Telepathenaufstand. Sören Kalmarczyk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sören Kalmarczyk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754946770
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Zum ersten Mal sprach sie wirklich.

      „Als ich gestern hinfiel, habe ich unbeabsichtigt eine psionische Welle ausgesandt, die in deinem Corpus Callosum resonierte und deine latenten Kräfte weckte.“

      Sie beobachtete ihn interessiert. Er bewegte den rechten Zeigefinger, zeigte erst auf sie, dann kurz zum Boden, dann auf seinen Kopf, ziemlich genau auf die Stelle, an der sich das Corpus Callosum befindet, das Nervenbündel, das beide Gehirnhälften verbindet.

      Beeindruckt fragte sie ihn: „Du hast das verstanden?“

      „War ja jetzt nicht weiter schwer“, sagte er.

      Sie kniff die Augen leicht zusammen und scannte ihn flüchtig. Dann fühlte sie es. Er stand komplett unter Schock. Sein Gehirn hatte alle Bereiche fast vollständig abgeschaltet, bis auf den rational-organisierenden Teil. Er nahm das auf, was sie zu ihm sagte, verstand es auch und speicherte es ab, aber davon abgesehen lief er komplett auf Autopilot.

      „Hast du irgendwelche Fragen?“

      Er sah ihr direkt in die Augen: „Drei. Wie geht es meinem Sohn? Ist das permanent? Muss das geheim gehalten werden?“

      Jetzt war Magdalena wirklich beeindruckt. Sie spürte, dass es Merlin und Steffi genauso ging, denn sie schickte ihnen live, was sie erlebte.

      „Gut, ja, ja.“, sagte sie probeweise und ergänzte: „Du musst eine Schulung durchlaufen, damit so etwas wie heute nicht noch einmal passiert und du lernst, deine Kräfte zu dosieren, dich von den Gedanken anderer abzuschirmen…“

      Alexander hatte die Hand gehoben: „Ich habe alle Serien und Filme von Star Trek gesehen.“

      Magdalena blinzelte verwirrt. Steffi schickte ihr das Wissen, auf das sich Alexander bezog: In Star Trek gibt es eine Rasse namens „Betazoiden“. Diese sind Telepathen und lernen die Telepathie genauso wie das Sprechen. Jene, die diese Ausbildung nicht durchlaufen, werden irgendwann verrückt.

      „Wie viel weiß Adriano und wie viel darf er wissen?“

      Die Ärztin fühlte, dass sie von den schnellen Themenwechseln langsam genervt wurde, während sie gleichzeitig immer noch beeindruckt davon war, wie gut Alexander es wegsteckte.

      „Wir haben ihm noch nichts gesagt. Aber er ist ein latenter Telepath. Es ist könnte für beide einfacher sein, wenn ihr die Ausbildung gemeinsam macht.“

      „Die Ausbildung zum Telepathen? Noch mehr Hausaufgaben?“, kam von der Tür.

      Adriano war unbemerkt zurück gekommen und hatte einen Teil des Gesprächs gehört.

      „Keine Hausaufgaben!“, lachte Dr. Ulnikowa.

      Sie scannte auch den Jungen kurz. Auch er stand noch unter Schock. Er hatte gesehen, wie sein Vater, seine einzige Bezugsperson, plötzlich zusammensackte, ein paar Stufen nach unten fiel und leblos liegen blieb. Er reagierte auf dieselbe Weise, wie sein Vater: Alle Gefühle wurden ausgeschaltet, die Persönlichkeit bestand nur noch aus rationalen, computerhaften Reaktionen.

      ‚Was haben die beiden durchgemacht, um diesen starken Abwehrmechanismus zu entwickeln?‘, fragte sich der psychiatrische Teil von ihr.

      Januar 2022

      Seit fast einem Monat wurden Alexander und Adriano nun zu Telepathen ausgebildet. Sie hatten Merlin und Steffi kennen gelernt und noch ein paar andere Telepathen aus dem Engelszirkel. Die Regeln der Verschwiegenheit waren ihnen eingebläut worden und sie hatten zum Jahreswechsel ihre erste Einstufung erhalten.

      Alexander war ein Hoher Telepath, wie Merlin es schon vermutet hatte. Adriano war ein Stufe 2 Telepath. Für einen Jugendlichen von knapp 16 Jahren war das eine außergewöhnlich hohe Einstufung. Merlin rechnete damit, dass er noch in diesem Jahr Stufe 1 erreichen würde und spätestens in zwei Jahren ebenfalls ein Hoher wird.

      Jeden Sonntag gingen beide „in die Kirche“, wie sie die Boutique am Alexanderplatz nannten, in der sie ausgebildet wurden. Zusätzlich wurden sie zweimal pro Woche telepathisch unterrichtet. Den Schock der Anfangszeit hatten sie ziemlich schnell überwunden.

      Alexander fasste ziemlich schnell Vertrauen zu den Leuten, was nicht zuletzt daran lag, dass er nicht nur Psychotherapie, sondern auch forensische Psychiatrie studiert hatte. Er war das, was man in den USA einen Profiler nannte und hatte die anderen Zirkelmitglieder ziemlich schnell analysiert. Auf Basis dieses Vertrauens erzählte er Merlin und Magdalena von seiner Verlobten. Er hatte den Verdacht, dass auch sie telepathisch veranlagt war. Allerdings wollte er nicht, dass Josephine in Kolumbien überprüft und ausgebildet wird. Das Kontaktverbot zwischen den einzelnen Zirkeln hätte sonst verhindert, dass sie sich jemals wiedersehen.

      Merlin erklärte ihm: „Solange du ihr gegenüber nichts davon erwähnst und ihre Kräfte nicht zutage treten, können wir das geheim halten, bis sie hier eintrifft. Dann können wir sie scannen und, falls sie Telepathin ist, auch ausbilden.“

      Alexander fühlte sich unwohl damit, so etwas vor ihr geheim zu halten, aber er verstand die Notwendigkeit. Hätte er gewusst, dass sie ihm etwas ganz ähnliches verschwieg, wäre es ihm sicher leichter gefallen.

      Steffi bemerkte sein Unwohlsein: „Wann kommt sie denn her?“

      „Nächsten Monat. Kurz vor Adrianos Geburtstag, wenn alles gut geht.“

      „Dann sieh es doch wie eine Überraschung für sie.“

      „Sie hasst Überraschungen!“

      Steffi rollte mit den Augen. „Dann sei einfach mal ein typischer Deutscher: Halte dich an die Regeln!“

      „Jawohl!“, grunzte Alexander.

      Steffi drehte sich zu Adriano um, der jedoch gleich sagte: „Ich rede sowieso nur dreimal im Jahr mit ihr, wenn sie nicht hier ist.“

      „Dann wäre das ja geklärt“, stellte Merlin fest und widmete sich wieder der Ausbildung der beiden.

      „Der Schild dient nicht nur dem Schutz vor Angriffen oder versehentlichen Emanationen anderer Telepathen“, erklärte er, „sondern umgekehrt auch dem Schutz anderer vor euren Fähigkeiten.“

      Die Übung, die beide heute absolvieren sollten, war der Negativschild. Sie sollten sich einen Schutzschild antrainieren, der dauerhaft um sie herum aktiv war und verhinderte, dass sie ungewollt andere beeinflussten.

      Adriano war an der Reihe. Er benutzte dafür, wie auch sein Vater, die Vorstellung, er wäre von einem Schutzschild umhüllt, wie es die Raumschiffe bei Star Trek sind. Dann sandte er mit aller Kraft seine Gedanken zu seinem Vater.

      Dieser saß ihm gegenüber und öffnete einfach seinen Geist. Seine Aufgabe war es, sofort etwas zu sagen, wenn er etwas von seinem Sohn empfing.

      „Hunger auf Pizza“, stellte Alexander fest.

      Adriano schaute ihn ungläubig an: „Ich habe an Pokémon gedacht!“

      „Ähm, das war ich!“, meldete sich Steffi und schaute schuldbewusst. Sie ging in den Verkaufsraum der Boutique, um für jeden Pizza zu bestellen.

      Adriano schaute verdattert drein. „Jetzt habe ich auch Hunger auf Pizza.“

      Alexander antwortete: „Damit sind wir schon drei.“

      „Vier!“, kam von Merlin, „Pause, bis die Pizza da ist!“

      80 Kilometer von Bogotá entfernt wurde Josephine wach und hatte einen Bärenhunger auf Pizza. Ohne, dass sie es bemerkt hätte, wurde ihre Verbindung zu ihrem Verlobten und ihrem baldigen Stiefsohn immer enger. Gleichzeitig strahlte sie ihre Gefühle auch immer stärker aus. Nur wenige Minuten später hatte die ganze Familie Hunger auf Pizza.

      Es war Sonntag, sogar Mateo war mal zu Hause. Er war von Beruf Architekt und 6 Tage die Woche immer auf irgendwelchen Baustellen unterwegs. Da in Kolumbien die Geschäfte auch sonntags geöffnet haben, bekam Mateo nach dem Frühstück den Auftrag, alle Zutaten für Pizza einzukaufen.

      Josephine griff zu ihrem Handy und las die letzte Nachricht