. Es wird also sicherlich überwacht.

      Kishou horchte auf. „Und wo ist das?“, fragte