„Mögt ihr noch etwas zur Erfrischung?“, fragte die Elfe.
Alle drei griffen durstig zu, bedankten sich und widmeten sich wieder dem Spiel.
Endlich kam John frisch geduscht und mit Badehose an den Pool und strahlte Emma an: „Ich habe der Köchin noch schnell beim Ausnehmen der Fische geholfen, es waren so viele.“
„Es gefällt dir hier“, wunderte sich Emma.
„Klar ist es schön auf dem Schloss und ich genieße den Urlaub. Vor allem, weil ich mit dir zusammen sein kann“, gestand er ihr.
Emmas Herz schlug schneller und sie überspielte seine offenen Worte, indem sie nicht darauf einging: „Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass die Erde toll ist und vor allem der Komfort sehr angenehm ist.“
John widersprach ihr: „Aber das hier ist doch nicht das normale Leben, sondern der pure Luxus in einem kleinen Paradies. Herkömmliche Menschen führen ein ganz anderes Leben, sie arbeiten hart und vielleicht in einem Job, der ihnen keinen Spaß macht. Viele wohnen in einer Industriestadt, in der es stinkt, deren Fabriken die Umgebung verpesten und die umliegenden Flüsse verseuchen. Für euer modernes Leben zahlt ihr einen hohen Preis und ich ziehe Fanrea eurer Welt vor.“
Irgendwie machte John sie immer wütend mit seinen Gedanken, aber in ihrem Inneren wusste Emma, dass er Recht hatte. Trotzdem schmollte sie. Vorsichtig strich er ihr eine Locke aus der Stirn und sagte versöhnlich: „Du brauchst das nicht persönlich zu nehmen. Du kannst doch nichts dafür, dass es auf der Erde so ist, wie es ist und ich finde es nicht schlimm, dass du deinen gewohnten Lebensstandard in Fanrea vermisst hast.“
Die beiden unterhielten sich intensiv den ganzen Vormittag, bis Migune auf dem langen Esstisch einen kleinen Snack bereitstellte, der aus einem bunt gemischten Salat, gegrilltem Fisch und einer kalten Gemüsesuppe, Gazpacho* genannt, bestand. Dazu gab es frisches Baguette und als Nachtisch eisgekühlte Wassermelone.
Nach dem Essen hatte John eine Überraschung für Emma und er bat sie, ihm zu folgen. Schnell zog Emma ihr Kleid über und ließ sich von John durch das riesige Schloss führen. Schließlich öffnete John eine Holztür, hinter der sich ein großer Saal verbarg.
„Erinnerst du dich an unser Gespräch in Fanrea über das Tanzen?“, fragte John.
„Ja.“
„Jetzt werde ich es dir beibringen.“
„Oh nein.“ Verunsichert sah Emma ihn an.
„He, du hast doch wohl keine Angst vor dem Tanzen? Du machst Ballett und tötest, ohne mit der Wimper zu zucken, dutzende von Achillikrussen und traust dich nicht, mit mir zu tanzen?“
Emma zögerte, aber diese Herausforderung musste sie natürlich annehmen: „Na, dann los!“
Lässig schlenderte John zu einem in der Ecke stehenden CD-Player: „Wir beginnen mit dem langsamen Walzer, der ist für den Einstieg leicht zu erlernen und nicht so schnell.“
Zielgerichtet legte er zunächst eine CD mit klassischer Walzermusik ein, stellte sich neben Emma und machte ihr den Damenschritt vor. Sie ahmte die Bewegung nach und so übten sie eine Weile. Dann verbeugte er sich galant vor Emma und nahm ihre rechte Hand in seine Linke.
„Leg die andere Hand auf meinen Oberarm.“ Ein freches Lächeln umspielte seine Mundwinkel und Emma spürte, dass es ihm einen Heidenspaß bereitete, ihr das Tanzen beizubringen. Sie versuchte, sich zu entspannen und nicht wie eine verkrampfte Henne dort zu stehen.
„Hörst du den Takt der Musik? Eins, zwei, drei; eins, zwei, drei. Du beginnst mit dem linken Fuß, ich mit dem Rechten. Lass dich einfach führen, das bedeutet, ich habe hier das Sagen! Okay? Kann es losgehen?“
Aufgeregt nickte Emma und hoffte, dass sie sich nicht blamierte. Außerdem, was bedeutete: Ich habe hier das Sagen´?
John bewegte sich vorwärts und führte Emma durch die Schritte, wobei sie ihm natürlich mehrmals auf die Füße trat. Er lachte jedoch und beruhigte sie: „Das ist normal am Anfang, mach dir nichts draus. Ist mir auch passiert.“
Je mehr Emma sich entspannte, auf den Takt der Musik achtete und John die Führung überließ, umso besser klappte es. Auf einmal begann es sogar, ihr Spaß zu machen. Emma bemerkte nicht, dass sie vergaß, auf ihre einzelnen Schritte zu achten und den Takt mitzuzählen, sondern dass die Bewegungen fließender wurden und ihre Haltung sich stabilisierte. John freute sich, als er spürte, wie Emma sich auf ihn einließ.
Eben war Emma vor lauter Aufregung nicht bewusst gewesen, wie nah John ihr war. Aber nun wich die Anspannung und sie fühlte die zarte und dennoch dominante Berührung seiner Hände. Er trug immer noch kein T-Shirt und seine nackte Haut verwirrte sie.
Als die CD zu Ende ging, bedauerte Emma das und John legte eine etwas modernere CD ein, Simply Red, If you don´t know me by now. Die Tanzschritte wurden immer flüssiger und Emma ließ sich nun ganz und gar auf die Musik und John ein. Sie strahlte über das ganze Gesicht und auch John war glücklich, dass seine Überraschung gelungen war. Nachdem der Song durchgelaufen war, fragte er: „Hast du Lust, noch einen anderen Tanz zu lernen?“
Emma erwachte wie aus einem Traum und landete sanft auf der Erde: „Ja! Super gerne. Es macht mir riesigen Spaß.“
John schlug vor: „Okay, wir probieren den Discofox. Der ist auch nicht so schwer und hat coole Drehungen. Ich erkläre dir, wie es geht. Oder Samba.“
Sie zögerte: „Weiß Magor eigentlich, dass wir hier tanzen?“
„Aber natürlich, er hat mir netterweise diesen Saal zum Üben vorgeschlagen und jede Menge CD`s zur Verfügung gestellt. Er ist wie zwei Wesen, einmal der großartige, unnahbare Zauberer, der schon unzählige Welten gerettet hat und dann wiederum der Genießer, der als reicher Weinbauer hier in Frankreich residiert. Ich glaube, er braucht diesen Ausgleich auf seinem Chateau, um sich von den immensen Strapazen und Herausforderungen zu erholen und neue Kraft zu schöpfen.“
„Ich bin immer ein wenig verlegen in seiner Gegenwart, obwohl ich ihn mag“, gab Emma unerwartet zu.
Verständnisvoll nickte John. „Das sind die meisten Menschen und das macht ihn bestimmt ein wenig einsam. Vielleicht will er hier einfach nur ein großartiger Gastgeber sein und nicht auf einem Sockel stehen, an den sich niemand herantraut. Was meinst du?“
Nachdenklich erwiderte Emma: „Ich glaube fast, du hast Recht. Hm, meinst du, ich kann mit ihm über etwas Wichtiges sprechen, was ihm vielleicht nicht gefallen wird?“
„Ich tippe mal, ja.“
Es war wieder typisch für John, dass er nicht nachfragte, um welche Sache es ging, sondern dass er es auf sich beruhen ließ, wenn sie hätte mehr erzählen wollen, hätte sie es ja getan. Emma dachte an Sidney und seine Liebe zur Malerei und überlegte, Magor in diesem Urlaub darauf anzusprechen. Irgendwie musste sie es hinkriegen, Magor davon zu überzeugen, dass Sid seine Leidenschaft ausleben und malen durfte. Aber nun wollte sie weitertanzen.
„Los, dann zeig mir erst den Discofox und danach noch Samba“, drängte sie mit leuchtenden Augen.
Die vier Elemente
Nach dem Tanzen gesellten sich John und Emma zu den anderen, die im Park des herrschaftlichen Anwesens Boule* spielten: Esther mit Fips und den Rattenbrüdern, Komor, Agatha, Sidney, Nala und Ben. Unbeschwert lachten sie miteinander und genossen die Zeit.
Erstaunt fragte Nala: „Wo kommt ihr beiden her? Wir haben euch schon vermisst. Möchtet ihr mitspielen?“
Wahrheitsgemäß antwortete John: „Emma und ich haben getanzt. Walzer, Discofox und Samba.“
Emma