Telepathenaufstand. Sören Kalmarczyk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sören Kalmarczyk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754946770
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dem Tresen, das Steffi vor ein paar Wochen veröffentlicht hatte: „Die moderne Praxishilfe im 21. Jahrhundert“, den Titel hatte sie geändert.

      Dann dämmerte es ihr. Das war die Frau, aus deren Gedächtnis sie das Buch hatte.

      „Ich habe nach so etwas gesucht, aber nichts gefunden!“, verteidigte sich Steffi und rief telepathisch nach Hilfe.

      „Das Buch gab es bisher nur in meinem Kopf!“, brüllte die andere Frau mit vor Wut verzerrtem Gesicht, „Dann kamen Sie in die Praxis und kurz darauf…“

      Sie gestikulierte wie wild mit dem Buch herum.

      Steffi hob beschwichtigend die Hände und sandte ihr telepathisch beruhigende Gefühle zu: „Es kam doch schon vor, dass verschiedene Personen unabhängig voneinander auf die gleiche Idee kamen.“

      Irgendwie klappte gar nichts, die Frau regte sich immer weiter auf. „Das sind meine Worte! Genauer gesagt, meine Gedanken!“

      Hinter ihr trat Merlin durch die Tür und näherte sich ihr langsam.

      „Die Praxis, die Sie da beschreiben, habe ich im Puppenhaus meiner Tochter gebaut!“

      Merlin stand nun direkt hinter ihr und Steffi ließ die Hände sinken.

      ‚Fuck!‘, dachte sie. Diesen Teil der Erinnerungen hatte sie nicht mit kopiert.

      „Woher haben Sie das? Können Sie Gedanken lesen?“, wollte die Frau wissen, als sich langsam Merlins Hand auf ihre Schultern senkte.

      Merlin sagte leise: „Dies ist nicht der Ort für derart laute Stimmen. Nicht wahr?“

      Die Frau nickte nur. Ihr Blick wurde abwesend.

      „Es ist nichts passiert. Sie werden jetzt gehen und vergessen, warum sie hier waren. Sie werden sogar vergessen, dass sie hier waren.“

      Die Frau ging wie in Trance zur Tür, schloss sie hinter sich und ging.

      Steffi sackte in sich zusammen und erzählte Merlin, woher sie den Inhalt ihres Handbuches hatte.

      „Rechtlich gesehen bist du auf der sicheren Seite.“, kam eine andere Stimme von der Tür. Axel Püschel, Rechtsanwalt und seit 20 Jahren Mitglied des Zirkels.

      „Ich war grad in der Nähe, als ich den Hilferuf hörte.“, erklärte er und kam dann wieder zum Thema, „Wenn sie das wirklich nie irgendwo geschrieben hat, kann dir rechtlich überhaupt nichts passieren. Und falls die anderer Meinung ist, ruf mich.“

      Er wechselte noch ein paar Worte mit Merlin, bevor er sich verabschiedete: „Bis zum Treffen!“

      Steffi nickte ihm zu. Sie hatte noch nie zuvor solche Angst gehabt, wie in den letzten 20 Minuten. In einer Woche sollte sie die Prüfung zum ersten Grad ablegen. Doch im Moment wollte sie sich nur noch verkriechen.

      Sie schaute zu Merlin auf, der sie die ganze Zeit musterte und schließlich sagte: „Es wird Zeit, dass unsere Leute lernen, sich zu wehren. Und ich weiß auch schon, wer euch das beibringen wird.“

      Steffi legte wieder den Kopf schief.

      „Wenn du das machst, wenn du deine Haare links und rechts zu Zöpfen hast, siehst du aus wie ein Hund“, sagte Merlin.

      Sie presste die Lippen zusammen, aber machte den Kopf wieder gerade.

      ‚Was meinst du? Sich wehren können?‘

      Merlin antwortete ebenfalls telepathisch: ‚Es gibt Kampftelepathie. Alex und ich entwickeln sie, aber auch andere Zirkel arbeiten daran.‘

      Steffis Augen wurden größer. ‚Kampftelepathie?‘, sie konnte sich darunter nichts vorstellen.

      ‚Wir haben aktuell mehrere Techniken in drei Gruppen in der Entwicklung: Abwehr, Angriff und Vermeidung. Aber das soll dir Alex dann erklären, wenn es so weit ist.‘, Merlin klopfte mit der Hand auf den Tisch und wechselte zur Sprache, „Mach Feierabend für heute.“

      Sie nickte und als sie sich verabschiedet hatten, ging sie nach Hause. Sie hatte das ungute Gefühl, dass die Sache mit der aufgebrachten Frau noch ein Nachspiel haben würde.

      In der Bahn spürte sie ein gedankliches Klopfen. Sie fühlte genauer und erkannte Alexander, also öffnete sie ihren Geist für ihn. Genau ihn brauchte sie jetzt.

      ‚Brauchst du noch Hilfe? Ich habe gefühlt, dass Merlin und Axel schon da sind, aber ich könnte kommen.‘

      ‚Nein, aber danke!‘, sendete sie zurück, ‚Aber Merlin sagte, ich soll Kampftelepathie lernen.‘

      Telepathen können Erlebnisse viel schneller austauschen als Nicht-Telepathen. Sie schickte ihm die Erinnerungen an den Vorfall und an das Gespräch mit Merlin.

      ‚Verstehe‘, kam von Alexander zurück. ‚Genieß deinen Feierabend und mach dir keine Sorgen. Wir werden schon bald ein ganz neues Training anfangen.‘

      Zum Abschied schickte er ihr noch eine eigene Erinnerung. Sie fühlte, wie sie in einer Badewanne lag und heißes Wasser sie umspülte, eine Tasse Tee auf dem Wannenrand und Kerzen um sie herum. Ein wunderschönes Gefühl.

      Sie stockte kurz. Sie wusste, dass er keine Badewanne hatte, sondern nur eine Stehdusche. Das musste eine sehr alte Erinnerung sein, nur für besondere Anlässe. Aber es wirkte, sie fühlte sich schon viel entspannter.

      Zu Hause tat sie dann auch genau das.

      Sie ließ sich ein heißes Bad ein, stellte Kerzen auf und machte sich einen Tee. Dazu nahm sie ihren E-Book-Reader und genoss den Abend.

      Alexander zog sich gerade wieder die Jacke aus und hängte sie an den Haken. Er seufzte mit einer Mischung aus Erleichterung und dem Gefühl, sich umsonst angezogen zu haben.

      „Kann weitergehen“, rief er ins Kinderzimmer und ging an seinen Computer im Wohnzimmer.

      Adriano und er hatten die letzte Woche damit verbracht, die ganze Wohnung herzurichten, denn in 4 Tagen kam Josephine an. Jetzt nutzten sie die Zeit, um sich gegenseitig online noch einmal über den Haufen zu schießen.

      Viele hatten ihn kritisiert, weil er bereits mit 20 Jahren ein Kind bekommen hatte. Erst ein knappes Vierteljahr später wurde er 21. Wenn er jedoch mit seinem Sohn zusammen zocken oder ins Kino gehen konnte, wusste er, dass er alles richtig gemacht hatte. Sein Sohn war alt genug, um gemeinsamen Hobbys nachzugehen und er war noch nicht zu alt, um das auch zu genießen.

      „Gotcha!“, hörte er seinen Sohn aus dem Kopfhörer und konnte nur noch zusehen, wie seine Spielfigur das Zeitliche segnete.

      „Wo zum…?“, Alexander loggte sich in Adrianos Wahrnehmung ein und sah, was dieser sah.

      Er zog sich wieder zurück und tippte in den Chat: „GG“, Good Game.

      Adriano hatte ihn aus einer virtuellen Entfernung von mehreren hundert Metern erschossen. Er war beeindruckt und stolz auf seinen Sohn. Und er sann auf Rache.

      In der nächsten Runde stattete er seinen Terroristen mit einem Multi-Granatwerfer aus. Adriano spielte für die Anti-Terror-Einheit. Zumindest für 2 Minuten. Dann hatte Alexander ihn gefunden und ihm eine Granate direkt unter dem Hintern platziert.

      „Guten Flug!“, flötete Alexander in sein Headset.

      „Schön hier oben!“, kam als Antwort zurück. Beide lachten.

      Merlin hatte es sich vor seinem Kamin bequem gemacht und wollte gerade Kontakt zu Alexander aufnehmen, um mit ihm das Kampftraining zu planen. Ihm schlug eine Welle von Euphorie und Liebe entgegen, die mit einer seltsamen Mischung aus Mordlust einherging.

      Er schloss die Augen und versuchte, so unauffällig wie möglich in Alexanders Geist zu gelangen.

      War nichts.

      Dann kam ihm eine andere Idee. Er peilte Adriano an.

      Bingo!

      Er erfuhr so, dass die beiden sich