KISHOU III. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754155530
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die den Asimielenen fehlte. Sie fürchteten wohl, etwas zu versäumen, wenn sie Hebela verlassen würden, um die neue Kunde im Drom zu verbreiten.

      Die Unruhe brauste wieder auf, und die allgemeine Aufregung konnte größer nicht sein. Alles lief durcheinander. Wagen mit Zugtieren in wachsender Anzahl wühlten sich, Hebela eilig verlassend, durch die Menge, oder am Rande des Platzes an ihnen vorbei, um die ungeheuerlichen Neuigkeiten schnellstens in das gesamte Drom zu tragen. Doch auch ein großer Teil belagerte nach wie vor die Ankömmlinge und bedrängte Kishou und ihre Gefährten mit laut gerufenen Fragen. Es war noch immer unmöglich, auch nur eine von Ihnen zu verstehen, geschweige denn, sie zu beantworten.

      Kishou war überfordert. Habadams Worte waren entgegen ihrer bisherigen Erfahrungen mit ihm, alles andere als leicht verstehbar und ein einziges Rätsel für sie. Sie wirkte ziemlich hilflos, wie sie da so neben ihm stand, und irritiert die drängende Menge betrachtete.

      „Die Hebelaner werden sich mit einer Menge Fragen zu euch verhalten!“, wandte sich Habadam mit einem verschmitzten Seitenblick an Kishou. Seine kleinen Augen sahen sie mit hochgezogenen Brauen an. „Wie wollt ihr euch dazu verhalten? Wollt ihr gleich darauf antworten, oder wollt ihr lieber zunächst in euer Heim – ihr werdet natürlich bei mir wohnen!“, schlug er vor. „Mein Heim verhält sich nicht weit zu diesem Ort!“

      Kishou war mehr als dankbar für diese Auswahl, und entschied sich fraglos für das Heim. Es brach ohnehin der Abend herein, und sie hatte das dringende Bedürfnis, erst einmal zur Ruhe zu kommen.

      Mit einiger Mühe gelang es Habadam, den Drängenden Geduld abzuringen, und sie mit ihrer Neugier auf den nächsten Tag zu vertrösten. Langsam bewegte sich der Wagen endlich durch die Menge hindurch, und verschwand dann im Dickicht der Oase.

      Boorh hatte kein festes Heim – zumindest wusste Kishou nichts von einem Solchen, und rechnete wohl auch nicht damit. Sie hatte ihn nie danach gefragt. Mo dagegen verfügte über große und ansehnliche Paläste in Kurham und Ephral. Auch Habadam verfügte nun also über eine Wohnstatt – allerdings befand sich eine Solche in jeder Oase des Droms, wie sie auf ihre Nachfrage hin erfuhr. Sie dachte eigentlich, dass Hebela die Heimstatt Habadams wäre – dem war aber nicht so.

      Viel mehr als eine Wohnstatt war es dann aber auch tatsächlich nicht. Zumindest unterschied es sich kaum von all den Behausungen, die sie bereits überall auf ihrem kurzen Weg ausmachen konnte – und die, entgegen ihrer Erfahrungen in den Oasen des zweiten Droms, scheinbar willkürlich verstreut und zum Teil sehr dicht beieinander im Buschwerk herumstanden. Hier gab es keine Zäune, keine Hecken, keine Türen, noch sonst irgendwelche Begrenzungen. Mehr oder weniger breite und ausgetretene Wege verbanden die Behausungen miteinander.

      Das Heim Habadams taucht irgendwann einfach plötzlich auf – nichts, was es irgendwie angekündigt hätte. Immerhin offenbarte es sich letztlich doch geräumig genug, Kishou und ihren Gefährten ausreichend Platz zu bieten.

      Der augenscheinlich wenig genutzte Pfad endete plötzlich in einem schattigen Dickicht – direkt an der Schwelle des Hauses. Glänzend geschliffene Steinplatten zierten den Boden eines kleinen, etwas dämmrigen Vorraumes, in dem eine breite, leicht geschwungene Holztreppe in ein oberes Stockwerk führte. Das Licht, dass ihn erhellte fiel aus drei türlosen Räumen hier hinein, die sich an den Vorraum anschlossen. Genauer gesagt, aus Zwei von Ihnen. Der dritte war erst über einen kleinen Flur zur Rechten erreichbar.

      Die geräumige Diele selbst war vollkommen leer und ungenutzt – was man von den angrenzenden Räumen wahrlich nicht sagen konnte. Lichtdurchflutet von großen Fensteröffnungen, bot sich hier ein Bild großer Geschäftigkeit.

      Außer kunstvollen Tischen und gepolsterten Stühlen, die man hier finden konnte, und deren Anwesenheit Kishou allein schon aufgrund ihrer Erfahrung mit dem kargen Mobiliar der Wohnstätten im Zweiten Drom überraschten, waren die Wände verstellt mit Regalen, in denen zu Hauf gebundene Schriften, Bücher und Papierrollen lagen und standen. Selbiges fand sich auch ungeordnet auf den Tischen, auf Kisten, und sogar auf den hölzernen Dielen des Fußbodens. Viele Gefäße, Krüge und Figuren standen verteilt ebenfalls in den Regalen, und dienten hin und wieder dem dort Gelagerten als Stütze. Alles war reich verziert, und trug zumeist ähnliche Symbole, wie sie schon auf dem langen Mantel Habadams zu sehen waren. Viele große und kleine Talkleuchtenständer aus filigran geschmiedetem Eisen oder kunstfertig gedrechseltem Holz vervollständigten die etwas chaotisch erscheinende Wohnlichkeit.

      Eine etwas kompakte und stattliche Figur erschien plötzlich im Türrahmen und blickte unsicher hinein. Er trug einen mächtigen Bart und lange Zöpfe, und erinnerte Kishou im ersten Moment an Linsilf, dem Führer der Langen Schatten in der Zweiten Ebene des Zweiten Tals des Zweiten Droms … „Verzeiht die Unbemessenheit meines Eindringens …“, entschuldigte er sich in Richtung Kishou mit einer Verbeugung. „… aber das allgemeine Verhalten erlaubte es mir bisher noch nicht, bis zu euch vorzudringen!“, wendete er sich nun an Habadam.

      „Oh, Driesal!“, wurde er sofort von Habadam erkannt. „Er ist der Tolsmoi dieses Ortes!“, stellte er ihn Kishou vor.

      „Ja, ich … ich dachte nur …“, verneigte sich der noch einmal, „Ich dachte nur, das Verhalten Hebelas ist aus den Fugen. Ich … ich sollte wissen, wie es sich im Weiteren verhält, damit ich den Bewohnern Hebelas etwas sagen kann …!“ Er schien sich nicht sonderlich wohl zu fühlen, wie er da so stand zwischen Tür und Angel, versuchte aber dennoch, Haltung zu bewahren.

      „Es verhält sich alles zu unserer Zufriedenheit!“, antwortete Habadam. „Ich will dich morgen über unser weiteres Verhalten unterrichten. Bis dahin sorge dafür, dass Kishou ungestört bleibt!“

      „Gut … gut, ich werde mich also abwartend verhalten, und auch das Verhalten der Hebelaner in dieser Weise lenken!“, versprach der Tolsmoi nicht sehr glücklich. Er hatte wohl gehofft, wegen seiner hohen Funktion als Tolsmoi nicht erst bis zum nächsten Tag warten zu müssen, um mehr zu erfahren. Wohl etwas enttäuscht zog er wieder ab.

      „Ich denke, die oberen Räume verhalten sich zu euch und Mo angemessen!“, wandte sich Habadam nun wieder an Kishou. „Gleich in der Nähe verhält sich ein Zimmermann, ich werde ihn über euer besonderes Verhalten unterrichten. Ich vermute doch, dass ihr es zuweilen vorzieht, das kleinen Allsein aufzusuchen, wie es auch im Vierten Drom, bei den Breenen so üblich ist!“, schmunzelte er.

      „Äh ... Ja!“, fiel Kishou nur dazu ein.

      Habadam verschwand aus dem Türbogen, und Kishou und Mo stiegen die Treppe in das obere Stockwerk hinauf. Habadams bekundete ,Angemessenheit’ bestand wohl in seinem Wissen, dass Mo in jedem Fall ein eigenes Revier vorzog, in das sie sich zurückziehen konnte. Für Boorh und das Untere Squatsch war es hingegen gleichgültig, wo sie sich befanden. Und Kishou – wohl ohne Frage für Habadam – brauchte auch ihr eigenes Revier. Kam sie doch Mo am nächsten.

      Der geräumige Flur am oberen Ende der Treppe zeigte gleich in ihrer Blickrichtung die Eintritte zu zwei weiteren Räumen – und hinter ihnen, gleich gegenüber, fand sich eine großflächige Fensteröffnung mit einem Austritt daneben, der auf eine sehr geräumige und begrünte Veranda führte. Darunter musste wohl irgendwo der Eingang des Hauses liegen.

      „Entscheidet, welches der Reviere das eure ist. Mo ist dann für das andere entschieden!“, meinte Mo, in ihrem unnachahmlichen, warmen, aber klaren Ton.

      „Mir egal!“, reagierte Kishou, und stolzierte einfach in den nächst gelegenem Raum hinein. Er unterschied sich eigentlich kaum von den Unteren. Er war nur offenbar weniger benutzt und entsprechend aufgeräumter. Ein großer, dunkel polierter Holztisch stand in seiner Mitten, auf dem ein mehrarmiger ebenfalls hölzerner Leuchter abgestellt war. Sechs Stühle umgaben den Tisch.

      Zur Linken, in der Ecke des Raumes, vor einem hohen, mit Büchern und verzierten Gefäßen vollgestellten Regal, prunkte ein fetter, großer, in samtenen grün gepolsterter schwerer Sessel, mit dicken, wulstigen Armlehnen. Mit dem kleinen Tischchen zu seiner Linken, und einem langstieligen eisernen Leuchter zur Rechten, wo sich auch ein in die Mauern eingelassener Kamin befand, hatte er wahrscheinlich alle Attribute, von denen Kishou in diesem Moment