Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
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      Mitten auf der Brücke, am höchsten Punkt versperrte ein gewaltiger, steinerner Koloss den Weg auf die andere Seite. Die Statue war in einen archaischen Panzer gehüllt und stützte sich auf eine Axt, die gute zwei Stockwerke hoch war.

      Sie war nicht aus einem Block gefertigt, sondern war offensichtlich gemauert worden. Anaya hatte einen scharfen Blick bewiesen, denn ihr war aufgefallen, dass zwar die Brücke, wie auch der Rest der Stadt von der Überschwemmung heimgesucht worden war, doch das galt offensichtlich nicht für die Statue. Sie wirkte beinahe neu.

      „Was nun?“

      „Versuchen wir eine andere Brücke.“

      Der Vorsatz war gut, doch wie sie bald feststellen mussten, stand auf jedem Übergang ein ebensolcher Wächter. Nirgends bot sich ihnen eine Möglichkeit.

      Sie ließen sich wieder in der alten Färberei nieder, um zu beraten.

      „Über die Brücken kommen wir niemals. Die Wächter mögen uns nicht riechen können, aber sie sind mit Sicherheit nicht blind.“

      „Außerdem ist zu wenig Platz, um sich vorbei zu schleichen“, fügte Kmarr hinzu.

      „Lass uns näher an den Fluss gehen, vielleicht finden wir irgendwo ein Boot.“

      1 - 22 Bergungsarbeiten -

      Es dauerte gut einen Tag, das Flussufer abzusuchen, ohne dabei gesehen zu werden.

      Zunächst hatten sie keinen Erfolg. Alles, was auch nur entfernt wie ein Boot wirkte, war so vermodert, dass keine Hoffnung darauf bestand, es nutzen zu können.

      Erst als sie zum zweiten Mal die Hafenanlagen untersuchten, entdeckte Anaya in einem schmalen Hafenbecken, knapp unter der Wasseroberfläche zwischen verrotteten Anlegern, halb unter einem steinernen Kai verborgen, einen kleinen Nachen. Ein flaches, rechteckiges Ding, kaum länger als fünf Schritte und höchstens einen und einen halben Schritt breit.

      Skeptisch betrachtete Kmarr das Gefährt: „Na ich weiß nicht. Irgendwie hatte ich etwas im Sinn, dass besser schwimmt.“

      Anaya, die bereits dabei war, sich zu entkleiden, um in das eisige Wasser zu springen, schüttelte den Kopf: „Sei froh, dass es unter Wasser liegt. Da vermodert es nicht so schnell.“

      Ihre Haut nahm einen schuppigen Glanz an, während sich Schwimmhäute zwischen den Fingern bildeten, die dabei zugleich länger wurden.

      Ihre Hufe schrumpften unterdessen zunächst, bevor sie sich zu breiten tellerförmigen Flossen umbildeten.

      Nur mit einem Seil und einem Knochenmesser in der Hand sprang sie elegant in die schlammige Brühe des Hafenbeckens, die trotz der Jahrhunderte noch immer typisch nach fauligem Fisch und brackigem Wasser stank.

      Kmarr behielt die Umgebung im Auge, während er das andere Tauende fest um seine linke Hand geschlungen hielt.

      Die Wunde an der Seite pochte unangenehm und die Verbände spannten, besonders nach der Anstrengung des Tages.

      Er hatte sich die Krücke unter den Arm geklemmt, damit er den Bolzenwerfer mit der freien Hand bedienen konnte.

      Anaya hatte das Wrack schnell umrundet. Lautlos tauchte sie wieder auf: „Es liegt ein großer Felsbrocken darin. Er hat ein Loch in den Rumpf geschlagen und den Kahn dann nach unten gedrückt. Wenn wir den Stein entfernen, müsste sich das Leck schließen lassen.“

      „Dann los, bevor uns noch jemand aufstöbert.“

      Kaum hatte er zu Ende gesprochen, war Anaya bereits wieder unter Wasser. Sie schlang das Seil um den Rumpf des Bootes, bevor sie tiefer hinab tauchte. Er konnte nicht mehr verfolgen, was sie tat, doch das Wasser brodelte und zischte plötzlich zuerst an der Stelle, an der er den Felsen vermutete, bevor es sich über das gesamte Wrack ausbreitete.

      Es gab einen Ruck am Seil, der ihm signalisierte, dass er ziehen sollte.

      Für einen Menschen, Naurim oder Alian wäre das Unterfangen aussichtslos gewesen, zu versuchen, den Nachen von Hand zu bewegen, doch er war ein Leonide. Größer und stärker als ein Pferd, mit Muskeln, die von Kampf und Reise gestählt waren. Er stemmte Seine Füße in den Boden, schlang das Seil um den Arm und die Schultern und zog.

      Zunächst spannte sich nur das Tau, bis es unter der Belastung zu knirschen begann. Wasser spritzte heraus, als die Stricke, aus denen es bestand, ausgepresst wurden.

      Knurrend lehnte er sich vom Hafenbecken weg, um sein beträchtliches Gewicht zum Einsatz zu bringen.

      Seine Verletzung meldete sich protestierend, Schmerzen breiteten sich von dort in seinen Körper aus, die ihm keuchend die Luft aus den Lungen trieben. Verbissen kämpfte er darum, nicht nachzugeben.

      Schließlich musste er doch eine Pause machen, als er die Pein nicht länger ertragen konnte.

      Anaya war noch nicht wieder aufgetaucht und das Wasser brodelte auch noch immer, deshalb beschloss er, zunächst abzuwarten.

      Gerade rechtzeitig, denn als er den Kopf hob, entdeckte er zwei Gestalten, die soeben um die Ecke eines Hauses am anderen Ende des Hafenbeckens gebogen waren. Für einen Herzschlag bleiben sie ebenso überrascht stehen, wie er.

      Es waren keine Bewohner der Stadt, sondern Soldaten aus Morak. Sie schlenderten auch nicht über die Straße, sondern schlichen im Schatten der Hauswände voran.

      Die Männer reagierten eine Winzigkeit schneller. Einer bog rasch in eine Seitengasse ab, der Andere duckte sich in einen Hauseingang, um Kmarr im Auge zu behalten.

      Fluchend zog dieser wieder am Seil, ohne auf die Soldaten zu achten. Dieses Mal packte er mit beiden Pranken zu.

      Es passierte überhaupt nichts. Mit erneuter Anstrengung legte er zusätzlich zu seiner Muskelkraft auch sein Gewicht hinein, bis das Seil so straff gespannt war, dass er fürchtete, es würde jeden Augenblick reißen.

      Gerade als er zum zweiten Mal aufgeben wollte, weil bereits bunte Flecken vor seinen Augen tanzten, spürte er wie sich das kleine Boot aus dem Schlamm des Beckengrundes löste.

      Knirschend polterte ein riesiger Stein durch ein Loch mitten im Rumpf.

      Anaya tauchte aus dem Wasser auf: „Was machst Du denn da? Ich war noch nicht fertig.“

      „Wir müssen hier weg. Besuch aus Morak“, ächzte er gepresst, während er sich die schmerzende Seite hielt: „Zwei Soldaten bislang.“

      „Wo?“

      Kmarr machte eine Kopfbewegung zur Seite.

      Mit zwei kräftigen Schwimmzügen katapultierte sie sich aus dem Wasser. Ihr nackter, geschuppter Körper glänzte im matten Sonnenlicht. Sie landete geschmeidig auf ihren Hufen. Die Verwandlung zurück zu ihrer normalen Gestalt vollzog sich innerhalb weniger Herzschläge.

      Hastig kleidete sie sich an: „Sind es nur die zwei?“

      „Mehr habe ich nicht gesehen, doch das wird nicht mehr lange so bleiben. Einer ist bereits losgelaufen, um Verstärkung zu holen. Der andere versteckt sich da hinten in einem der Häuser. Was nun?“

      „Ich erledige den im Haus, Du bringst den Kahn weg. Zieh ihn näher zum Fluss. Wir müssen erst das Loch flicken, sonst kommen wir nicht weit.“

      „Was Du nicht sagst.“

      Kmarr blickte auf den traurigen Rest des Bootes, das nun einen Fuß aus dem Wasser ragte.

      „Vorhin habe ich eine Rampe gesehen, über die man wohl früher Boote zu Wasser gelassen hat. Da werde ich auf Dich warten.“

      „Einverstanden. Bis gleich.“ Sie berührte ihn kurz am Arm, dann huschte sie mit dem Bogen in der Hand davon.

      Der Soldat, der wohl offensichtlich beobachtet hatte, dass nur Anaya auf ihn zu kam, entschied sich dazu, besonders tapfer zu sein. Er trat mit Axt und Schild bewaffnet aus seinem Versteck, um sich ihr zu stellen.

      Das glockenhelle Lachen der Alian drang deutlich