Schuldig!. Jens R. Willmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jens R. Willmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847639886
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wie ein Selbstmord, oder?«

      Nitze nickte zustimmend. »Ja, ich meine auch, dass es Selbsttötung sein könnte, zumindest deutet auf dem Foto nichts daraufhin, dass es Fremdverschulden sein könnte.«

      Für einen Augenblick sahen sich die beiden Beamten schweigend das Bild an, bis Hartmann laut überlegte: »Wie alt mag wohl der Junge sein? Und welche Verbindung gibt es zu dem aktuellen Toten? Hast du irgendeine Ahnung?«

      »Ich vermute, so zwischen vierzehn und maximal siebzehn Jahre alt.« Die beiden gingen langsam zurück.

      »Mich würde auch interessieren, aus welcher Zeit dieses Foto stammt.« Damit sprach Nitze aus, worüber sich auch Hartmann gerade Gedanken gemacht hatte.

      »Ich würde behaupten aus den Achtzigern. Scheint mir auch wie ein Selbstmord auszusehen auf den ersten Blick, aber man weiß ja nie …«, rief ihnen der Pathologe zu, während er die Leiche untersuchte. Fragend sah Hartmann Dr. Miguel an.

      Dieser grinste leicht. »Da staunen Sie! Ich habe eine Tochter großgezogen und eine Menge Bilder mit der Polaroid gemacht. »Heute werden diese Momentaufnahmen ja alle digital festgehalten, aber diese Art zu fotografieren war damals revolutionär, man bekam halt direkt einen Abzug. Wo ist nur die Zeit geblieben?«

      Der Kommissar wusste gar nichts von einer Tochter. Er überlegte, wie lange es wohl schon her sein mag, als er mit einer solchen Kamera fotografierte. Und wo all diese Bilder geblieben sind.

      »Könnt Ihr schon was zu den Abdruckspuren auf der Rasenfläche sagen?«

      »Leider kaum brauchbar. Sie scheinen von irgendwas zu kommen, das in Richtung Baum und zurückgefahren wurde. Vielleicht um die Leiche zu transportieren, aber vielleicht haben die Spuren auch nichts mit dem Fall zu tun. Wir haben Abdrücke genommen, wo es ging, schauen wir mal, was das Labor damit machen kann. Ich tippe auf eine Sackkarr…« Im selben Augenblick klingelte Hartmanns Handy und unterbrach das Gespräch.

      »Ich bin’s«, meldete sich seine Frau.

      Mit einem Mal wirkte Hartmann nervös. »Was gibt es?«

      Wie so oft in letzter Zeit, wenn sie anrief, suchte er seine Zigaretten.

      »Nichts Besonderes, ich wollte nur wissen, wann du in etwa nach Hause kommst.«

      »Kann ich dir noch nicht sagen. Warum?«

      Als Nitze merkte, wer am anderen Ende der Leitung war, wollte er sich entfernen, doch der Kommissar berührte ihn bestimmt an seiner Schulter und gab damit zu verstehen, dass es nicht lange dauern würde.

      »Es wäre schön, wenn du Gina heute Abend zum Handballtraining fahren könntest, ich kann nicht, weil meine Schwester kommt und Nadine zu der Zeit meistens schläft«, sagte Chantal.

      »Wann denn?«

      »Um 17 Uhr.«

      Der Kommissar versprach, es zu versuchen, und ließ sein Handy nach dem Gespräch wieder in der Hemdtasche verschwinden. Dabei fiel ihm wieder Melanie ein und dass er noch den Staatsanwalt anrufen wollte. »Wo waren wir? Ach ja, die Spuren.« Nun steckte er sich eine Zigarette an, wobei dem aufmerksamen Nitze nicht entging, wie Hartmanns Hände zitterten. Der Kommissar versuchte, souverän zu wirken. »Okay, rekonstruieren wir mal. Wir können doch davon ausgehen, dass der oder die Täter nur aus der Richtung des Parkplatzes gekommen sind. Dort ist Hanglage, ziemlich steil und zugewachsen und hier drüben ist der hohe Zaun, hinter dem sich das Grundstück des Seniorenheims befindet. Also bleibt nur der Parkplatz. Klingt ja auch logisch, oder?«

      Nitze hatte dies auch schon in Betracht gezogen, fügte aber hinzu, dass es, egal wie, mühselig gewesen sein dürfte. »Erst den ganzen Weg vom Parkplatz hierher und dann auf der anderen Seite der Hecke die ganze Strecke über die Wiese zurück.«

      »Keine andere Möglichkeit?«, fragte Hartmann.

      »Nein, wenn er einen Weg durch die Hecke gewählt hätte, dann würde man das sehen.«

      Der Hauptkommissar sah sich noch mal die Spuren an und rieb sich nachdenklich sein unrasiertes Kinn. Er schnippte die halb gerauchte Zigarette weg und steckte sich ohne Verzug eine weitere an. Seine Hände zitterten immer noch.

      »Gut, ich wäre dann so weit. Wollen Sie auch selber noch mal schauen? Sonst könnte die Leiche jetzt abtransportiert werden«, rief der Rechtsmediziner und gesellte sich zu ihnen.

      Hartmann schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich will nur schnellstens Ergebnisse auf dem Tisch haben.«

      »Ist das Ihr Ernst?« Erstaunt sah der Mediziner den Kommissar an.

      »Sehe ich so aus, als ob ich zu Scherzen aufgelegt bin?«

      »Das mit den Ergebnissen meinte ich nicht, da bin ich ja nichts anderes von Ihnen gewohnt. Vielmehr meinte ich den Leichnam, den Sie doch sonst erst freigeben, wenn Sie ihn sich selber sehr genau angeschaut haben.«

      Das fiel nun auch Nitze auf. Merkwürdig war ihm das schon vorgekommen, als er ihn aufforderte, sich den Toten zu nähern. Doch heute hatte sich Hartmann seltsam zurückgehalten, als ob er etwas ausweichen wollte. In der Hektik hatte Nitze darüber nicht weiter nachgedacht.

      »Ja, und?«

      »Hartmann, Sie wirken so verändert, irgendwas stimmt nicht«, äußerte sich der Mediziner vorsichtig und freundlich.

      »Es ist alles in Ordnung!«, entgegnete der Kommissar schroff und wandte sich zum Gehen.

      Doch der Dok ließ nicht locker. »Das soll ich glauben?«

      »Wissen Sie, Dok, Sie können glauben, was Sie wollen. Nur im Augenblick gibt es wirklich wichtigere Dinge. Meinen Sie nicht auch?«

      »Da haben Sie sicherlich recht, Herr Kommissar. Trotzdem können Sie es sich nicht erlauben, nur mit halber Kraft an diesem Fall zu arbeiten.«

      Jetzt wurde Hartmann sauer. »Was soll das heißen?«

      »Na, überlegen Sie mal. Die Schaulustigen dort gehen Ihnen auf die Nerven. Den Reporter jagen Sie davon, wohl wissend, dass es Ärger nach sich ziehen wird. Und dem Leichnam schenken Sie kaum Beachtung. Sie selbst wirken nervös, sind reizbar und Ihre Hände zittern.«

      Das war präzise und saß.

      »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Kram!«, schrie Hartmann den Mediziner so laut an, dass alle Anwesenden es mitbekamen.

      Wütend drehte er sich weg und stapfte davon. Doch der Dok lief ihm nach und rief ihm beschwichtigend zu: »Marc, wir kennen uns jetzt schon so lange. Lassen Sie uns ein Stück gehen und ein bisschen reden. Ich mache mir Sorgen um Sie. Meinen Sie nicht, dass ich recht haben könnte?«

      Nach einem tiefen Zug von seiner Zigarette nickte Hartmann leicht, beinahe unauffällig, doch der feinfühlige Dok bekam es mit. »Und das Rauchen sollten Sie auch langsam mal wieder einschränken, sonst landen Sie eines Tages doch noch auf meinem Tisch. Auch wenn Sie mir schon oft gesagt haben, dass das nicht passieren wird«, versuchte der Mediziner die Stimmung ein wenig aufzulockern.

      »Sie wissen doch, was los ist. Warum muss ich es Ihnen denn noch erklären?«

      »Sie wissen, dass Sie Gefahr laufen, nicht nur sich selbst zu schaden, sondern auch die ganze Ermittlungsarbeit?«

      Hartmann wusste dies nur zu gut, wenn er es auch versuchte zu verdrängen.

      »Schon Hilfe angenommen?«, fragte Dr. Miguel.

      »Ja, bei Dr. Pinkwart«

      »Und?«

      »Ja, nichts und. Es hat nichts gebracht.«

      »Wie oft waren Sie denn schon da?«

      »Drei Sitzungen, aber ich kann keinerlei Besserung feststellen.«

      »Das ist einfach zu wenig. Sie müssen regelmäßig gehen, Hartmann, nur dann können Sie Erlebtes verarbeiten. Hat er Ihnen Medikamente verschrieben?«

      Der Kommissar schüttelte energisch den Kopf und wollte dieses Gespräch ums Verrecken