Telepathenaufstand. Sören Kalmarczyk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sören Kalmarczyk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754946770
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das dritte große Paket, um ihre Kleidung Stück für Stück bereits nach Deutschland zu schicken.

      Alles, was Josephine in Deutschland brauchen würde, von dem sie aber hoffte, es in Kolumbien bis dahin nicht mehr zu brauchen, wurde per Post vorausgeschickt.

      Sie nahm den Stapel Kleidung und schaute kurz durch, nickte dann zufrieden und legte ihn in den Karton.

      „Halt, die nicht!“, rief sie, als Mariana ihr die Kuscheldecke geben wollte, die Alexander für sie mal gehäkelt hatte.

      „Warum nicht?“

      „Die kommt mit ins Flugzeug!“, legte Josephine fest.

      Ihre Malutensilien und zwei Drittel ihres Schmucks kamen dafür mit in das Paket. Dann nahm sie einen kleinen Panda zur Hand. Sie schickte in jedem Paket einen Panda mit, denn das war ihr liebster Spitzname für Alexander, „Pandito“, Pandabärchen.

      Sie griff zu ihrem Parfüm und sprühte den Panda ein, dann wickelte sie ihn in ein Handtuch und legte ihn genau in die Mitte. Obendrauf kamen ihre Hosen und noch ein paar Röcke.

      „Ich frage mich, was der deutsche Zoll wohl denkt.“, sagte Mariana nachdenklich.

      Josephine starrte sie entgeistert an: „Was?“

      „Na ja, ein Mann bekommt regelmäßig Frauenkleider aus Südamerika geschickt.“

      Josephine machte erst große Augen, dann lachte sie laut: „Oh je, der arme! Ich muss ihn mal fragen.“

      Gesagt, getan, sie griff zum Handy und schickte ihm eine Nachricht: „Schatz, sagt eigentlich euer Einfuhrbüro irgendwas dazu, dass dir jemand Frauenkleidung schickt?“

      Kurz darauf kam die Antwort: „Nur, dass sie sie wirklich schön finden. Der eine Beamte gratulierte mir, als wir deine BHs auspackten!“

      Josephine lief knallrot an. Es war nicht ganz klar, ob vor Scham oder Wut. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem: „Ihr… Du… WAS???“

      „Ich musste die beiden ersten Pakete beim Zoll direkt öffnen und vollständig in allen Einzelheiten auspacken, weil dein Parfüm die Drogenspürhunde verwirrt hat.“, erklärte Alexander, „Um sicherzustellen, dass da keine Drogen oder andere illegale Dinge drin sind, musste jedes Teil einzeln ausgebreitet und untersucht werden.“

      Josephine wollte im Erdboden versinken, während ihre Cousine schon vor Lachen auf dem Boden lag.

      Sie fuhr Mariana an: „Jetzt krieg dich mal wieder ein!“ – sie kriegte sich nicht wieder ein.

      Als Josephines Mutter noch hinzukam und fragte, warum Mariana sich wiehernd auf dem Boden herumrollte, wollte Josephine abwinken, aber aus ihrem Handy kam die nächste Nachricht: „Aber sei beruhigt, Schatz, als der Zollbeamte sah, dass es mir auch unangenehm war, deine Unterwäsche vor ihm auszubreiten, gratulierte er mir nur wegen deiner BHS und rief dann eine Kollegin, eine Frau, die alles weitere machte.“

      Josephine warf sich auf ihr Bett und vergrub ihr Gesicht im Kissen, während ihre Mutter sich zu Mariana auf den Boden gesellte und mitwieherte.

      Das würde noch Jahre später auf den Familienfeiern ausgebreitet werden, dessen war sich Josephine sicher. Sie hoffte nur, dass Alexander das nicht auch seiner Mutter erzählte, sodass sie in Deutschland wenigstens weit, weit weg von dieser Peinlichkeit war.

      Als sich Gabriela und Mariana langsam wieder beruhigten und Josephine schon glaubte, sie hätte es überstanden, kam noch eine Audionachricht von Alexander: „Übrigens, Hygieneartikel kann man hier kaufen, soll ich dir sagen.“

      „¡Cállate la boca!“, brüllte Josephine in ihr Handy und hoffe, dass der Tag einfach irgendwie vorbeigehen würde.

      Sie schloss sich im Badezimmer ein und schrieb Alexander, dass ihre Mutter und ihre Cousine jede seiner Antworten gehört hatten.

      Alexander entschuldigte sich wortreich bei ihr. Natürlich wusste sie, dass es nicht seine Schuld war, denn er konnte nicht ahnen, wer alles in ihrem Zimmer war. Aber es tat ihr dennoch gut, dass er sich entschuldigte und damit einen Teil ihrer Scham für sie mittrug.

      Als sie ihn gerade fragen wollte, wieviel denn ihre künftige Schwiegermutter davon wusste, konnte er sie beruhigen, dass er ihr gegenüber nie ein Wort darüber verloren hat.

      ‚Dann ist es nicht ganz so schlimm‘, dachte sie und sah aus dem kleinen Fenster im Badezimmer, ‚Hier komme ich sowieso die nächsten Jahre nicht mehr her.‘

      Bevor sie jedoch wehmütig werden konnte, schüttelte sie das Gefühl gleich wieder ab und dachte an Deutschland. Herrlich kühl, vor allem im Winter. Sie freute sich darauf, endlich nicht jeden Tag des Jahres dreißig Grad zu haben. Und sie freute sich auf den Schnee.

      Beim letzten Videogespräch mit Alexander war er schon wieder mit Häkeln beschäftigt. Sie fand das super, dass er das konnte.

      Als sie ihn fragte, was er diesmal machte, antwortete er ihr: „Einen Kuschelschal für dich. Etwas dünner als der andere. Der ist dafür, wenn du zu Hause mal frieren solltest.“

      Sie erinnerte sich an das Gespräch und lächelte verliebt. Sie wusste, dass sie schon mindestens die Hälfte dessen längst wieder vergessen hatte, was er alles für sie tat. Aber sie wusste, er tat alles, um sie glücklich zu machen. Und sie versuchte jeden Tag ihr Bestes, um ihm dasselbe Geschenk zu machen.

      Seit gut einem Monat fühlte sie sich sogar noch enger mit ihm verbunden. Sie hatte Angst, es ihm zu sagen. Durch sein seelisches Trauma von seiner Ex war er noch immer sehr leicht zu verunsichern. Und Josephine wusste nicht, wie sie ihm das so beibringen sollte, dass er nicht dachte, vorher sei etwas schlecht gewesen. Daher sagte sie einfach gar nichts und genoss einfach die Vertrautheit.

      Und die Vorfreude, denn schon nächsten Monat sollte es wieder nach Deutschland gehen.

      Das Handy vibrierte erneut. Ein Foto war gekommen. Alexander und Adriano im Schnee. Sie schickte ihm unzählige Herzen.

      „Meine zwei Männer“, schrieb sie, setzte noch ein Herz dahinter und fühlte sich nun bereit, wieder aus dem Badezimmer zu kommen. Vorher schickte sie noch ein Selfie zurück.

      Alexander schaute verliebt auf das Foto und lächelte geistesabwesend. Josephines Lächeln wärmte ihm selbst im tiefsten Winter das Herz.

      Er fühlte ein Ziehen an seiner Jacke und schaute sich um. Adriano hielt ihn fest.

      „Ist rot.“

      Alexander schaute nach vorn. Sie standen an einer Hauptstraße und die Ampel war tatsächlich rot.

      Adriano war es schon gewöhnt, auf seinen Vater aufzupassen, wenn er unterwegs eine Nachricht von Josephine bekam. Dann war er immer für einen Moment in einer anderen Welt.

      ‚Danke!‘, sendete Alexander seinem Sohn telepathisch.

      Sie stiegen schließlich in ihr Auto mit den Stickern der Karateschule und fuhren nach Hause. Berlin war zum Jahreswechsel zu einem Winterwunderland geworden, aber der größte Teil der Stadt war inzwischen eher ein Matschwunderland.

      Adriano war auf dem Beifahrersitz in Gedanken versunken.

      ‚Ob es wohl diesmal klappt, dass Mamá wiederkommt?‘, fragte er sich. Er hatte sich inzwischen die spanische Aussprache angewöhnt, mit Betonung auf dem zweiten A.

      ‚Ich glaube fest daran!‘, hörte er die Gedanken seines Papas.

      Er zuckte zusammen und fühlte nach seinem Schutzschild. Absolute Leere. Er hatte seinen Schild völlig fallengelassen.

      Sein Papa grinste neben ihm und fand die Straße auffallend interessant. Aber er hatte Recht. Auch Adriano selbst glaubte fest daran, dass sie nach so vielen Jahren endlich wieder eine komplette Familie würden.

      „Wie geht’s jetzt weiter?“, fragte er laut.

      „Nächste rechts.“, antwortete sein Vater.

      Adriano rollte die Augen. „Mit der Karateschule!“