Steven wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und machte, dass er aus der Küche kam.
Julia zog Jennifer hinaus auf die Terrasse und drückte sie in einen der Sessel.
„Jenny, kann es sein, dass du nicht die allergeringste Ahnung hast, wer der Mann ist, den du so attraktiv findest?“, fragte Julia und ließ sich in den anderen Sessel fallen.
„Doch natürlich, jetzt schon“, antwortete Jennifer trotzig.
Was wollte Julia bloß von ihr?
„Er ist ein Freund von Steven und spielt in seinem Fußballteam – und gescheit schießen kann er wohl auch nicht“, fuhr sie schmollend fort.
„Ach Jennifer, man sollte nicht meinen, dass du beim Fernsehen arbeitest“, stöhnte Julia entnervt.
„Sag’ mal, schaust du dir nie Franks „Star News“ in eurer Sendung an?“
„Nein“, antwortete Jennifer verwirrt.
„Ich mag es nicht, wie Frank im Privatleben der Prominenten herumwühlt. Deshalb haben wir die Sendeteile immer strikt getrennt.“
Julia schüttelte den Kopf.
Ihre Freundin schien hinter dem Mond zu leben und den hübschen Kopf nur voll mit Lifestyle, Klamotten und Schuhen zu haben. Da hätte sie jedes Modell sofort erkannt, vermutlich sogar durch reines Abtasten. Sie schüttete Jennifer erst einmal ein großes Glas Prosecco ein, ehe sie fortfuhr.
„Also Jenny, der Typ ist kein Unbekannter. Du hast dich da in einen der bekanntesten Musiker Europas verguckt.“
Jennifers Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
„Oh Mann, Jennifer“, stöhnte Julia, „so blind kannst doch selbst du nicht sein. Hattest du dich denn gar nicht auf deine Award-Verleihung vorbereitet?“
Jennifer rätselte, was der Mann mit der Verleihung zu tun haben sollte, wenn er hier in Los Angeles war.
„Was meinst du damit?“, fragte sie kläglich.
„Du solltest ihm einen Award übergeben, aber kurz vorher ist dir dieses, naja, Missgeschick passiert“, klärte Julia sie auf.
Jennifer wurde erst heiß und darauf sofort eiskalt. Sie nahm das Glas Prosecco und schüttete es in einem Zug herunter und schlug dann die Hände vors Gesicht.
Julia überlegte, ob die Freundin in Tränen ausgebrochen war, da sie nur ein ersticktes Schluchzen hörte.
Aber Jennifer lachte, sie lachte so sehr, dass ihr die Tränen das Gesicht hinunterliefen. Meine Güte, was war sie blind gewesen. Das war schon nicht mehr kurzsichtig, nein, sie war einfach zu einfältig gewesen. Das konnte wieder nur ihr passieren.
Julia rüttelte sie an den Schultern.
„Süße, der Mann ist Tom Blake! Den solltest selbst du kennen!“
Jennifer tupfte sich das Gesicht ab und versuchte, sich wieder zu beruhigen.
„Julia, warum hast du mir nichts gesagt? Du hättest mir die Blamage doch ersparen können“, brummelte Jennifer.
„Jen, ich hab’s mir doch auch vorhin erst zusammengereimt“, gab Julia zu.
Jennifer putzte sich die Nase und sagte: „Was für eine saublöde Situation. Wie peinlich für mich. Hast du ihm etwa verraten, was ich dir erzählt habe?“
„Nein“, kam Julias Antwort prompt.
„Aber ich weiß etwas von Steven, das ich dir jetzt verraten werde, damit du dir nicht so blöd vorkommst“, tuschelte Julia in Jennifers Ohr.
„Ihm ging es genau wie dir, Jen. Er dachte, du wärest immer eine andere Frau, aber er fand alle toll und zweifelte schon an seinem Verstand. Du warst also nicht allein mit deinen Verwirrungen.“
„Wie tröstlich“, grollte Jennifer.
„Er soll mich also toll finden? Erzähl mir doch nicht so einen Quatsch, nur um mich zu beruhigen. Der Mann kann jede Frau abschleppen, der macht sich höchstens lustig über mich, die nicht mal merkt, wer er ist. Und außerdem waren alle Begegnungen mehr als peinlich.“
Julia schüttelte energisch den Kopf.
„Jennifer, ich kenne ihn schon eine ganze Weile. Er ist ein Frauenheld und lässt nichts anbrennen, das stimmt sicher. Aber ich habe noch nie erlebt, dass er sich mehr Gedanken über eine Frau gemacht hat, als unbedingt nötig. Du bist ihm aber gar nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Gib ihm doch eine Chance, vielleicht wird er auch endlich erwachsen.“
Jennifers Kopf begann zu schmerzen. Das war alles eine Spur zu viel für sie.
„Julia, bitte sei mir nicht böse, ich will nur noch ins Bett und schlafen“, bat sie kleinlaut.
„Ich hatte heute einen echt langen Tag und das ist mir einfach zu viel.“
Beide Frauen verabschiedeten sich und während Jennifer ins Auto stieg, flüsterte ihr Julia noch ins Ohr: „Jennifer, verpass’ deine Chance zu leben nicht. Du bist viel zu ängstlich. Mach’, was dein Gefühl dir sagt! Hätte ich nicht auf mein Gefühl gehört, würde ich Steven nicht in zehn Tagen heiraten.“
Am Fenster des Gästezimmers standen Steven und Tom und schauten dem davonrasenden Auto nach.
„So, nun kannst du dich wieder nach unten trauen“, sagte Steven grinsend. So zurückhaltend kannte er seinen Freund gar nicht. Er hatte sich strikt geweigert, mit ihm nach unten in die Küche zu gehen, weil er Jennifer heute nicht mehr begegnen wollte. Stattdessen hatte er Steven über Jennifer ausgequetscht. Steven konnte sich gar nicht erinnern, dass Tom überhaupt schon einmal Interesse am Leben einer Frau gezeigt hatte, es sei denn es bezog sich auf ihre weiblichen Reize.
Er erzählte Tom ausführlich, was er von Julia über Jennifer erfahren hatte und das war ziemlich viel.
Tom saß still auf dem Bett und hörte aufmerksam zu.
So fand Julia die beiden vor, als sie das Zimmer betrat.
„Hier steckt ihr also, ihr zwei“, sagte sie. „Jenny ist schon ins Hotel gefahren.“
Tom schaute hoch. „Und? Hast du ihr erzählt, wer ich bin?“
„Mhm“, brummte Julia, „hab’ ich. Aber sie war inzwischen wohl auch selbst daraufgekommen, auch wenn es lange gedauert hat. Ich glaube, sie hat einfach gar nicht die Chance gehabt, sich Gedanken darüber zu machen, wer du bist. Beim ersten Mal ist sie heulend weggelaufen, dann sind ihr immer irgendwelche Missgeschicke passiert und mit dir hätte sie ja sowieso nie gerechnet, Tom. Und nun ist sie natürlich ziemlich durcheinander.“
„Geht mir genauso“, murmelte Tom leise. „Meinst du, sie hat überhaupt noch Lust, mich kennenzulernen?“
„Hört, hört!“, frotzelte Steven. „Das sind ja ganz neue Töne von dir.“ Julia schaute Steven beschwörend an und wandte sich dann wieder dem betreten dreinschauenden Tom zu.
„Tom, dein Ruf eilt dir ja voraus und Jennifer weiß das. Du wirst dich ganz schön ins Zeug legen müssen, wenn es dir ernst mit ihr ist“, warnte sie ihn. „Aber ich habe ihr etwas ins Gewissen geredet und verraten, dass du kein übler Kerl bist.“
Julia schaute ihn aufmunternd an.
Er nickte und hob müde die Schultern. „Leute, ich kann nicht mehr klar denken. Ich muss ins Bett.“
„Ich rufe dir ein Taxi, Tom. Du hast doch zurzeit deine Leute alle in die Ferien geschickt, oder?“, sagte Julia und sauste eilig aus dem Zimmer.
Steven klopfte seinem Freund auf die Schulter.
„Na, es scheint, als hätte es dich auch endlich mal richtig erwischt. Mit deinem Charme wirst du sie sowieso um den Finger wickeln. Aber Tom, denk’ dran, sie ist die beste Freundin von Julia. Keine Spielchen, sonst macht Julia mir hier die Hölle heiß. Jenny ist