Auf getrennten Wegen. Christian Linberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Linberg
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754131602
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      Eine Folge der Kälte, wie Droin vermutete. Ihr größter Feind war und blieb dennoch das Land selbst.

      Als sie schließlich wieder auf der Straße standen, deutete Droin grimmig auf einen nicht weit entfernten Hügel, auf dem die Rester einer Windmühle in den wolkenverhangenen Abendhimmel ragten: „Das wird unser Lagerplatz.“

      „Aber was ist, wenn die ehemaligen Bewohner dort spuken?“

      „Dann haben sie Pech und sterben ein zweites Mal.“

      Die Art, wie Droin das sagte, hatte etwas sehr Endgültiges.

      Trotzdem näherten sie sich, begleitet von der untergehenden Sonne, äußerst vorsichtig.

      Es war ein alter Bau, die Steine bewachsen von einem dichten Geflecht aus Moosen und zähen Ranken, die entfernt Efeu ähnelten. Nur der untere Stock war übriggeblieben, ein schwerer Mühlstein und zwei der einstmals drei Segel des Windrades. Ihre vermoderten Reste ragten wie die gebrochenen Flügel einer riesigen Fee aus dem Boden.

      Der Ort hatte etwas Trauriges an sich, der Phyrias Stimmung trübte.

      Viel Zeit zum Nachdenken blieb nicht.

      Unter Droins Anweisung spannten sie eine Ölplane als Dach zwischen die alten Steine. Die Ranken boten dabei hilfreichen Halt, bis sie sich einen kleinen Kratzer zufügte, der fürchterlich juckte und brannte.

      Zusammen mit der Verletzung am Bein, der Kälte und der Trostlosigkeit wurde es ihr schlagartig zu viel: „Ich hasse dieses Land!“, schimpfte sie mit Tränen in den Augen.

      „Wie kann man seinem Land nur so etwas antun?“

      Ihr Blick brannte Löcher in das wettergegerbte Gesicht von Droin.

      „Wenn Du Antworten suchst, kannst Du lange warten. Ich habe keine. Auch wenn ich älter bin als Du,“ fuhr er ruhiger fort, als er begonnen hatte: „so verstehe ich Grausamkeit noch immer nicht besser als als kleiner Junge. Es liegt einfach in der Natur Mancher, Andere zu quälen und sich daran zu erfreuen. Frag die Götter, vielleicht können sie Dir eine bessere Erklärung liefern.“

      „Wie erträgst Du Dein Leben, wo Du darum weißt?“

      „Eine harte Frage.“

      Droin zerhackte ein paar Ranken in kleine Stücke, die er aufschichtete, so dass sie gut brennen würden. „Das Alter hilft dabei. Man gewöhnt sich an alles, wenn es nur lange genug andauert.“

      Er schlug Funken in die Feuerkugel, um das Kohlepulver darin zu entzünden: „Halt Dich an die guten Dinge. Familie, Freunde, Gutes Bier, Huren, Abenteuer.“

      „Hast Du denn Familie?“

      „Ja. Meine Frau Roona, drei Söhne und zwei Töchter mit ihren Familien, sowie meine Enkel und Urenkel. Du wirst sie vielleicht kennenlernen, wenn wir meine Heimat erreichen.“

      Phyria war so erstaunt, dass sie ihre Wut vergaß: „Warum reist Du dann umher? Willst Du nicht bei ihnen sein?“

      Droin schüttelte den Kopf: „Wozu? Meine Kinder passen auf sich selbst auf. Sie sind alle weit älter als Du und haben ein eigenes Leben. Kaya ist froh, wenn ich nicht so oft da bin. Im Winter freuen wir uns darauf, uns zu sehen und im Frühjahr darüber, wieder getrennte Wege zu gehen. Nur die Menschen halten es für eine gute Idee, ihr ganzes Leben miteinander zu verbringen. Liebe ist ein flüchtiges Gut, dass sich oftmals zu schnell verbraucht, wenn man es ständig benutzt. In einem sehr langen Leben hat alles mehr Zeit.“

      Droin sah, dass Phyria darüber eine Weile nachdenken würde, so dass er sich dazu entschloss, dieses Mal das Kochen zu übernehmen.

      Es gab eine einfache, würzige Suppe mit wildem Reis und Akaria-Wurzeln.

      „Sag, was weißt Du noch über die arkanen Kräfte der Dämonen“, fragte Droin beim Essen.

      „Dass sie von der Art des Dämons abhängig sind. Jede Art hat eigene Fähigkeiten. Und manche erlernen auch die Disziplinen eines Arkanisten dazu.“

      „Und alle rauben Seelen, um ihre Kräfte zu erneuern?“

      Phyria schüttelte den Kopf: „Nicht alle, aber die Meisten.“

      Droin ließ sich nichts anmerken, innerlich atmete er jedoch erleichtert auf.

      „Und wenn Du einen Dämon siehst, kannst Du dann sagen, welche Kräfte er hat?“

      „Solange er kein Arkanist ist, ja.“

      „Wir haben bis jetzt einen Draanyr, Bakura, Lodon, Anjii und die Vulshara getroffen.“

      „Außer, dass sie im Dunkeln sehen können und ihnen Kälte wenig ausmacht, sind dies keine, die über außerordentliche Fähigkeiten verfügen – sieht man von Draanyr ab. Und was der kann, wisst ihr selbst. Alles sind niedere Fußtruppen. Die Vulshara ist da schon eher ein Offizier, wenn man es mit den Rängen des Militärs vergleichen würde. Sie kann besser Gestaltwandeln als der Draanyr, ihr Blut beißt und zerfrisst sogar Gestein und sie heilt unnatürlich schnell. Ihre mächtigste Gabe ist aber die der Verführung. Sie vermag es, den Geist vieler zu verwirren oder zu beherrschen.“

      Schaudernd erinnerte sich Droin an den Kampf in den Höhlen unter Kaltarra.

      „Was ist mit einem Dämon, so groß wie Kmarr, breites Gesicht, schwarze Haut, rote Augen, Klauenfüßen, vier Armen…“

      Phyria unterbrach ihn: „mit einem dreifach teilbaren Maul und drei Augen?“

      Droin nickte.

      „Das ist ein Utarr, ein Schattenmeister. Doch die gibt es nicht mehr.“

      „Und wenn doch?“

      „Du hast einen gesehen? Wann und wo?“

      Phyria schien ehrlich überrascht: „In Freiheit?“

      „Meine Sache. Ist schon lange her. Was können sie?“

      Obwohl er sehen konnte, wie es ihr unter den Nägeln brannte, zu fragen, wann die Begegnung stattgefunden hatte, besann sie sich anders: „Sie beherrschen Licht und Schatten. Man sagt, sie bestünden aus der Essenz der Dunkelheit. Sie haben viele Augen und doch keines. Sie hungern nach dem Licht, können an mehreren Orten zugleich sein, haben wie Schatten auch jede Form und doch keine. Sie bewohnen die Zwischenwelt. Ihre Waffe ist der Blitz und…oh…“

      „Ja. Behalte es für Dich.“

      „Drakkan…“

      „Ja. Wie ich gesagt habe: behalte es für Dich.“

      „A-aber Utarr sind große Dämonen. Wie…“

      „Blut lässt sich nicht leugnen.“

      Schaudernd erinnerte sich Droin an den Kampf mit Drakkans Vater. Selten nur rief er sich die Ereignisse von damals ins Gedächtnis. Nur knapp hatten sie überlebt. Und nur, weil sie weit besser vorbereitet gewesen waren, als Assarth erwartet hatte.

      „Und es war wirklich ein Utarr?“

      Noch immer war Phyria fassungslos.

      „Genauso, wie Du ihn beschrieben hast.“

      Das war natürlich gelogen. Assarth hatte Flügel besessen, eine Anzahl Hörner und Hufe statt Klauen.

      „Wenn wir das früher gewusst hätten, hätte der Orden eine Kongregation Dämonenjäger entsandt, um ihn zu vernichten. Dann wären wir nicht so überrascht worden“, fügte sie bitter hinzu.

      Ihre Stimme gewann einen verlorenen Unterton, als ihr der Verlust wieder bewusst wurde, den sie erlitten hatte.

      Droin, der selbst im Laufe der Jahrhunderte manche Freunde und Geliebte verloren hatte, wusste, dass nur die Zeit Linderung bringen würde.

      „Bewahre die Erinnerungen, aber lebe Dein Leben weiter. Sie sind tot, Du nicht. Wenn Du das nicht erträgst, ist es ganz einfach: Wenn unser Verfolger zurückkehrt, lass Dich töten. Sonst ehre die Toten, indem Du lebst