Goldköpfchen Gesamtausgabe (Alle 13 Bände). Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754953730
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Lina war gegangen, Bärbel war allein.

      Gar zu gern hätte sie den Zeiger ein wenig weitergeschoben, aber die Uhr hing hoch, es würde ihr nicht gelingen, den Zeiger zu erreichen. Wohl versuchte sie es. Sie kletterte aus dem Bett, auf den Stuhl; aber alle Versuche blieben erfolglos.

      Nur ganz langsam schritt die Zeit vorwärts, bis endlich Bärbel ein mehrfaches Treppauf, Treppab hörte. – Jetzt mußte die Großmama gekommen sein!

      Sie kam auch endlich ins Kinderzimmer. Bärbel umhalste die geliebte Großmama stürmisch.

      »Bleibst du jetzt so lange da, bis die Mutti wieder gesund ist?«

      »Natürlich, mein liebes Goldköpfchen, vielleicht noch länger.«

      Bärbel schielte auf die große Schachtel, die die Großmama auf den Tisch gestellt hatte.

      »Ist das da für Bärbel?«

      »Bist du auch immer artig gewesen?«

      »Es reicht!«

      »Was meinst du wohl, was ich dir mitgebracht habe?«

      Bärbel glühte vor Aufregung. Sie wandte die Augen nicht mehr von dem Paket. Da mochte Frau Lindberg die Kleine nicht länger auf die Folter spannen. Aus dem Karton kam eine prächtige Puppe zum Vorschein.

      Das Kind jauchzte hell auf. Eine Puppe, die ein so schönes Gesicht hatte wie diese, besaß sie noch nicht. Dazu das blaue Kleid mit gelben Spitzen, – es war eine Pracht! Die Puppe hatte Schuhe und Strümpfe an, weiße Höschen und darüber ein Spitzenunterröckchen.

      Bärbel vergaß beinahe das Danken. Sie küßte ihr neues Puppenkind; und erst als der Vater, der schon ein ganzes Weilchen in der Tür stand, sein Töchterchen daran erinnerte, daß man für Geschenke zu danken habe, sagte Bärbel:

      »Wir haben uns eine große Freude gemacht, Großmama. – Weißt du, wir freuen uns über die Puppe viel mehr wie über das Zwilling.«

      Im Kinderzimmer wurde auch Lina beschenkt. Frau Lindberg brachte zwei große Schürzen mit, breitete sie vor dem Hausmädchen aus und sagte, Lina möge sich eine wählen. Die Schürzen seien zur Auswahl hier, eine davon würde wieder zurückgehen.

      Aufmerksam hatte Bärbel zugehört; nun winkte sie die Großmama heran. »Schickst du eins davon wieder zurück«, sagte sie, indem sie auf die Schürzen wies.

      »Die eine nehme ich wieder mit, Goldköpfchen.«

      »Ach, Großmama, dann ist wohl das Zwilling auch nur zur Auswahl hier? Dann schicken wir den ohne Haare wieder weg! Ein Glück, daß wir dann wieder unter uns sind!«

      Es war an diesem Abend sehr schwierig, das erregte Kind zum Schlafen zu veranlassen. Lina brachte es nicht fertig, und so mußte die Großmama gerufen werden, damit sie Bärbel zur Ruhe bringe.

      Frau Lindberg war eine ruhige und kluge Dame, die es prachtvoll verstand, mit Kindern umzugehen. Zunächst wurde die neue Puppe schlafen gelegt, dann kam Bärbel an die Reihe.

      »So, nun kommt der Schutzengel, bleibt die Nacht über bei dir und behütet dich. Und wenn Joachim nachher kommt, schläfst du schon fest.«

      »Ach«, sagte die Kleine fast kläglich, »wenn man nicht ganz artig war, kommt das Schutzengelchen und schließt die Augen so fest zu, daß man sie morgen gar nicht mehr aufkriegt, wie es der Joachim mit der Kellertür gemacht hat.«

      Wieder mußte Frau Lindberg eine Erklärung geben, ehe sich Goldköpfchen beruhigt hatte. Schließlich, als sich nun die Großmama nochmals über das Kind neigte, um Goldköpfchen einen Gute-Nacht-Kuß zu geben, bemerkte die Kleine ein Medaillon, das um den Hals der Frau Lindberg hing.

      »Was ist denn das, Großmama?«

      »Das kann man aufmachen.«

      »Ach, mach’ doch mal auf!«

      Geduldig öffnete Frau Lindberg die Kapsel, in der sich ein kleines Bild ihres verstorbenen Gatten und eine Haarlocke befand.

      Aufmerksam betrachtete Bärbel nun Bild und Haare.

      »Ist das der Großpapa?«

      »Ja, Goldköpfchen.«

      »Hm. – Und das?«

      »Das ist das Haar von Großpapa.«

      »Na, weißt du, Großmama, viel Haare hat er aber nicht gehabt.«

      »Jetzt schlafe, mein Goldköpfchen, du sollst doch bald gesund werden und darfst nicht am Abend so viel erzählen.«

      Frau Lindberg mußte aber doch noch längere Zeit am Bette der Kleinen sitzen, ehe sich die Kinderaugen zum Schlummer schlossen.

      Als am anderen Morgen der Provisor Senftleben auch einmal bei Goldköpfchen erschien, um sich nach dem Befinden der Kleinen zu erkundigen, hielt ihm das Kind strahlend die neue Puppe entgegen.

      Senftleben gab sich natürlich den Anschein, als interessiere ihn das Puppenkind ganz besonders.

      »Das ist eine sehr schöne Puppe, Goldköpfchen, eine sehr schöne Wachspuppe.«

      Bärbel machte nachdenkliche Augen. »Eine Wachspuppe«, wiederholte sie. »Wachst die?«

      »Nun, wenn du nett mit ihr umgehst, ihr nicht gleich die Augen eindrückst, wie du das bei deiner Olga getan hast, ist es schon möglich, daß sie wächst.«

      Bärbel zeigte dem Provisor die schönen weißen Höschen und kleidete schließlich das Puppenkind vor seinen Augen aus. Die Puppe war noch mit dem Preise versehen, der jetzt, als man die Höschen abgezogen hatte, auf dem verlängerten Rücken sichtbar wurde. Natürlich wollte Bärbel wissen, was dieses Zeichen bedeute.

      »Da hat die Fabrik, aus der die Puppe kommt, den Preis aufgeschrieben«, erklärte der Provisor.

      »Hat man immer so einen Preis?«

      »Nun, die Großmama wollte doch wissen, was die Puppe kostet.«

      Wieder überlegte Bärbel. Plötzlich fragte sie: »Hat das Zwilling nun auch den Preis da hinten?«

      »Der wird abgebadet«, lächelte Senftleben.

      »Ach, jetzt weiß ich, warum das Zwilling immerzu gewaschen wird. – Hat Bärbel auch einen Preis da hinten, Onkel Provisor?«

      »Das glaube ich nicht«, sagte Senftleben lachend.

      Da hatte sich Bärbel aber schon auf den Bauch gelegt, die Decke heruntergestrampelt und hielt nun dem Provisor den verlängerten Rücken hin.

      »Guck’ mal nach!«

      Er versetzte Bärbel einen leichten Schlag und sagte belustigt: »Nein, nein, das ist längst abgewaschen. Siehst du, wie gut es ist, wenn man sich waschen läßt, sonst würdest du dein Leben lang mit dem Preise herumlaufen.«

      »Und die Negerkinder, die sich nicht waschen, haben den Preis immer hinten drauf?«

      »Die Negerkinder waschen sich auch.«

      »Da ist wohl der Preis mit Kreide draufgeschrieben?«

      »Kann schon sein.«

      Nun wurde die Puppe noch eingehender untersucht; aber es fand sich nichts mehr, was Bärbels besonderes Interesse erregte. Sie wollte jetzt durchaus vom Onkel Provisor Tropfen für die neue Puppe haben, damit sie sich an der kranken Puppenmutter nicht anstecke.

      »Die Puppe braucht doch nicht zu essen.«

      »Aber sie macht doch den Mund auf, wenn ich sie in den Bauch kneife.«

      »Deswegen will sie doch nichts essen. Die Puppe ist satt.«

      »Dann hat sie sicher auch den Bauch voller Freude, weil sie zu mir gekommen ist. – Weißt du, Onkel Provisor, wenn ich mal Mutter bin, dann haben es meine Kinder sehr gut. Dann brauchen sie nicht im Bett zu liegen, und ich lasse ihnen von allen Onkels immer was mitbringen. Und immer dürfen sie in die Apotheke kommen und ein Stück Schokolade