Haus der Geheimnisse. Rita Hajak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Hajak
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738065367
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Sie haben den Verlust Ihrer lieben Frau erleiden müssen«, sagte Katja vorsichtig.

      Der Professor lächelte flüchtig. »Man wird solche Schicksalsschläge nie vollständig überwinden. Wenn der Schmerz jedoch nachgelassen hat, kann man besser damit umgehen.« Er sprach mehr zu sich selbst. »Das Leben kann manchmal grausam sein, aber die Welt bleibt deshalb nicht stehen. Sie dreht sich immer weiter.« Sein Gesicht verschloss sich, als er diese Worte sagte.

      Leider ist es so«, pflichtete Katja ihm nachdenklich bei. Sie wunderte sich, wie zurückhaltend er von seiner Frau sprach. Zu gerne hätte sie gewusst, woran sie gestorben war. Aber sie traute sich nicht, danach zu fragen.

      Er lächelte wieder. »Wie geht es dem jungen Mann, der Ihnen so selbstlos zur Seite gestanden hat? Ist er Ihnen auch weiterhin behilflich?«, fragte Mr. Graham. »Wie hieß er doch gleich?«

      »Markus! Er ist ein Freund und kümmert sich auch jetzt um das Haus und das Grab meiner Eltern«, antwortete Katja. Dass sich ihre Wangen gerötet hatten, war dem Professor sicherlich aufgefallen. Welche Schlüsse würde er daraus ziehen? Ihr konnte es egal sein.

      »Wenn Sie einen Rat oder Hilfe brauchen, ich bin jederzeit für Sie da«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Eine Bitte habe ich noch: Nennen Sie mich beim Vornamen.«

      »Gerne und vielen Dank, dass ich hier sein darf«, entgegnete Katja.

      Tom lächelte verschmitzt. »Ich gestehe, dass meine Gründe

      teils egoistisch sind. Es ist wunderbar, einen Gast wie Sie im Hause zu haben, mit dem man gelegentlich fachsimpeln kann. Sie sind eine Bereicherung in unserer bescheidenen Hütte, wie es so schön heißt«, meinte Tom ernst.

      Darüber musste Katja lachen.

      »Es ist schön, Sie lachen zu hören. Meine Frau war auch sehr humorvoll gewesen. Früher, als der Junge noch klein war. Das Haus war voller Leben.« Sein Gesicht verschloss sich erneut.

      Katja konnte sich denken, dass auch er seine Trauer noch nicht überwunden hatte und unterließ es, darauf zu antworten.

      Geschickt versuchte er, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, indem er sie nach ihren Zukunftsplänen befragte.

      »Wie Sie bereits wissen, werde ich einige Monate in einer Bibliothek in Hamburg arbeiten und im nächsten Frühjahr die Referendar-Stelle annehmen.«

      »Dann haben Sie die Zusage von der Realschule in Hamburg erhalten?«

      »Ja, schon im Mai.«

      »Darauf sollten wir trinken«, schlug Tom Graham vor.

      »Herzlichen Glückwunsch!« Sie prosteten sich zu.

      Tom begann, über die Arbeitsbedingungen und Honorierung zu sprechen. »Und bitte«, schloss er, »tun Sie nur das, was Sie wirklich wollen. In erster Linie sind Sie hier, um sich zu erholen und ein wenig Abwechslung zu finden. Nehmen Sie sich Zeit, Sie müssen nicht alles schaffen.«

      »Ich werde mich bei dieser angenehmen Tätigkeit sicherlich nicht überarbeiten. Außerdem bin ich froh, eine Aufgabe zu haben«, erwiderte Katja.

      »Dann bin ich beruhigt. Sie können getrost etwas für mich übrig lassen.« Er drückte auf einen Klingelknopf.

      Kurz darauf trat Mrs. Lindslay ein. »Sie wünschen, Sir?«

      Katja wunderte sich über ihre leicht erhobene Stimme.

      Den Blick, den Tom der Hausdame zuwarf, entging ihr ebenfalls nicht. Er drehte sein Gesicht sofort wieder Katja zu. »Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich vertrauensvoll an Mrs. Lindslay«, meinte er freundlich. »Ach, beinahe hätte ich vergessen es zu erwähnen. Mrs. Lindslay hat einen Sohn, er ist sechzehn und lebt im Internat. Die Wochenenden verbringt er hier im Haus. Ein lieber Junge. Sie werden ihn bald kennenlernen.« Er stand auf. »Ich darf mich entschuldigen. Es warten einige dringende Telefonate auf mich. Schauen Sie sich noch ein wenig um. Erforschen Sie die Schönheit der Umgebung«, forderte er Katja auf.

      »Das werde ich, Tom, vielen Dank.«

      »Wir sehen uns beim Tee. Mein Sohn Jack wird sicher auch anwesend sein.« Er hob noch einmal grüßend die Hand und verließ das Zimmer.«

      Vielleicht möchten Sie sich etwas hinlegen«, schlug Mrs. Lindslay vor. »Sie sind schon seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen.«

      Katja erhob sich. »Dagegen lässt sich nichts einwenden. Ein Stündchen Ruhe wird mir guttun. Danach inspiziere ich die Bücher in der Bibliothek etwas genauer.«

      Die Hausdame brachte Katja zu ihrem Zimmer.

      »Danke, Mrs. Lindslay, das nächste Mal finde ich mich alleine zurecht.«

      »Bitte nennen Sie mich Mary«, bat die Hausdame.

      »Gerne, dann sagen Sie Katja zu mir.«

      Mary hob die Augenbrauen leicht in die Höhe und meinte: »Das steht mir nicht zu, Miss Berghoff. Sie sind Gast hier im Haus und ich eine Angestellte. Der Professor liebt solche Vertraulichkeiten nicht.« Sie verließ, mit einem kurzen Gruß, den Raum und schloss hinter sich die Tür.

      Katja atmete tief durch. Wie spießig, dann bleibe ich auch bei der bisherigen Anrede, nahm sie sich vor. Sie trat an das kleine Fenster und schaute in den Garten. Er wirkte verwildert. Zwischen Rosen, Fuchsien und Gladiolen wucherte das Unkraut. Es schoss bereits über die ersten Herbstastern hinaus. Katja wandte sich ab und begann ihre Koffer auszupacken.

      Nachdem sie ihre Kleidung ordentlich in den Schrank geräumt hatte, ließ sie sich auf das bequeme Bett fallen. Die Reise war doch anstrengend gewesen. Sie streckte sich aus und deckte sich mit dem einen Ende der Decke zu. Allmählich entspannten sich ihre Glieder. Gähnend gab sie sich ihrer Müdigkeit hin und schlief tatsächlich ein.

      Katja schreckte aus dem Schlaf hoch. Sie glaubte, durch leises Gemurmel geweckt worden zu sein. Lauschend hob sie den Kopf, aber es war nichts zu hören. Wahrscheinlich hatte sie sich geirrt. Sie schielte auf ihre Armbanduhr. Eine Stunde war vergangen. Rasch stand sie auf, streifte sich einen Pulli über, kämmte sich und zog die Lippen nach.

      Sie verließ ihr Zimmer. An der Tür gegenüber steckte ein Schlüssel im Schloss, der ihr zuvor nicht aufgefallen war. Es konnte gut möglich gewesen sein, dass sie von dort heraus die Stimmen gehört hatte. Sie ging den Korridor entlang zur Treppe.

      Die Tür am anderen Ende des Ganges war breiter als die übrigen und lag in einer Nische. Die kleinen, schwach leuchtenden Lämpchen an der Wand tauchten den Flur in ein geheimnisvolles Licht.

      In der Bibliothek warf sie einen Blick aus dem Fenster. Auch von hier aus konnte man in den Garten sehen. Die Rosenstöcke standen majestätisch und stolz, angestrahlt von der blassen Nachmittagssonne. Schmerzlich dachte sie an den eigenen Garten, den ihre Mutter hingebungsvoll gepflegt hatte.

      Katja wandte sich ab, sonst hätte sie wieder angefangen zu weinen. Sie setzte sich vor das knisternde Kaminfeuer und betrachtete eine Weile das Porträt an der Wand. Die Frau trug ein hellblaues Kleid. Um ihre Schultern lag ein weißes Seidentuch, das am Ausschnitt von einer goldenen Brosche gehalten wurde, die wie ein Schmetterling aussah. Die Mitte des Schmuckstücks zierte ein purpurroter Stein. Ein Rubin vermutete sie. Er war von vielen, Steinchen umrandet. Sie blickte fasziniert auf die schöne Frau. Warum hatte der Professor so kurz angebunden reagiert, als er von ihr sprach? Gab es vielleicht einen geheimen Grund dafür? Katjas Neugier war geweckt.

      Ein Geräusch schreckte sie aus ihren Gedanken auf. Sie erhob sich, ging zur Tür, öffnete sie und schaute hinaus. Mr. Taylor schlurfte über den Flur mit einer Kiste Brennholz unter dem Arm.

      »Oh, Sie, schon eingelebt?«, fragte er gleichgültig und verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten, hinter einer Tür, die vermutlich zum Keller führte.

      Ein merkwürdiger Mensch. Warum benahm er sich so unhöflich? Katja schüttelte den Kopf. Sie verspürte Lust die Gegend zu erforschen, solange es noch hell war. Bevor sie das Haus verließ, suchte sie nach Mrs. Lindslay, um Bescheid zu sagen.

      Diese