Lethal Vacation. Josephine Lessmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josephine Lessmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753132990
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      Einige Grünflächen wurden sich selbst überlassen.

      »Vorwärts!«, maulte ein Wachmann hinter ihnen. Sie wurden auf den Weg dirigiert, der an den Garagen und Werkstätten vorbeiführte.

      Entrüstet schaute Klaas nach hinten und sah, wie der Wachmann auf ihn zielte. »Das geht aber freundlicher!«

      »Wenn du weiterhin eine große Schnauze hast, kann ich dir gern ›freundlich‹ zeigen, du Arschloch!«, erwiderte er dem kleinen Bodyguard aufbrausend.

      Ergeben hielt Klaas die Hände nach oben und lief mit den anderen den Kopfsteinpflasterweg entlang. Eine leichte Linkskurve führte die Gruppe zu einem Anwesen, dessen Treppenaufgang mit vier Säulen gesäumt war.

      Stutzig blieb Ivy stehen und betrachtete das Gebäude. Diese Bauart erinnert an die alten Gemäuer aus NVA-Zeiten. Wenn im Inneren Mosaikbilder an den Wänden sind, dann scheint das der Fall zu sein, dachte sie.

      Aus dem Nichts wurde sie von einem Wachmann nach vorn geschubst und stolperte die Treppen empor. Stumm schüttelte sie den Kopf und verkniff sich ihre Anmerkung der Entrüstung.

      Als sie den Eingangsbereich betraten, bestätigte sich ihre Vermutung. Das große Mosaikbild zeigte einen Soldaten, der zwischen zwei Zivilisten erhaben in die Ferne blickte. Weiße Friedenstauben flogen über einer roten Fahne. Ein Zeugnis aus vergangenen Tagen. Einige der Mosaikplättchen waren aus dem Bild herausgefallen. Der Geruch war modrig und streng. Der Putz am Treppenaufgang war erneuert worden und die steinernen Stufen erinnerten sie an die in ihrer alten Schule.

      »Die Treppe hoch!«, befahl ein anderer Wachmann harsch und zeigte mit der Waffe nach oben.

      Ein Wächter führte die Gruppe die Stufen hinauf, dicht gefolgt von seinen Kameraden, die ihre Schusswaffen griffbereit vor sich trugen.

      Fragend schaute Ivy zu Elmar, der stumm mit dem Kopf schüttelte.

      Linker Hand führte ein langer Gang durch das Gebäude, an dessen Ende eine Tür war.

      Der Kamerad dirigierte die Überlebenden mit strammem Schritt voran und blieben davorstehen. Er klopfte hart gegen das Türblatt.

      Nur einen Moment später wurde diese geöffnet.

      Erneut wurden die vier nach vorn geschubst, dicht gefolgt von der Wachmannschaft.

      »Herr Vizeadmiral. Wir fanden Überlebende vor dem Tor!«, verkündete der Kamerad salutierend.

      Hinter dem Schreibtisch erhob sich ein uniformierter kleiner Mann. Er legte stumm die Hände auf den Rücken, trat hervor und inspizierte misstrauisch die Fremden. Wie eine Katze schlich er um sie herum. Er war kaum größer als Ivy und dennoch versprühte er eine gewisse Gefahr. Sein Blick war finster. An seiner linken Wange trug er eine Brandnarbe. Angewidert rümpfte er die Nase, als er den strengen Geruch der Kleidung vernahm.

      »Überlebende ... Hmm ... So riecht ihr auch«, sagte er abwertend und sah sich die Kluft näher an. Angeekelt begutachtete er die löchrige und fleckige Kleidung.

      Der Vizeadmiral trat auf Ivy zu. Er betrachtete ihren Körper, der in der übergroßen Kleidung hing. Er sah sich ihr Gesicht an, musterte ihre Augen. Aus dem Augenwinkel heraus sah er die besorgten Blicke von Mac und Elmar. Er schenkte beiden einen kurzen Wimpernschlag, grinste schnaufend auf, lief zurück zu seinem Schreibtisch und nahm Platz.

      »Es ist eine geraume Zeit her, seit Überlebende diesen Ort gefunden haben. Wobei ich sagen muss, dass diese alten Gemäuer in ihrem Efeukleid schwer zu finden sind. Ich heiße euch willkommen in Brachburg.«

      Verwundert sahen sich die vier an.

      »Es scheint, als hättet ihr eine lange Reise hinter euch. Wo kommt ihr denn her?«, fragte er etwas erhaben und geschwollen zugleich.

      »Jeder war eine Zeitlang allein unterwegs. Bis wir uns fanden«, erklärte Ivy. »Ich war mit Freunden im Urlaub in Tschechien, als es los ging.«

      »Mein Partner und ich waren auf Geschäftsreise in Russland und … dann waren die Grenzen dicht«, erzählte Elmar und sah zu Klaas.

      »Ich war auf einer US-Basis stationiert und wir flohen in alle Himmelsrichtungen. Irgendwann fanden sie mich und ich schloss mich ihnen an.«

      Beeindruckt nickte der Vizeadmiral vor sich hin und nippte an seinem Whiskeyglas. Der süßlich herbe Geschmack ließ ihn kurz die Nase rümpfen.

      »Ich finde es immer bemerkenswert, wie sich Menschen in dieser Zeit finden, sich entwickeln und gemeinsam gegen die Toten kämpfen. Hut ab.« Er pausierte einen Augenblick. »Mein Name ist Vizeadmiral Heinzmann. Ich habe die oberste Befehlsgewalt in Brachburg. Mir unterliegt eine Gefolgschaft von sechshundert kampfbereiten Männern und Frauen.« Er seufzte. »Auf eurem Weg … sind euch da andere Überlebende begegnet?«

      »Nein. Alles, was wir fanden, war verlassen. Manchmal stießen wir auf Kolonien. Aber die waren abgebrannt« erzählte Ivy mit aufgesetzt bekümmerten Blick.

      Mitfühlend verzog Heinzmann den Mund und nickte leicht. »Es gibt viele Gefahren da draußen. Sogar Gruppierungen, die uns schaden wollen. Gemeingefährliche Menschen. Ihr müsst vorsichtig sein. Wo wolltet ihr denn hin?«

      »München. Wir wohnten dort in der Nähe«, antwortete Elmar.

      Heinzmann schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Der Süden ist seit dem Unfall im Chemiewerk verseucht. Wer dort Pflanzen anbaut, isst pures Gift. Wenn überhaupt was wächst.«

      Geschockt sah Klaas zu den drein. »Aber wo sollen wir denn hin? Wir haben doch nichts, wo wir uns niederlassen können«, wimmerte er weinerlich und rieb sich verzweifelt die Stirn.

      Heinzmann sah zu den Kameraden, die hinter den Neuankömmlingen standen.

      »Wir könnten euch Unterschlupf gewähren, wenn ihr das wünscht. Neben meiner Streitmacht leben auch Familien hier. Vorausgesetzt ihr bringt euch ein und helft, wo dies nötig ist.« Er musterte die vier mit achtsamem Blick.

      »Das werden wir tun!«, rief Ivy erleichtert. »Wir können anpacken, wo immer Sie unsere Hilfe brauchen. Hauptsache wir können endlich eine Nacht ruhig schlafen und müssen keine Insekten oder Löwenzahn essen. Es ist verdammt hart dort draußen.«

      Heinzmann schmunzelte amüsiert. »Kommandant Schrader«, rief er und ein uniformierter Mann trat salutierend aus der Gruppe heraus. »… sorge dafür, dass unsere Neuankömmlinge eine Stube und neue Kleidung bekommen. Mir war so, als gäbe es eine Wohnung im Block 2, die über Wasser verfügt.«

      Kommandant Schrader salutierte erneut. »Jawohl, Herr Vizeadmiral.«

      Heinzmann erhob sich aus dem Stuhl, legte erneut die Hände auf den Rücken und stolzierte wie ein erhabener Gockel zu den Überlebenden. Er lächelte die vier freundlich an. »Man wird euch eine Stiege mit eingewecktem Obst, Reis und Brot bringen. Vielleicht haben wir noch etwas Rotwurst im Glas. Ihr solltet euch stärken. Aber vor allem solltet ihr aus diesen stinkenden Sachen raus. Es ist recht unangenehm, in eurer Gegenwart zu sein. Nehmt es mir nicht übel. Aber ich erwarte von den Menschen, die in Brachburg wohnen, ein gewisses gepflegtes Äußeres. Ich werde euch in einer Stunde am Block 2 in Empfang nehmen. Ihr solltet das Gelände kennenlernen, wo ihr leben werdet. Schafft ihr das in dieser Zeit?«

      Verwundert sahen sich die vier an und nickten einstimmig.

      Heinzmann nickte. »Gut. Unpünktlichkeit mag ich nicht. Und es wird bald dunkel. Kommandant Schrader, bring unsere Gäste zur Stube. Und vergesst nicht, Ihnen die Kleidung zu bringen.«

      Erneut salutierte der Kommandant und führte die Gruppe nach draußen.

      *

      Sie liefen auf den Gehweg, dessen Platten zum Teil gebrochen waren, zum Block 2. Das Gras davor stand meterhoch. Die Farbe der einfachverglasten Fenster blätterte ab. Ein typischer Plattenbau aus Ostzeiten.

      Sie sahen Kinder, die auf den Straßen miteinander spielten. Sie schossen