»Nee«, sagte Martin, »haben Sie nicht was Kleines? So was Viereckiges?«
Die Köchin, die keine Ahnung hatte, zu welchem Zweck die Knaben die Umhüllung brauchten, schüttete kurzerhand den gemahlenen Pfeffer aus der Tüte aus und reichte sie Martin. Die noch feuchten Bonbons wanderten hinein, dann eilten die Knaben zu Goldköpfchen, das mit dem Einpacken seiner Sachen beschäftigt war.
Kuno reichte der Schwester die Tüte.
»Ein Andenken an uns«, sagte Martin.
Goldköpfchen roch an der kleinen Tüte, öffnete sie, sah die Bonbons darin, die mit feinem Pulver überzogen waren, ahnte den Zusammenhang, wollte auffahren, sagte aber schließlich:
»Wollt ihr nicht selbst ’mal davon kosten?«
»Sie sind für dich«, sagte Kuno in der ehrlichen Überzeugung, der Schwester etwas Liebes anzutun. Doch Goldköpfchen ahnte die Verkettung der unseligen Umstände nicht, dachte an einen neuen Schabernack, und so ergoß sich am Abschiedstage noch ein Strom des Unwillens über die Zwillingsbrüder. Erst als die Knaben die verschmähten Bonbons selbst in den Mund steckten, sahen sie ein, daß ihre gute Absicht zu Wasser geworden war.
Am nächsten Morgen schlug die Abschiedsstunde. Da Goldköpfchen schon häufig die Reise nach Dresden unternommen hatte, fuhr es auch heute allein. Herr Wagner hatte eine Karte zweiter Klasse gelöst, aber Goldköpfchen war dadurch wenig beeinflußt, die Trennung erschien ihm heute besonders schwer. Martin betrug sich auf dem Bahnhof so unartig, daß ihm vom Vater wieder mit Schwarzbrot und Buttermilch gedroht wurde, Kuno behauptete, ihm sei eine kleine Fliege in den Hals und ins Auge geflogen.
»Ich glaube, der Waschlappen heult sogar«, meinte Martin, als sich Kuno mit dem Handrücken über die Augen fuhr.
Das war zu viel für Kuno, er wollte nicht, daß man merkte, wie nahe es ihm ging, er stieß den Bruder so heftig in die Seite, daß er gegen den Vater taumelte und ihn beinahe umgerissen hätte.
»Döskopp!« schalt Martin.
Als sich endlich der Zug in Bewegung setzte, sah Goldköpfchen noch, wie sich Kuno und Martin in die Haare fuhren, wie der Vater trennend zwischen sie trat, um ihr darauf noch rasch einen Abschiedsgruß zuzuwinken.
Von den Zurückbleibenden war nichts mehr zu sehen. Goldköpfchen drückte sich in die Ecke des Wagens. Schon einmal war sie mit der Großmama Polsterklasse gefahren. Wie stolz war sie damals gewesen. – Und heute?
»Wenn man einen begräbt, macht man ihm auch alles sehr schön zurecht, – es ist heute auch wie ein Begräbnis. – Die Oktoberferien werden kommen, und ich kann nicht heimfahren. – Ich muß in die Lehre. Ach je – wie ist das Leben schwer!«
Dann öffnete Goldköpfchen die Handtasche und schaute in ihr Geldtäschchen. Einen Zwanzigmarkschein hatte ihr der Vater diesmal besonders noch gegeben. Soviel Geld hatte sie noch niemals für sich besessen. Dieser Schein sollte ihr über den Abschiedsschmerz hinweghelfen. Sie betrachtete ihn so lange, bis der Zug wieder hielt und andere Reisende einstiegen. Dann steckte ihn Goldköpfchen schnell fort, und abermals gingen ihre Gedanken zurück in die schönen Ferientage, die nun nicht mehr kommen würden.
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