Schnitt. Carl Wolf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carl Wolf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754132708
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dem Badezimmer hört er das Rauschen von Wasser. Schneller als er dachte, kann er seinen perfiden Plan weiterverfolgen.

      Der Zutritt zur Feuerleiter an der Hinterseite des Gebäudes ist nur durch ein hochgeklapptes Unterteil gesichert. Mithilfe eines Seiles ist dieses leicht zu erreichen.

      Er hatte mit etwas mehr Vorsicht seines Opfers gerechnet, aber es bestätigt sich wieder einmal, dass Hochmut einhergeht mit dem Glauben an Unantastbarkeit. Diesen Glauben wirst du heute verlieren, Konrad Norden.

      Das, und noch viel mehr.

      Bei diesem Gedanken schleicht sich ein finsteres Grinsen in das verdeckte Gesicht des Fremden.

      Schnell hat er ein geeignetes Versteck ausfindig gemacht.

      Er checkt seine Ausstattung in der kleinen Umhängetasche, die er eng an sich geschnallt trägt.

      Dann wartet er, bereit für einen neuen Anschlag.

      27

      Kriminalhauptkommissar Witten und Kriminalhauptmeister Zellmann parkten ihren Dienstwagen vor dem alten Fabrikgebäude. Die Kombination aus Stahl, Glas und rotem Ziegelstein strahlte eine solide Dominanz aus. Die vom Architekten in die Fassade integrierten alten Kranbahnträger und Versorgungsleitungen hatten die Seele des Gebäudes erhalten. Man konnte die Kraft des Schaffens, das Bearbeiten von hartem Stahl noch spüren. Rankende Pflanzen am Vorbau bildeten mit ihrem satten Grün einen Kontrast zum Tiefrot der gebrannten Ziegel. Über dem Eingang zum Gebäude hing eine alte Laterne. In den Giebel eingelassen eine Uhr, die den Takt der Zeit schon über hundert Jahre wiedergab.

      Witten drückte auf Konrad Nordens Klingelknopf.

      28

      Nackt verlasse ich das Badezimmer und gehe Richtung Ankleideraum. Ich öffne die Tür zu meinem begehbaren Kleiderschrank, betrete ihn und sehe eine dunkle Gestalt vor mir stehen. Der Kopf ist mit einer schwarzen Kapuze verhüllt, nur die Augen sind ausgespart. Ich kann den höhnischen und triumphierenden Blick in ihnen erkennen. Die linke Hand schießt blitzschnell nach vorn, ich habe keine Möglichkeit zu reagieren. Erneut wirft mich das fatale Bündnis aus Strom und Schmerzen zu Boden. Die Gestalt hat den Taser dieses Mal direkt auf meinem Brustbein aufgesetzt. Die Schmerzen sind erneut unerträglich. Der Angreifer kauert neben mir und schickt unbarmherzig Stromschläge in meinen Körper. In seiner rechten Hand hält er eine Spritze. Ich registriere außerdem noch, dass meine Türglocke schellt.

      Dann klickt ein Schalter in meinem Kopf auf AUS.

      29

      Witten drückte zum dritten Mal den Klingelknopf von Konrad Nordens Wohnung, ohne dass jemand darauf reagierte.

      „Dann ist er wohl nicht zu Hause“, meinte Zellmann, während er auf sein Smartphone starrte und wild auf dem Display hantierte.

      „Ich weiß nicht.“

      Witten schaute grübelnd auf das Gebäude.

      „In seinem Zustand und nachdem, was ihm geschehen ist, würde ich nach Hause gehen, einen Drink nehmen, duschen, mich umziehen. Zu seinem Wochenendhaus ist er garantiert nicht gefahren. Auto hat er keins mehr.“

      „Ich könnte in seiner Firma anrufen. Die Nummer habe ich gerade gefunden.“

      Triumphierend hielt Zellmann sein Smartphone vor Wittens Nase.

      „Tun sie das. Und lassen Sie sich gleich die Privatnummer von Norden geben. Ich schau mich hier etwas um.“

      30

      Aufgeschreckt durch das Läuten der Türklingel, packt der Fremde seine Utensilien hastig zusammen.

      Er hat jetzt alles, was er benötigt, um den ersten Teil des Auftrages abzuschließen.

      Mit schnellen Schritten durchquert er die Wohnung und verlässt sie auf demselben Weg, wie er sie betreten hat.

      31

      Durch ein kleines Gartentor erreichte man die Hinterseite des alten Fabrikgebäudes. Witten bog um die Hausecke und blieb wie erstarrt stehen. Er sah, wie eine vermummte Gestalt hastig über die Feuerleiter abstieg. Der schwarz gekleidete Mann war am Ende des festen Teils der Notleiter angekommen und zog den Sicherungsstift, um die letzten Meter der verzinkten Stahlkonstruktion nach unten schwingen zu lassen. Dabei entdeckte er Witten und erstarrte ebenso in seinen Bewegungen.

      „Halt! Stehenbleiben! Polizei!“

      Witten stürmte vorwärts, um den Fremden aufzuhalten. Dieser schwang sich auf den abwärts kippenden Teil der Feuerleiter und mit dieser in Richtung Rasen. Etwa einen Meter vor Erreichen des Bodens sprang er geschmeidig ab und landete gekonnt mit einer Rolle seitwärts. Unmittelbar vor Witten kam er wieder zum Stehen. In fliesender Bewegung schlug er dem Kommissar seine Faust mitten ins Gesicht. Der Kommissar stürzte, wie ein gefällter Baum, einfach um, während der Fremde den Garten schon durchquert hatte und sich über die Ziegelmauer schwang.

      Witten setzte sich auf, hielt seine blutende Nase, hörte wie ein Motor gestartet wurde und sich ein Fahrzeug mit durchdrehenden Reifen entfernte. In diesem Augenblick kam Zellmann, sein Handy schwingend, um die Ecke gelaufen.

      „Herr Kriminalhauptkommissar, ich habe die Privatnummer von Herrn Norden. Ich habe probiert ihn zu erreichen, aber es geht keiner ran. Der Mitarbeiter in der Firma meinte aber, er habe mit ihm telefoniert und Herr Norden wäre in seiner Wohnung erreichbar. Was ist denn mit ihnen passiert? Sind sie gestürzt? Benötigen sie Hilfe? Soll ich einen Arzt rufen?“

      „Ja! Aber nicht für mich, sie hochgewachsenes Rindvieh!“

      32

      AN.

      Völlig benommen liege ich unbekleidet auf dem Fußboden meiner Wohnung. Dieser zweite Angriff auf mich hat noch verheerendere Nachwirkungen auf meinen Zustand. Ich fühle mich schwach, kraftlos und mein Geist tappt blind durch eine Nebelwand. Mühsam ziehe ich mich an der Kommode neben mir hoch und wanke ins Badezimmer. Es klingelt in meinem Kopf.

      Ist er weg?

      Wo ist er hin?

      Warum tut er das?

      WER tut das mit MIR?

      Im Badezimmer bietet sich mir ein grausiger Anblick. Am Waschbeckenrand steht ein Gefäß, offenbar ein Cocktailglas aus meiner Bar, mit einer dicken roten Flüssigkeit gefüllt. Mit dieser Flüssigkeit ist etwas auf den Spiegel geschrieben. Zwei neue Zahlen, die sich wie rote Tränen über den Spiegel ergießen.

      1 und 9.

      Ich sehe mein Gesicht im Spiegel, übertüncht mit der blutigen Schrift.

      Ist das Blut, mein Blut?

      Mit einem Anflug von Panik schaue auf meine Unterarme und entdecke links in der Armbeuge die Einstichstelle. Sofort beginnt sich alles um mich herum zu drehen. Ich muss mich am Waschbecken festhalten. Mir wird schlecht und ich übergebe mich. Dabei stoße ich das Glas mit der Flüssigkeit um und es zerbricht im Waschbecken. Im kreisenden Sog verschwindet die Mischung aus meinem Blut und meinem erbrochenen Mageninhalt durch den Ablauf in den Abgründen der Kanalisation.

      Ich hebe langsam meinen Kopf und starre in das, mir plötzlich fremd wirkende, eigene Gesicht. Kahlgeschoren, leichenblass, panisch flackernde tiefliegende Augen. Ein Antlitz wie aus einem Zombiefilm.

      Ich sinke auf den kalten gefliesten Badezimmerboden und schreie so laut ich kann.

      Das Klingeln in meinem Kopf hört nicht auf.

      33

      Zellmann schwang sich, wie kurz zuvor der Täter, von der Feuerleiter über die Brüstung auf die Dachterrasse. Die Terrassentür stand offen. Er hörte jemanden schreien. Im Badezimmer fand er Konrad Norden am Boden kauernd.

      „Sind