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machten sogar ihn unruhig.

      Gilbert bat Antilius, seinen Spiegel näher an die Schrift heran zu halten und sah sie sich genauer an. Er erkannte sie.

      »Das ist eine sehr alte Sprache der Largonen. Ich glaube, ich weiß, was da geschrieben steht«, sagte er.

      »Was?«, fragte Antilius hastig.

      Gilbert zögerte.

      »Nun sag schon, was bedeuten diese Zeichen?«

      »Da steht: Hier endet der erleuchtete Weg. Kehre um, wenn du dich in der Dunkelheit nicht selbst erkennst.«

      Antilius bekam plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Was sollte das bedeuten? Die vagen Hinweise des Sandlings halfen ihm auch nicht weiter. Aber wenn der alte Sand nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass man die Dunkelheit durchqueren könne, dann hätte er ihn nicht ermutigt, es zu versuchen.

      »Ach, wird schon nicht so schlimm sein«, bemühte sich Antilius, sich und den anderen Mut zu machen, aber seine Stimme bebte angsterfüllt. »Woher kennst du eigentlich diese Sprache, Gilbert?«

      »Das ist eine längere Geschichte. Ich werde sie dir irgendwann mal erzählen«, sagte Gilbert.

      Pais stellte sich vor die erste Stufe und leuchtete die Treppe nach unten ab. Sie bog sich nach rechts, sodass er nicht bis ganz nach unten sehen konnte. »Am Ende dieser Treppe muss der Tunnel sein«, sagte er.

      Der Dunkle Tunnel.

      »Komm rein Antilius, dann wirst du nie wieder herausfinden. Stattdessen wirst du hier bei mir in der Dunkelheit bleiben und verrückt werden. Komm zu mir! Komm zu mir!«, hallte es in Antilius’ Kopf, so als hätte er gerade einen Tagtraum.

      Er verharrte einen Augenblick vor der Treppe, schluckte dann einmal kräftig und stieg langsam hinab. Pais folgte dicht hinter ihm. Ihre Schritte hallten an den Wänden noch lauter wider als zuvor. Sie erreichten die Biegung. Pais leuchtete um die Ecke, konnte jedoch nichts erkennen. Je tiefer sie hinabstiegen, desto kälter wurde ihnen. Es wurde eiskalt. Jedes Mal, wenn sie ausatmeten, bildeten sich kleine Wölkchen.

      Immer mehr Stufen führten hinab. Die Treppe machte schon wieder eine Biegung. Diesmal nach links. Es war noch viel tiefer, als sie vermutet hatten.

      Antilius fühlte sich, als ob er direkt in den Schlund des Bösen marschieren würde.

      Dann, nach unendlich langen Sekunden: das Ende. Sie befanden sich nun mitten in einer Art Vorraum. Für Largonen-Verhältnisse war er relativ klein. Ein geradezu protziges Tor versperrte den Eingang zum Dunklen Tunnel. Es war noch mächtiger als jenes am Eingang des Gebäudes. Es gab keinen Griff, und Antilius konnte auch keinen anderen Öffnungsmechanismus ausmachen. Ähnlich wie im Stein der Zeit bei den Spähern.

      Alles hier unten war alt. Uralt. Wasser sickerte an einigen Stellen aus den Felswänden hervor. Es roch nach Morast.

      »Das Haus über diesem Raum muss viel später gebaut worden sein. Dieser Raum hier ist wesentlich älter«, mutmaßte Antilius.

      Zu ihrer Rechten lag ein großes Sandfeld. Es war kreisförmig. Wie ein überdimensionierter Sandkasten sah es aus. Etwa vier Meter im Durchmesser. Pais leuchtete das ebene Sandfeld ab und erschrak. In der Mitte lag ein großes Skelett. Es war weder menschlich noch largonisch. Es sah aus wie das Skelett einer mutierten Riesenratte.

      »Du meine Güte!«, rief Pais angewidert.

      »Nur ruhig. Das sind bloß Knochen«, sagte Antilius gefasst, obwohl auch er etwas Vergleichbares noch nie gesehen hatte.

      »Igitt! Stell dir mal vor, wie das Ding lebend ausgesehen haben muss«, sagte Pais und verzerrte das Gesicht so, dass es fast komisch aussah. Er entdeckte eine große Fackel, die an der Wand in einem Halfter steckte. Es gelang ihm, sie wieder mit seinen Zündhölzern (genau wie das Schießpulver selten und teuer) zu entzünden, und schon wirkte der Raum ein wenig freundlicher.

      »Und jetzt?«, fragte Gilbert.

      »Jetzt werde ich das Bild in den Sand zeichnen, so wie es mir der Sandling erklärt hat. Wenn ich alles richtig mache, dann werde ich das Rätsel gestellt bekommen.«

      Antilius betrachtete nachdenklich den Sandkasten. Das Skelett der Monsterratte verdeckte einen Großteil der Fläche.

      »Wir müssen wohl zuerst die Knochen beiseiteschaffen. Hilf mir, Pais!«

      Doch der druckste nur herum und tat keinen Schritt näher an die sterblichen Überreste heran.

      »Was ist los mit dir?«, fragte Antilius, als er schon den ersten Unterschenkelknochen aufgelesen hatte.

      »Ich kann das Ding nicht anfassen.«

      »Was?«

      »Mach, was du willst. Aber ich werde es nicht anfassen. Es ist einfach zu widerlich.«

      »Du hast Angst vor ein paar alten Knochen? Was immer es war, es war schon sehr lange tot. Oder hast du Angst, die Knochen könnten aufspringen und dich schnappen?«

      »Lach’ mich aus, wenn du willst, aber ich werde dieses Ding nicht berühren«, sagte Pais und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

      »Ich lache dich nicht aus.«

      »Ich schon«, giftete Gilbert.

      »Untersteh dich!«

      Um einen erneuten Streit zu vermeiden, warf Antilius Pais den großen Knochen, den er aufgehoben hatte, zu. Dieser fing ihn reflexartig auf und beäugte dann seinen Fang ungläubig.

      »Hmm. Auf den zweiten Blick sieht es gar nicht mehr so schlimm aus«, murmelte er.

      Die Gebeine der Riesen-Ratte konnten nun endlich zur Seite geräumt werden. Einige waren leicht, andere so überraschend schwer, dass beide anpacken mussten. Zum Schluss bemühte sich Antilius noch, die Sandoberfläche an den Stellen, an denen der Sand durch das Gerippe eingedrückt worden war, zu glätten.

      Ein wenig wehmütig schaute er auf den feinen Sand. Er sah genauso aus wie der des Sandlings, nur kälter.

      Keinen Satz, kein Wort hatte er vergessen. Der Sandling hatte betont, dass er die Geschichte, die das Bild darstellte, auch erzählen müsse. Das Tor zum Dunklen Tunnel würde zuhören.

      Also begann er. Er nahm einen Rippenknochen des Skeletts und benutze ihn als Zeicheninstrument.

      Er pinselte zuerst eine wellenförmige Linie in den Sand.

      »In einer unendlichen Wüste«, sagte Antilius.

      Auf die Welle kam ein kleiner Kreis hinzu.

      »Der einsame Mann durchquerte die Wüste in der Nacht, am Ende seiner Kräfte.«

      Jetzt zwei Kreise je ober- und unterhalb der Wellenlinie.

      »Im Norden würde das Leben auf den einsamen Mann warten. Im Süden der Tod. Der Mann suchte das Leben, doch kannte er den richtigen Weg nicht.«

      Über der Kreis-Figur, die den Mann symbolisierte, zeichnete Antilius links und rechts jeweils einen weiteren Kreis. Die Kreise wurden dann jeweils durch eine gerade Linie mit der Kreis-Figur verbunden.

      »Zwei Sterne erschienen am Himmel.«

      Bis hierhin hatte der Sandling ihm die Geschichte erzählt und das zugehörige Bild beschrieben.

      Antilius blickte gespannt zum Tor, in der Hoffnung, dass es sich öffnen wurde (wusste er doch, dass es sich um ein Rätsel handelte und sie noch verschlossen bleiben würde), doch stattdessen geschah etwas ganz anderes. Immer noch über die Sandfläche gebeugt, hörte er ein leises Rascheln unter sich, als er in voller Erwartung zur Tür aufschaute. Er stand auf, wich ein paar Schritte zurück und drehte den Kopf wieder zurück zur Sandfläche. Er sah, wie der Sand in Bewegung geriet, als ob er lebendig werden würde. Antilius musste sofort an den Sandling denken. Er dachte, dass hier einer seiner Artgenossen gerade wieder zu Leben erwachte. Aber dem war nicht so. Der Sand verlor immer mehr an Körnung, bis er schließlich wie ein homogener Brei ausschaute. Es folgte ein Blitz,