KISHOU III. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754155530
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seinem Gurtbeutel bereits nach Ersatz.

      Aber noch mehr überwog die Faszination dieser Unwirklichkeit. ,Das Allsein selbst mochte so beschaffen sein’, dachte er bei sich, und schob sich den neuen Stab zwischen die Zähne. Der frische Geschmack des Holzes war angenehm, und ließ ihn für einen Moment den trostlosen Anblick vergessen. Er wendete sich ab. „Der verdammte Sand verhält sich nun warm genug unter euren Ärschen – wir brechen auf!“, schnauzte er über die Menge. „Wallan, Mark!“ rief er zu Zweien von ihnen hinüber. „Werft ein Auge auf den verdammten Pflug, ob er sich angemessen verhält!“ Fluchend stelzte er, durch Haufen von Utensilien, die vorher in Säcken verstaut, nun aber mehr oder weniger geordnet den Boden seines Leitwagens bedeckten, über die Pritsche zu dessen Ende.

      Die vergangene Nacht war arbeitsreich gewesen. Alles was in Säcke verstaut und nicht Kohlenstaub war, wurde ausgeschüttet, um den so gewonnenen Leinen zur Anfertigung von Staubbomben zu nutzen. Ein Stück der Seitenplanke seines Wagens wurde in einer Weise an den hinteren Teil der Pritsche gezimmert, das sie notdürftig als Pflug dienen konnte. Zu wertvoll war nun der schwarze Staub, um ihn als Wegmarkierung zu verschütten.

      Es gab für den Tolsmoi Bork viele Möglichkeiten, was demnächst geschehen konnte – eine von ihnen stand allerdings außer Frage: „Die verdammten ,Geisterreiter’ werden nicht lange auf sich warten lassen!“, rief er in die geschäftige Menge. „Lasst also eure verdammten Krypte sich verhalten, wo sie sind. Ich will das jedes verdammte Auge, das sich im Innern eures Haufens verhält, nach ihnen sucht!“

      „Tolsmoi!“

      „Was ist?“

      Einer seiner Leute drängte sich an seinen Wagen. „ich hatte den Gedanken, dass wir die alte Formation aufgeben sollten. Dieses Verhalten macht uns zu langsam. Wir sollten unser Verhalten den Wagen gegenüber umkehren, und sie nach außen verlegen! Mit einem solchen Verhalten könnten wir eine normale Marschformation einnehmen und die verlorene Zeit wieder aufholen!“

      „Ein guter Gedanke!“, nickte Bork anerkennend. „Ich werde ihn in mein verdammtes Krypt aufnehmen – und dann vergessen wir ihn wieder! Die verdammten Fläcks und die Wagen würden uns in ihrem Verhalten die verdammte Sicht nach außen nehmen. Außerdem sind die verdammten Fläcks zu wertvoll, um sie möglicherweise zu verlieren, wenn wir überrascht werden!“

      Immerhin, der Gedanke war gut genug, um in das Krypt des Tolsmoi zu gelangen. So trottete denn der Diskutant einigermaßen zufrieden und kopfnickend wieder davon.

      Bork trat mit dem Fuß gegen den provisorischen Pflug und grummelte etwas Unverständliches vor sich hin. „Also gut! Ihr wisst, wie es sich zu verhalten gilt. Setzt euch in Bewegung!“, brüllte er endlich, als er sah, dass inzwischen alles auf seinen Plätzen war.

      In diesem Moment wurden die ersten Sonnenstrahlen, die über den Horizont blitzten, von seiner spiegelblanken Glatze reflektiert. Seine kompakte, eher etwas untersetzte Erscheinung inmitten der wogenden Menge, wie er da so hoch aufgerichtet mit leuchtendem Kahlkopf auf seinem Leitwagen stand, erweckte die Assoziation eines zu niedrig geratenen Leuchtturms. Er war nicht sonderlich zufrieden – eher Nervös, gespannt, mit einer ordentlichen Portion Missmut. Seine Schulter machte ihm mehr zu schaffen, als er gehofft hatte. Sie schmerzte unter dem engen Verband, und er würde wohl kaum eine Chance haben, an den bevorstehenden Kämpfen teil zu nehmen.

      Der Pflug machte seine Sache gut – zumindest vorerst. Die bei den anderen waren eisenbeschlagene, scharfkantige, und speziell gefertigte Hölzer. Wie ein Kiel zogen sie ohne großen Widerstand ihre Schneise in den Boden. Wie lange dieses einfache Brett hier dem bissigen Sand widerstehen konnte, war bestenfalls eine gute Gelegenheit für streitbare Spekulationen in der Truppe – und entbehrliches Holz von den Pritschen war Mangelware ...

      ~*~

      Störung

      Kishou saß mit gekreuzten Beinen auf dem großen Tisch ihres Zimmers. Die Hände lagen auf den Knien, und ihre Augen waren geschlossen …

      Ihre Sinne waren an jenem Ort, der keiner mehr war, und den der Dompteur regelmäßig aufzusuchen pflegt. Alles Sein schien verschmolzen in einem einzigen und unendlich kleinen Punkt, dessen inneres unermesslich war. Kein Stern störte hier die ewige Nacht, und auch jeder Laut fand hier sein Ende … so zumindest sollte es sein und so war es immer gewesen.

      Mit der Langsamkeit unendlich gedehnter Zeit wendete sich ihr Gesicht zur Seite. Ein Ton war zu hören an diesem Ort, der keiner war, und wo es ihn nicht geben konnte … Es war ein sehr dunkler Ton – fast mehr eine Ahnung – doch nicht dunkel genug, um mit der Stille der ewigen Nacht zu verschmelzen.

      In wiederum unendlicher Zeit wand sich ihr Gesicht der anderen Seite zu … Doch auch hier war keine Ursache für diesen Ton zu erahnen. Er war überall.

      Doch niemand konnte sein an diesem Ort, außer sie selbst – denn dieser Ort war sie selbst ...

      Sie entschied, zurückzukehren.

      ~

      Ein gefundenes Fressen

      Oh – verzeiht die kleine Unverhältnismäßigkeit meines Auftretens in dieser Zeit …!“ Habadam stand vor dem Tisch, auf dem sie saß, und war etwas bestürzt, als sich Kishous Augen plötzlich weit öffneten. „Ihr seid nicht nur eine Kishou, sondern auch ein Dompteur! Ich bemerkte es bereits bei eurer Ankunft – ihr tragt seinen Bogen …! – ihr seht besorgt aus!“, unterbrach er sich selbst, als er meinte, dergleichen in Kishous Gesicht zu entdecken.

      „Nein, nein – es ist nichts!“, reagierte Kishou … „Oder ich weiß nicht … irgendwas stimmt nicht!“

      „Oh, das verhält sich normal – vollkommen normal!“, fand Habadam sofort die Erklärung. „Irgend etwas verhält sich immer unstimmig. Ich kenne keine Zeit, in der alles gestimmt hätte – außer der eurigen natürlich. Nein, das Verhalten einer stimmigen Zeit existiert nicht – zumindest ist dies eine Möglichkeit. ... die Wahrscheinlichste, möchte ich mal spekulieren … Natürlich könnte es auch ganz anders sein! Ich würde euch gern diesbezüglich einige Vorschläge unterbreiten, aber die Hebelaner und die gerade Zugereisten können es nicht erwarten, euer Verhalten zu studieren. Sie sind in diesen Zeiten der versiegenden letzten Wasser sehr ausgehungert und von all zu großem Appetit. Man erwartet euch auf der ‚Streitwiese’!“

      „Streitwiese?“, wunderte sich Kishou.

      „Ja, darin verhält sich der Ort, an dem wir die Stadt zuerst betraten – ihr erinnert euch? Dort pflegt man den Genuss des Streitens – sofern sich noch ein Verhalten findet, über das sich streiten lässt. Meine werten Sippenangehörigen sind bereits dort – es fehlt gewissermaßen nur noch die Hauptmahlzeit!“, freute sich Habadam sichtlich mit blitzenden Augen.

      „Genuss des Streitens … Ich bin `ne Hauptmahlzeit …?“ Kishous Gesicht drückte Zweifel aus ...

      „Oh – verzeiht die kleine Unverhältnismäßigkeit meiner Worte. Es ist euch ja vielleicht nicht bekannt … Ich dachte es euch schon erklärt zu haben – es wäre ja immerhin möglich gewesen … Nun – das Volk der Asimielenen ernährt sich vornehmlich von Gedanken. Dazu braucht es natürlich immer neuer Verhaltensmöglichkeiten, um solche ernten zu können – wenn ihr versteht. Zumindest verhält es sich so bezüglich ihrer Hauptnahrungsquelle. Es gibt daneben natürlich noch allerlei andere Möglichkeiten!“

      „Was es alles gibt …!“ Kishou schüttelte beruhigt, und nunmehr fast schon amüsiert den Kopf.

      „Und äh ... nehmt euren Bogen mit!“, bat Habadam noch. „Er erzählt viel von dem Volk der Afeten. Die Asimielenen kennen sie nur noch aus alten Legenden noch älterer Krypte, und euer Verhältnis gegenüber der Legende ist fruchtbarster Boden für vielerlei Gedanken.

      „Ich versuch´s, zu verstehen!“, grinste Kishou, stieg vom Tisch und zog mit routinierter Bewegung die Sehne auf den Bogen …

      Boorh, Mo