Paradoxe Gerechtigkeit. Stefanie Hauck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stefanie Hauck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738037500
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      “Aber nicht Dr. Gnadenlos!”, knurrte Maggie, “der drückt eher seinem Gegenüber ein Auge zu, und zwar, indem er ihm bzw. ihr ein Veilchen verpasst.”

      “Und obendrein haben wir noch die Unverfrorenheit besessen”, fügte Sally an, “im Vorzimmer zu seinem allerheiligsten Büro Kaffee zu trinken. Das ist wahrscheinlich für ihn die achte Todsünde. Dieser fanatische Teetrinker, der tickt doch nicht mehr ganz richtig. Raten Sie mal, Philip, was er mir zum Geburtstag geschenkt hat?!”

      “Tee?!”, entgegnete Philip mit einem naiven Augenaufschlag.

      “Allerdings”, murrte Sally, während sie prüfend die Ordnerrücken überflog, “ehrlich, ich habe grundsätzlich nichts gegen Tee. Aber wenn ich mir überlege, dass dieser Kerl schon seit Jahren versucht, die gesamte Behörde zum Tee trinken zu bekehren, dann frage ich mich ernsthaft, ob unser allseits verhasster Dr. Thomas McNamara schon mal auf die Idee gekommen ist, dass es durchaus legitim ist, wenn andere Leute nicht seiner Meinung sind und seine Vorlieben nicht teilen.”

      “Noch ist das legitim”, befand Philip mit einem ironischen Grinsen, “aber wenn er erst mal Bundesrichter ist, wird er bestimmt dafür sorgen, dass Gesetze erlassen werden, die es unter Strafe stellen, dass jemand eine andere Meinung hat als die seine.”

      “Sie sind unmöglich, Philip”, meinte Maggie im Scherz und schüt­telte den Kopf, “wie gut, dass Sie hier sowas wie ein Licht in dunkler Nacht sind. Ich frage mich oft, wie Sie es mit Dr. Gnadenlos aushalten können, ohne dauerhaft depressiv zu werden.”

      “Nun, wir sind ja Kollegen, auch wenn er der Vorsitzende ist, aber seinen Kollegen sollte man sich warmhalten. Offenbar hält er große Stücke auf mich”, entgegnete Philip achselzuckend, “aber jetzt müssen Sie beide sich beeilen, er ist nämlich im Anflug. Ich höre ihn schon. Allerdings werde ich versuchen, ein wenig Zeit für Sie zu schinden.”

      “Danke, Philip, Sie sind wirklich ein Schatz”, bemerkten die Frauen.

      Philip lächelte den beiden Vorzimmerdamen aufmunternd zu und schloss die Tür hinter sich. Gerade noch rechtzeitig, denn kaum dass er die Türklinke losgelassen hatte und sich zum Gehen wandte, hörte er seinen Kollegen die letzte Treppenstufe erklimmen, während der auf einen Staatsanwalt einredete. Der Staatsanwalt sagte immer nur “ja, ja” und schien froh zu sein, dass Thomas Philip entdeckte und sich hastig verabschiedete.

      “Hallo Philip, gut, dass ich Sie treffe”, ließ sich Thomas vernehmen, “Sie waren eben so schnell aus dem Gerichtssaal verschwunden, dass ich gar nichts mehr mit Ihnen bereden konnte. Philip, bitte kommen Sie doch gegen 14.00 Uhr in mein Büro. Es ist extrem wichtig.”

      “Klar, kein Problem.”

      “Fein, dann werde ich mich jetzt in die Arbeit stürzen, nachdem wir wieder ein zweifelhaftes Subjekt hinter Gitter gebracht haben. Schließlich sind wir nicht zum Spaß hier. Und wer weiß, vielleicht wartet ja schon eine positive Überraschung auf mich.”

      Damit wandte sich der Jurist um und ging forschen Schrittes auf die Vorzimmertür seines Büros zu.

      Oh weh, dachte Philip, hoffentlich waren Sally und Maggie schnell genug. Sonst wird es wirklich eine Überraschung für Dr. Gnadenlos geben, allerdings eine negative. Leider konnte ich ihn im Prinzip ja gar nicht aufhalten. Es ist schon ein Kreuz, dass dieser Mann absolut keinen Spaß versteht und seiner Umgebung so verbiestert seine Regeln aufdrückt. Da entsteht bei mir manchmal der Eindruck, dass es unserem allseits verhassten Dr. McNamara nicht nur eine Genugtuung bereitet, Verbrecher ins Gefängnis zu bringen, sondern auch seine Untergebenen zu drangsalieren.

      Als Thomas jetzt mit Schwung ins Vorzimmer hereinstürmte, zuckten Sally und Maggie unwillkürlich zusammen.

      “Ladys, heute ist mein Glückstag!”, bemerkte Thomas strahlend, “bei der Beweislage brauchten die Geschworenen gar nicht lange zu überlegen, um diesen Halunken schuldig zu sprechen. Und ich konnte die Höchststrafe verhängen. Somit habe ich sogar noch etwas Zeit, mich um das Tagesgeschäft hier im Büro zu kümmern. Maggie, wo ist die Post?!”

      “Hier, Sir”, entgegnete Maggie und reichte ihm einen Stapel Briefe, “und ein Anruf kam für Sie heute Morgen rein, kurz nachdem sie zur Verhandlung gegangen sind. Irgendjemand aus Washington. Ein Mr. Smith. Der kam mir ein bisschen komisch vor, weil er mir partout nicht sagen wollte, worum es sich handelte und er nur mit Ihnen sprechen wollte. Er hat auch keine Nummer hinterlassen, damit Sie zurückrufen können und...”

      “Wann will er wieder anrufen?”, unterbrach Thomas sie hastig.

      “Gar nicht. Er sagte nur, Sie wüssten schon, worum es sich handelte, deshalb müsste er mir nicht alles erklären.”

      Maggie sah ihren Chef ein wenig unsicher an.

      “Na ja, schon gut”, erwiderte Thomas nicht sonderlich erfreut und beachtete sie dann gar nicht mehr, sondern sichtete die Briefe, die sie ihm gegeben hatte. Weil er auch nach geraumer Zeit keine Reaktion zeigte, fragte Maggie nochmal vorsichtig nach.

      “Sir, ist alles okay? Ich meine wegen diesem Mr. Smith und so?”

      Thomas murmelte nur: “Nein, es ist alles in Ordnung... alles in Ordnung, Maggie...”, und ging gedankenversunken auf seine Arbeitszimmertür zu.

      Die beiden Frauen atmeten innerlich schon auf. Aber dann fuhr ihr Chef herum, zeigte auf Sally und ranzte sie an: “Okay, Sie werden jetzt dafür sorgen, dass ich von niemandem gestört werde. Keine Telefonanrufe durchstellen, keine lästigen kleinen Wichtigtuer hereinlassen und auch von Ihnen beiden will ich nichts sehen, es sei denn, ich rufe eine von Ihnen in mein Büro. Der Einzige, den Sie zu mir durchlassen, ist Dr. Philip Banks. Alles klar?!”

      “Ja”, hauchte Sally und nickte ergeben.

      “Fein, dann wollen wir mal wieder an die Arbeit gehen”, entgegnete Thomas und entschwand in sein Büro.

      “Puh, hat der eine Laune”, meinte Maggie stöhnend, “da wollen wir mal hoffen, dass er nicht so oft seinen Glückstag hat, so wie der drauf ist.”

      “Was soll’s”, entgegnete Sally und verzog den Mund, “ich bin trotzdem erleichtert, dass wir noch schnell genug waren beim Verstauen unseres kriminellen Handwerkszeugs. Stell dir mal vor, er hätte uns erwischt!”

      “Das stell ich mir lieber gar nicht vor, weil es einer Apokalypse gleichkäme!”

      Die beiden Frauen hatten sich gerade wieder in ihre Arbeit vertieft, als die Tür zum Chefbüro vehement aufgerissen wurde und Thomas wieder herauskam. Die Sekretärinnen zuckten entsetzt zusammen.

      “Maggie, ich brauche mal eben einen Kleiderbügel”, erklärte Thomas, während er forschen Schrittes auf den Garderobenschrank zuging, “an einem meiner Bügel hat sich der Haken gelöst. Jetzt kann ich mein Jackett nicht mehr aufhängen.”

      Im nächsten Moment hatte er auch schon die Schranktür geöffnet und fischte sich einen Bügel heraus. Als er die Tür wieder verschließen wollte, geriet allerdings ein Stück von Maggies Sommermantel dazwischen. Etwas hektisch schob er das Kleidungsstück zur Seite, damit ihm das nicht nochmal passieren sollte. Das hatte allerdings zur Folge, dass es auf einmal fürchterlich schepperte und klirrte und ihm eine Thermoskanne entgegenrollte. Um ein Haar wäre sie auf seinen Schuhen gelandet, wenn er nicht schnell zur Seite ausgewichen wäre. Das Bild, das sich ihm allerdings jetzt bot, brachte sein Blut in Wallung, und die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht.

      “Das glaube ich jetzt einfach nicht”, zischte er fast tonlos, während er auf das umgestoßene Geschirr deutete und gleichzeitig die beiden Frauen ansah.

      Sally und Maggie starrten den Chef nun ihrerseits in blankem Entsetzen an. Für einen Moment sagte keiner ein Wort, die Stimmung schien förmlich zu knistern. Schließlich verzog Thomas grimmig seinen Mund und giftete die beiden Frauen an: “Sie scheinen unter Gedächtnisschwund zu leiden! Ich denke, wir hatten eine Vereinbarung. Haben Sie das vergessen?!”

      “Äh, nein, Dr. McNamara”, kam Maggie Sally zuvor, “aber, nun ja, also, na ja, weil Sally doch heute