Paradoxe Gerechtigkeit. Stefanie Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Hauck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037500
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er ja nicht wusste, dass Catarina hier war?! Jerry verspürte Panik. Hin war die ganze schöne Stimmung.

      “Was ist los?”, flüsterte Catarina irritiert.

      Jerry ließ sich auf der Bettkante nieder und seufzte.

      “Ich meinte, ich hätte ein Geräusch gehört. Drüben im Wohnraum.”

      “Du meinst, dein Bruder ist wach geworden?”, erkundigte sich Catarina.

      “Weiß nicht, auf jeden Fall habe ich keine Lust, mich von ihm überraschen zu lassen, wenn ich mit dir Liebe mache!”, gab Jerry zurück.

      “Dann schau doch mal nach!”, forderte Catarina ihn auf, “dann siehst du ja, ob er wach geworden ist.”

      Und als Jerry zögerte, meinte sie: “Nun geh schon! Eben hast du doch noch gefeixt bei dem Gedanken, dass er uns hören könnte.”

      Jerry erhob sich missmutig und schlich zur Tür. Vorsichtig öffnete er sie und spähte in den dunklen Nebenraum. Alles war ruhig und still. Im diffusen Licht erkannte die Silhouette seines Bruders auf dem Canapé.

      Fehlalarm, dachte Jerry. Puh, das ist ja nochmal gut gegangen. Tom ist mir auch ständig im Wege.

      Jerry schloss die Schlafzimmertür, die allerdings in den Angeln quietsch­te und ein bisschen knarrte, als er sie zudrückte.

      Mist, dachte Jerry, jetzt ist er bestimmt wach geworden. Na, was soll’s, ich werde einfach einen Stuhl unter die Klinke klemmen, dann kann er nicht rein. Und sollte er doch irgendwie reinkommen, sind wir vorher gewarnt.

      Er schlich zurück zu Catarina, die sich erwartungsvoll vor ihm räkelte. Jerry grinste.

      Du bist mir vielleicht eine, dachte er. So ein durchtriebenes Weibchen. Mit allen Wassern gewaschen.

      Sie zog ihn zärtlich an sich heran und begann, sich langsam und geschmeidig an ihm zu reiben, wobei sie ihn umklammerte und mit ihren langen Fingernägeln vorsichtig seinen Rücken “zerkratzte”. Jerry stöhnte vor Lust. Diese Frau brachte ihn an den Rand des Wahn­sinns.

      Du kleine Wildkatze, dachte er, du erfüllst die kühnsten Männerphantasien.

      Jerry war schon erneut auf Hochtouren, als er wieder dieses Geräusch vernahm. Zuerst nahm er sich vor, es gar nicht zu beachten, aber als es sich wiederholte, war es mit der Stimmung vorbei. Jerry fühlte sich wie gelähmt. Catarina betrachtete ihn irritiert und meinte: “Was ist denn nun schon wieder?! Wieso bist du so blockiert?!”

      “Ach”, meinte er verärgert, “mich macht das Geknarze drüben ganz verrückt!”

      “Wenn es dich stört, dass dein Bruder nebenan ist, dann geh rüber und sag ihm, er soll sich mal ins Freie verziehen oder einen Spaziergang im Mondschein machen. Das ist bestimmt sehr romantisch. Warum ist das jetzt auf einmal ein Problem für dich, dass er da ist?!”

      Catarina wurde es langsam zu bunt.

      “Und mit welcher Begründung soll ich ihn wegschicken, hä?!”, erwiderte Jerry gereizt, “etwa, weil er mich nervös macht, wenn ich mit einer Frau zusammen bin und ich keinen hochkriege, wenn er nebenan ist? Nein danke, das werde ich bestimmt nicht machen. Der lacht sich noch eins ins Fäustchen. Eher würde ich mir die Zunge abbeißen, als ihm das zu sagen!”

      “Und deshalb auf Sex verzichten, nicht wahr?!”, Catarina sah ihn schräg von der Seite an.

      Für einen Moment dachte Jerry, sie würde ihn für einen Schlapp­schwanz im wahrsten Sinne des Wortes halten. Aber sie fuhr fort: “Dein Bruder muss eine tolle Ausstrahlung haben, Solimár, dass du so blockiert bist. Ich glaube, ich verstehe allmählich deinen Frust. Wenn ich so einen Bruder hätte, würde ich mir wahrscheinlich die Kugel geben!”

      Catarina sah ihn mitleidig an und streichelte liebevoll seine Wange. Jerry zog den Mundwinkel ein wenig hoch und schmollte, aber nur ganz leicht. Es entstand eine Pause. Schließlich kam Catarina auf eine glorreiche Idee.

      “Was hältst du denn von Folgendem”, schlug sie vor, “wenn du jetzt zu blockiert bist, dann können wir ja wenigstens so tun, als ob wir es miteinander treiben. Ein bisschen stöhnen und poltern. Du hast doch gesagt, dass er ein humorloser Spießer ist, das wird ihn bestimmt ohne Ende wurmen, wenn er zuhören muss, wie sein kleiner Bruder nebenan Liebe macht. Dann wird er mit Sicherheit für den Rest der Nacht kein Auge zutun.”

      Jerrys Gesicht verzog sich zu dem breitesten Grinsen, das es je gegeben hatte.

      “Frauen können so raffiniert sein”, meinte er hocherfreut.

      “Hm”, erwiderte sie lauernd, “und wenn er wieder weg ist, hab ich bestimmt auch nochmal Zeit für dich.”

      Aber dann biss sie ihn zärtlich in die Brustwarze, um sich anschließend auf ihn zu stürzen, so dass sie beinahe beide aus dem Bett gefallen wären. Das alte Bettgestell quietschte und knarrte und schau­kelte gefährlich wie eine alte Eiche im Sturm. Die beiden stöhn­ten und keuchten um die Wette und kicherten und lachten anzüglich und hatten eine Unmenge Spaß.

      Nebenan war Thomas von dem Quietschen und Knarren wach geworden, als Jerry beim Nachsehen die Schlafzimmertür wieder geschlossen hatte. Zuerst war er nur ein bisschen in einen Halbschlaf gefallen, denn jeder Knochen tat ihm einzeln weh. Er überlegte, ob er sich nicht auf den Fußboden legen sollte, weil er sich dort ausstrecken konnte. Aber das war ihm dann wieder zu dreckig. Also blieb er auf dem Canapé liegen und wälzte sich hin und her. Wie spät es wohl war? Hoffentlich graute bald der Morgen.

      Plötzlich hörte er ein schreckliches Krachen und Quietschen aus dem Schlafzimmer, das ihn hochfahren und vollends wach werden ließ. Darauf folgte ein Kichern. Das war nicht Jeremiah. Das Kichern gehörte einer Frau. Und kurz danach vernahm er ein Stöhnen und Scharren und Keuchen. Die Laute waren ziemlich eindeutig, und es brauchte nicht viel an Phantasie, um sich vorzustellen, was da drüben abging. Angewidert zog sich Thomas eins der Sofakissen über den Kopf. Keine Chance, die Geräusche aus dem Nachbarzimmer drangen unvermindert an sein Ohr.

      Ach, ich hör einfach gar nicht hin, dachte Thomas, irgendwann wird er seinen Orgasmus schon gehabt haben, und dann ist Ruhe. Wie kann man nur! Ihm geht auch wirklich jegliches Schamgefühl ab. Wieso habe ich nur so einen Bruder?! Aber womöglich ist er gar nicht mein Bruder?! Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen, aber es wäre irgendwie logisch. Wir sind so unterschiedlich, wie zwei Menschen nur sein können. Vielleicht ist er ja auch ein angenommenes Kind?

      Dennoch half ihm selbst diese Vorstellung nicht viel. Die absolut eindeutigen Laute aus dem Schlafzimmer waren unerträglich. Thomas hielt sich die Ohren zu.

      Das macht Jeremiah bestimmt extra, um mich zu provozieren, dachte er, so ein Schwein. Wenn Sophie noch ein einziges Mal wegen Jeremiah jammert, dann raste ich aus. Der arme Onkel Jeremiah. Er ist nicht nur von Gott verlassen, sondern auch von allen guten Geistern!

      Wieso kann der so lange durchhalten beim Sex?! fragte sich Thomas. Das ist ja unerhört! Oh Gott, ich ertrag das nicht länger!

      Irgendwann musste Thomas doch wieder eingeschlafen sein. Als er erwachte, drang das Licht des neuen Morgens durch die Ritzen und Fenster der Hütte und warf lange Strahlen in den Raum. Während er seine steif gewordenen und schmerzenden Glieder reckte, erblickte er seinen Bruder, der anscheinend bester Laune war, am Herd stehen und Kaffee kochen.

      Auch das noch, dachte Thomas, ich hasse Kaffee. Eher würde ich verdursten, als Kaffee zu trinken. Und dieser penetrante Geruch. Wie ich meinen Tee vermisse. Halte durch, Thomas, bald bist du wieder daheim, und alles wird in Ordnung gehen.

      Jerry hatte anscheinend noch nicht bemerkt, dass der Bruder wach war. Er blickte zur Schlafzimmertür und sagte irgendwas auf Spanisch. Einen Augenblick später kam eine schöne, schlanke Frau aus der Tür, ziemlich leicht bekleidet und ging mit wippenden Hüften auf Jerry zu. Der fasste sie um die Taille und zog sie in einer aufreizenden Art zu sich heran. Sie umarm­te ihn und streichelte ihn auf eine derart zudringliche Weise, dass es Thomas ganz schlecht wurde. Dann küssten sie sich heiß und innig und verabschiedeten sich. Als die Frau an Thomas vorbeikam und sah, dass er wach