Schnitt. Carl Wolf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carl Wolf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754132708
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so?“

      „Was hast du mit meinen Koreanern zu schaffen?“, platze ich ihn an.

      „Deine Koreaner? Gehört dir jetzt die ganze Welt, Konrad? Oder soll ich dich Kim Jong II nennen?“, erwidert er höhnisch.

      „Hör auf mich zu verarschen. Wenn du versuchst mir mein Geschäft kaputtzumachen, dann wirst du was erleben, das verspreche ich dir. Du müsstest meine Anwälte gut genug kennen.“

      „Falls du damit auf den Kündigungs-Prozess anspielst, glaube ich nicht, dass du das als Sieg für dich verbuchen kannst, Konrad. Deine Behauptungen sind nie bewiesen worden. Dein einziger Erfolg bei dieser Sache war, dass du mir keine Abfindung zahlen musstest.“

      „Du hast deine Geschäfte auf Kosten meiner Firma gemacht. Und ich muss das nicht beweisen. Es ist meine Firma, ich kann einstellen und herausschmeißen, wen ich will!“

      „Deine Vorstellung von Recht und Unrecht war schon immer recht eigen. Das hat man bei der Sache mit Clemens Richter gesehen.“

      „Wie meinst du das? Was geht dich das an? Du redest von Dingen, die du nicht weißt! Du warst damals noch gar nicht in der Firma!“

      „Man hört so einiges, Konrad.“

      „Der Tratsch interessiert mich nicht. Ich sag es dir noch einmal. Halt dich aus meinen Geschäften raus. Die Koreaner sind mein Deal! Du hast eh keine Chance zum Zug zu kommen. Dein Produkt ist einfach schlecht. Du spielst in der Amateurliga, zu mehr reicht es bei dir nicht!“

      „Es ist meine Firma, ich kann verhandeln mit wem ich will!“

      Ich lege auf. Merkwürdig. Mayerhofer sitzt auf dem hohen Ross, benimmt sich, als wüsste er etwas, was ich nicht weiß. Berner steht vor mir und schaut mich mit großen Augen an.

      „Die Verträge sind so in Ordnung“, sage ich ihm.

      „Ich nehme sie gleich mit und fahre dann heute Abend direkt zum Treffpunkt mit den Koreanern. Sie kommen, wie besprochen, dazu. Also um 19.00 Uhr im Hotelfoyer. Pünktlich. Bis dann.“

      Berner nickt beflissen und hält mir die Tür auf, als ich das Büro verlasse.

      13

      Das ehemalige Fabrikgebäude im Zentrum der Stadt zählt zu einer der begehrtesten Wohnadressen. Der Fahrstuhl fährt direkt von der Tiefgarage in meine Wohnung. Mit einem Zahlencode öffne ich die Aufzugtür und stehe in meinem Reich. Automatisch schaltet sich die Beleuchtung ein. Die zweihundert Quadratmeter Wohnfläche bestehen aus einem großen Raum, separatem Bade-und Ankleidezimmer, sowie einer Dachterrasse. Ich werfe die Geschäftsunterlagen auf den großen Glastisch in der Mitte des Raumes, gehe zur Bar und mixe mir einen Gin Tonic. Den habe ich jetzt nötig. Den ersten Drink kippe ich in einem Zug herunter. Während ich mir den nächsten mixe, denke ich darüber nach, wer mich angegriffen haben könnte. Es gibt viele Kandidaten. Zu viele. Wenn man Geschäftsmann ist, gibt es immer Konkurrenten, die einem den Erfolg nicht gönnen. Es gab Beschimpfungen, oder miese Nachrede, um einen bei einem anstehenden Geschäft schlecht aussehen zu lassen. Aber zu tätlichen Angriffen ist es bis jetzt noch nie gekommen. So weit ist noch keiner gegangen. Einige könnten ein größeres Interesse daran haben, mir zu schaden. Jan Mayerhofer zum Beispiel, der versucht seine Privatfehde mit mir zu führen. Er wird mir nie das Wasser reichen können.

      Was soll das mit den geschorenen Haaren und den zwei Zahlen bedeuten?

      Ich muss wieder an Clemens Richter denken. Clemens war ein genialer Programmierer, ein Naturtalent der Computersprache. Er hatte das gewisse Etwas, dass Quäntchen was den Erfolg ausmacht. Aber er war labil, hat unseren Erfolg nicht verkraftet, zu intensiv gefeiert. Der Alkohol war seine Schwäche, er konnte damit nicht umgehen. Als er dann noch herausbekam, dass seine Freundin Christiane ein Verhältnis mit mir hatte, brach er völlig zusammen. Psychiatrische Behandlung inklusive Entziehungskur, im Wechsel mit extensivem Leben, ließen ihn allmählich körperlich und geistig verfallen. Er konnte nicht mehr arbeiten, lag mir nur noch auf der Tasche. Ich kaufte ihm unsere Erfolgssoftware ab und zahlte seine Firmenanteile aus.

      Er versoff alles. Verschwand im Dunst des Nirgendwo.

      Christiane Klee war der einzige Mensch, nach meinen Eltern, zu dem ich tiefergreifende Gefühle hatte. Sie und Clemens waren schon ein Paar, als ich die beiden während des Studiums kennenlernte. Es dauerte ein halbes Jahr, bis sie bei mir im Bett lag.

      Ich war ihr völlig verfallen. Wir hatten den besten Sex der Welt. Sie machte mich schwach.

      Nach dem Eklat mit Clemens beendete ich unsere Beziehung.

      Danach ließ ich mich nie wieder so intensiv auf einen Menschen ein.

      Mit dem Drink in der Hand betrete ich die Dachterrasse und schaue über die Stadt. Sehe das Geflecht aus Straßen und Häusern, die Menschen zu Fuß oder mit Fahrzeugen in stetiger Bewegung. Scheinbar ohne System und trotzdem einer ordnenden Kraft folgend. Wenn man lange genug beobachtet, erkennt man die zeitlichen Abfolgen des Verkehrs. Weiß Strömungen zuzuordnen. Sieht jeden Antizyklus. Versucht diesen, als Störung zu klassifizieren.

      Irgendjemand versucht gerade mein Leben zu stören.

      Ich will wissen wer.

      14

      Die Vorstadt, durch die ich fahre, zählt nicht zu den Wohngegenden, die das Gefühl von Idylle und Geborgenheit ausstrahlen. Mietskasernen mit grauen Fassaden, trüben Fenstern und dem Schmutz der Bewohner vor den malträtierten Haustüren. Graffiti und Fahrradleichen an den Wänden. Multikulti zwischen verständlichem Leerstand. Kleine, überquellende Geschäfte mit Waren aller Art, aus allen Ländern der Welt. Schnellimbiss wechselt mit Bierhalle. Alles umlagert von Gerüchen, die man nicht zuordnen kann und will. Auf den Straßen in Gruppen Männer, die einen mit misstrauischen Blicken folgen. Jugendliche, ständig in Bewegung wie ein Schwarm Wespen, bereit zu fressen oder zu stechen.

      Ich halte vor einer dieser grauen Fassaden.

      Erotik-Shop, 24 Stunden geöffnet, steht über dem kleinen Laden neben dem Hauseingang. Der Shop hat nicht geöffnet. Spinnweben und zerfetze Plakate von schon längst vergangenen Erotik-Messen dekorieren die Ladentür, zeugen davon, dass hier nicht einmal mehr das älteste Gewerbe der Welt floriert.

      Ich steige aus, versperre mit der Fernbedienung das Auto. Es wirkt vollkommen deplatziert an diesem Ort. Die Haustür öffne ich mit dem Ellenbogen, es graust mich vor jeglichem Kontakt in dieser menschlichen Kloake. Der Treppenflur ist meterhoch und dunkel. Werbeprospekte eines halben Jahres stapeln sich an den Wänden. Vor den Wohnungstüren Schuhhaufen. Modriger Geruch wechselt mit dem Gestank von undefinierbar Verkochtem.

      Durchn den Flur gelange ich in einen Hinterhof, der mit voll behangenen Wäscheständern, sowie überquellenden Mülltonnen zugestellt ist. In der Mitte des Hofes eine Art Oase. Acht Quadratmeter gelblicher Rasen, eine Bank auf der zwei Mütter sitzen, ein Sandkasten mit kaputter Holzumrandung. In dem Sandkasten zwei schmutzige Kinder und ein Hund.

      Die Kinder spielen mit dem Sand.

      Der Hund pinkelt.

      Sie sehen mich und die Oase erstarrt zu einem Standbild. Keine Bewegung und kein Ton, nur Augenpaare, die mich auf meinem Weg begleiten.

      Das Hinterhaus besteht aus einem eingeschossigen Flachbau mit drei Eingangstüren. An der mittleren hängt neben dem Klingelknopf ein von Hand geschriebener Fetzen Papier. C.R. steht darauf.

      Mit meiner rechten Faust hämmere ich dreimal gegen die Tür, bevor ich auf den Klingelknopf drücke und ihn gedrückt halte.

      Mach auf, Clemens!

      15

      Er öffnet sofort, mustert mich, als müsste er prüfen, ob ich wirklich der bin, für den er mich hält. Bemerkt meinen rasierten Schädel und fragt: „Was ist denn mit dir passiert? Bekommst du eine Chemotherapie?“

      Nickend