John grinste: „Das hast du mir mal wieder nicht zugetraut.“
„Äh, doch, na ja, schon. Aber, hm, ich weiß auch nicht.“ Erneut wurde sie rot.
John lachte und Emma kicherte schließlich mit. Der Indianer brachte sie ganz durcheinander.
„Es war hochinteressant. Magor hat mehrere Informationszentren auf seinem Schloss, alle mit der neuesten Technik ausgestattet und dazu einen Freak, der nur in virtuellen Welten lebt. Nala und Komor haben auch mitgemacht und vor allem Nala ist jetzt topfit“, schwärmte John.
Emma starrte ihn an. Es war einfach unglaublich: Wahrscheinlich konnte John nun mit dem ganzen Kram besser umgehen als sie selbst.
Mit seinen dunklen Augen musterte John sie intensiv. „Du siehst erholt aus. Die paar Tage ohne Fanrea haben dir gut getan und hier in Frankreich werden wir eine tolle Zeit zusammen haben. Komm mit ins Wasser, es ist herrlich erfrischend.“
Nur zu gern folgte Emma der Aufforderung. Ben kraulte schon mit Nala um die Wette und strahlte: „Das nenne ich Urlaub!“
Auf einmal flogen zwei Fellknäuel durch die Luft, platschten ins Wasser und tauchten prustend wieder auf.
„Jipiehh!“, kreischte Jidell.
Quidell quiekte aufgeregt: „Boah, Alter, das tut gut. Besser als Auto fahren.“
„Wer ist denn das?“, lachte Nala.
Emma stellte die Rattenbrüder vor, die sich gegenseitig mit Kopfsprung und Salto übertrumpften.
„Eh, Jidell, schau mal, wie toll ich das kann.“ Quidell versuchte sich an einer Schraube und klatschte hart auf das Wasser.
„Loser!“, brüllte Jidell.
„Selber“, brummte Quidell. „Mach es doch besser. Kannst ja mal durch einen Reifen springen.“
„Junge, eh, dat kann ich. Die hübsche Dame da übernimmt den Job und besorgt mir einen.“ Jidell wandte sich an Nala und verbeugte sich.
„Nee, lass mal, bringst dich noch um, Bruder. Mit wem soll ich dann streiten?“
Ben grölte: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich!“
Alle lachten. Die Zeit verflog und die Freunde genossen die unbeschwerten Stunden miteinander. Später zeigte eine resolute, aber freundliche Zwergenfrau den drei Neuankömmlingen ihre Zimmer, die direkt nebeneinander lagen.
Emmas Schlafzimmer hatte zartblau gewischte Wände und ein weißes Stahlbett mit einem Moskitonetz. An der einen Wand befand sich ein weiß gekälkter Schrank im Shabby Chic Look* und ein Schminktisch mit einem ovalen Spiegel, gegenüber stand ein gut bestücktes Bücherregal. Auf einem Metalltisch war ein Strauß Lavendel dekoriert, der das gesamte Zimmer mit seinem intensiven Duft erfüllte. Am geöffneten Fenster, durch das man in den Garten schauen konnte, wehten duftige, zartblaue Gardinen. Eine Tür führte zu ihrem eigenen Badezimmer, das von einer Löwenfußbadewanne dominiert wurde und in hellblau und weiß eingerichtet war.
„Oh, ist das schön“, hauchte sie entzückt.
In Fanrea, in der Nähe der Felsenstadt Angar, hockte ein Mann in einer spärlich erleuchteten, gewaltigen Höhle, vor einem Feuer und stocherte gedankenverloren mit einem Ast in der roten Glut. Seine schwarzen Stiefel, ebenso sein langer Ledermantel, berührten fast die brennenden Scheite, doch der Mann bemerkte die Hitze kaum. Er überließ den Ast den Flammen und zwirbelte zunächst seinen schwarzgrauen Spitzbart, anschließend drehte er die Enden seines Schnurrbartes in die Höhe. Die dunklen Augen sahen sich unruhig in dem steinernen Gewölbe um und sein Blick blieb dann an einer Holzkiste hängen.
Der Mann erhob sich und strich mit einer herrischen Geste seine dunklen Haare nach hinten und band sie mit einem Lederband zu einem Zopf. Seine Stiefel klackten laut auf dem Boden der gewaltigen Höhle und wurden als Echo zurückgeworfen, als er sich der Holzkiste näherte. Er klappte den Deckel auf und zog vorsichtig eine der Phiolen heraus. Mit einem bösartigen Grinsen hielt er sie vor eine Fackel und betrachtete die darin hin und her schwappende goldene Flüssigkeit.
„Nicht schlecht, hombre. Es wird besser“, murmelte er.
Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken und fast fiel ihm die Phiole mit der kostbaren Flüssigkeit zu Boden. Eine Hand am Dolch, fuhr er herum und entspannte sich wieder. Es war nur die Dornenechse, sein Haustier.
„Tabor, du bist es. Schleich nicht immer so herum.“
Die Dornenechse schaute ihn aus unergründlichen Augen an. „Bist du deinem Ziel näher gekommen, Geronimo?“
„Näher schon, Tabor, doch das reicht mir nicht. Wenn doch nur Richard mehr Fähigkeiten hätte. Er ist so eine Enttäuschung, es müsste viel mehr in ihm stecken. Er kann zwar gut kämpfen, aber keine Magie, kein Feuerzauber, nichts ist so, wie erwartet. Mierda!“
„Vielleicht hast du den Falschen erwischt.“
„Wahrscheinlich. Aber der andere ist seit seiner Geburt nicht auffindbar.“
Lauschend hob Tabor den Kopf. „Da nähert sich jemand.“
Erneut fuhr Geronimos Hand zum Dolch. Fußtritte hallten durch die Höhle.
„Vater! Ich bin wieder da!“
„Unüberhörbar“, murmelte Geronimo und verdrehte die Augen.
Ein dunkelhaariger Junge, nur mit einer Hose bekleidet, kam um die Ecke. Seine windzerzausten Haare standen kreuz und quer und er grinste lässig. Wie eine Trophäe hob er eine Tasche hoch.
Geronimo setzte eine freundliche Miene auf. „Richard, mein Sohn! Wo warst du die ganze Nacht? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“
„Quatsch, erzähl mir nichts, Geronimo. Du hast wieder nur rumgebrütet, wie du an das Gold des Alchemisten kommst oder selber herumexperimentiert. An mich hast du bestimmt keinen einzigen Gedanken verschwendet.“
Gelangweilt zuckte Geronimo mit den Schultern. Was wusste sein Sohn schon von der Welt und von harter Arbeit? Er deutete auf die Tasche. „Was ist da drin?“
„Honig. Ich war bei den wilden Bienen und habe ihnen ihre Honigwaben geraubt.“
„Du kannst es einfach nicht lassen, hijo. Irgendwann werden sie dich zu Tode stechen.“
Kopfschüttelnd packte Richard die Honigwaben aus. „Mich kriegen die Bienen nicht.“ Schwungvoll legte er die in Leinen gewickelten Waben auf den Tisch und leckte sich die Lippen. Mit glitzernden Augen schlug er das Tuch auseinander und griff nach einer der Waben. „Mhh, schön süß und klebrig.“
Der Honig hatte eine maisgelbe Farbe, genüsslich saugte und leckte Richard ihn aus der Wabe. Dicke Tropfen rannen an Richards Kinn hinunter und entzückt verdrehte er die Augen. „Köstlich!“
Das Gesicht verziehend, musterte Geronimo seinen Sohn. „Das ist ein echtes Laster von dir geworden.“
„Laster? Das sagt der Richtige. Schau doch mal dich und deine Ringsammlung an.“ Spöttisch betrachtete Richard die Ringe an den Fingern seines Vaters und konnte sich einen weiteren Kommentar nicht verkneifen: „Du trägst ja schon wieder neue Ringe. Inzwischen sind es acht! Findest du das nicht langsam albern?“
Geronimo spreizte die Finger beider Hände und begutachtete seine beiden Neuzugänge. Die Ringe funkelten im Kerzenlicht und fingen mit ihren Edelsteinen das Licht ein. „No, hijo, es ist nicht albern. Es ist grandioso! Schau, meine neuen Kreolen.“ Er deutete auf seine Ohrringe.
Verächtlich schnaubte Richard: „Gockel!“
„Wie redest du mit deinem Vater?“ Bedrohlich baute Geronimo sich vor Richard auf und musterte ihn. Sein drahtiger Oberkörper war von einer langen Narbe überzogen. Der trotzige Blick seiner Augen forderte Geronimo heraus.
Unerwartet