Die Hand zu Faust geballt, rief Richard: „Dein Sieg, Songragan, du bist einfach der Beste! Heute gibt es Drachensteak mit Honig für mich.“
Emma und John
Das Frühstück verlief zwanglos. Jeder trudelte irgendwann in der Küche ein und machte sich mit Unterstützung der Köchin ein Frühstück zurecht, um es anschließend draußen zu genießen. Die Hitze ließ schon morgens Butter oder Käse im Freien schmelzen. Magor erschien heute sehr spät, aber gut gelaunt, da er gestern etwas zu viel Wein verkostet hatte.
Heute trug er schwarze Motorradkleidung und einen Helm in der Hand. Als er die fragenden Gesichter sah, erklärte er: „Ich mach eine kleine Spritztour.“ Vergnügt nahm er sich ein Croissant auf die Hand und aß es schnell im Stehen, kippte einen frisch gepressten Orangensaft hinterher und naschte noch ein paar Stücke Melone.
Für den Nachmittag hatte der Zauberer geplant, mit Emma und Ben in seine Alchemistenkammer zu gehen, um dort mit ihnen das Zaubern zu üben. Es war ihm sehr wichtig, dass sie sich weiterentwickelten und mehr Magie beherrschten.
Bevor er sich verabschiedete, schlug Magor den beiden vor, auszureiten, um sich sein Anwesen anzusehen. Wenig später hörten sie das laute Röhren einer schweren Maschine.
„Ich habe große Lust auf einen Reitausflug. Kommst du mit?“, fragte Ben Emma.
„Nee, ich möchte einfach nur abhängen. Der Luxus von Magors Anwesen ist im Moment genau das Richtige für meine Nerven.“
Verwundert runzelte Ben die Stirn, so träge kannte er seine Freundin nicht. Fürsorglich legte er den Arm um sie: „Was ist los mit dir? Geht es dir nicht gut?“
„Doch, alles ist in Ordnung. Ich brauche einfach ein bisschen Erholung von unserem Fanreatrip.“ Das stimmte zwar, aber es war nicht die ganze Wahrheit. Mit schlechtem Gewissen verschwieg sie Ben, dass sie nach John Ausschau hielt.
Ben zuckte mit den Schultern. „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen*. Na, dann chill mal ´ne Runde.“
Unternehmungslustig schloss sich Ben Agatha an und ritt gemeinsam mit ihr über das riesige Anwesen, auf dem es einen See, ein großes Waldgebiet, Koppeln mit Pferden und Kühen gab. Obstplantagen, Weinfelder und ein kleines Dorf, in dem die Angestellten von Magor lebten. Es war ein sehr gepflegtes Dorf mit Natursteinhäusern, vor denen bunte Blumenkübel standen und in dem es nach frischem Brot duftete, weil die Backstube gerade auf Hochtouren lief.
Bei den Weinstöcken hielten sie an und begrüßten diejenigen, die dort arbeiteten. Ben und Agatha stiegen von ihren Pferden, um sich die Trauben aus der Nähe anzusehen, als das gewaltige, trollähnliche Wesen freundlich lächelnd auf sie zukam: „Kann ich euch helfen?“
Agatha war erfreut: „Wir würden so gern etwas mehr über den Weinanbau erfahren. Kannst du uns ein bisschen dazu erklären?“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre blauen Augen strahlten.
Der Trollartige hieß Karbo und war beglückt, über seinen geliebten Wein sprechen zu dürfen: „Gerne. Kommt mit!“
Der Mann mit den zwei Köpfen gesellte sich dazu. Der eine hieß Mori und der andere nannte sich Muri. Mori schaltete sich ein: „Von mir könnt ihr auch jede Menge lernen.“
Karbo nahm sie mit sich zu einer Rebe und zeigte darauf: „Es existieren weltweit ungefähr zehntausend Rebsorten, jedoch nur etwa einhundert sind von größerer Bedeutung. Seit mindestens dreitausend Jahren gibt es den Weinbau, doch erst die Römer haben vor circa dreihundert Jahren vor Christus die Reben kultiviert. Später übernahmen dann Klöster diese Aufgabe. Ihr seht, Wein hat eine lange Geschichte.“
Mit ernster Miene musterte er Ben und Agatha und versuchte, zu ergründen, ob sie ihm tatsächlich zuhörten. Dann fuhr Karbo fort: „Die europäischen Sorten sind sehr anfällig für die Reblaus und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte dieses Vieh fast den gesamten Weinbau in Europa zugrunde gerichtet. Erst als europäische Reben auf den Wurzelstock amerikanischer Reben gepfropft wurden, hat sich die Situation verbessert.“
„Was heißt gepfropft?“, fragte Ben.
Über die Frage freute sich Karbo, sie bedeutete, dass Ben sich wirklich für das Thema Wein interessierte.
Karbo lächelte freundlich und erklärte: „Einfach ausgedrückt: Eine Edelrebe wird auf eine reblausanfällige Rebe gesetzt und die beiden wachsen dann zusammen. Schaut, hier ist so ein Stelle.“ Mit dem Zeigefinger deutete er auf ein Stück am Stamm, das etwas unregelmäßig aussah.
„Also sind die Reben in Europa alle gepfropft?“, wollte Agatha wissen.
„Ja, man trifft kaum nicht veredelte Sorten an.“
„Was macht denn nun einen guten Wein aus?“, wollte Ben wissen.
Mori mischte sich ein: „Karbo schweift wieder zu sehr ab und fängt bei Adam und Eva an. Außerdem redet er wie ein Lehrer. Also die Rebsorte hat natürlich einen starken Einfluss auf den Geschmack, denn jede Rebsorte hat einen anderen Charakter. Einige Sorten entwickeln zum Beispiel während des Wachstums mehr Zucker als andere. Aber auch Boden, Klima, die Landschaft und die Anbaumethoden entscheiden mit, wie der Wein schmeckt.“
„Agatha, ich glaube, das wird ein lehrreicher Vormittag“, kommentierte Ben. „Die Jungs kommen jetzt langsam in Schwung. Lasst es euch gesagt sein: Wer Wein gut trinkt, schläft gut. Wer gut schläft, sündigt nicht.*“
Mitten auf der Schlosstreppe saß Emma und biss in eine saftige, kühle Wassermelone. Emma hoffte darauf, John zu sehen. Jedes Mal, wenn Emma ihn sah, brachte er sie durcheinander, war sie glücklich und unsicher zugleich. Etwas in ihrem Inneren drängte sie danach, ihm nah zu sein und wenn er nicht bei ihr war, wurde sie seltsam unruhig. Endlich gestand sie es sich selbst ein: Sie war verliebt! Verliebt in einen Indianer aus einer anderen Welt, auch wenn das der reinste Irrsinn war. Was konnte daraus werden? Sie wusste es nicht, es gab keine Antwort darauf. Gegen ihr Gefühl war sie jedenfalls machtlos und sie wollte die Tage in Frankreich nur genießen und nicht mit Grübeln verschwenden.
Als sie Hufgetrappel hörte, vermutete sie, dass Ben und Agatha schon zurückkamen, aber sie irrte sich. Es war John auf einem von Magors Pferden, mit einem geflochtenen Korb auf dem Rücken. Er trug nur Jeans und Emma bewunderte das Spiel seiner Muskeln unter seiner glatten, braunen Haut.
Er strahlte sie an: „Emma, was tust du hier?“
„Melone essen?“
John lachte. „Ich bringe das Pferd in den Stall, dann habe ich Zeit für dich. Ich war früh wach und bin mit dem Pferd zum See geritten, um für das Mittagessen Fische zu fangen.“
Aufgeregt sah sie ihm hinterher und freute sich, dass er da war. „Ich gehe zum Pool!“
„Okay, ich komme nach.“
Gut gelaunt schlenderte Emma zum Pool, an dem Nala und Sidney im Schatten von Olivenbäumen lagen, um eine Partie Rummy zu spielen.
„Hi, ihr beiden“, begrüßte Emma Nala und Sid.
„Hallo Emma“, murmelte Sid und konzentrierte sich auf das Spiel. Der schlaksige Sid wirkte ausnahmsweise entspannt und hatte seine Schultern nicht hochgezogen. Seine blonden Haare standen, wie immer, wild vom Kopf ab, nachdenklich rieb er sich die Stirn und überlegte, welche Steine er ablegen sollte. Wenn er nicht durch Magor eingeschüchtert wurde, sah sein Gesicht hübsch aus.
Genussvoll trank Nala einen Schluck von ihrem Smoothie und nickte