Lethal Vacation. Josephine Lessmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josephine Lessmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753132990
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und verschränkte die Arme vor der Brust.

      Elmar und Klaas nickten ihr zustimmend zu.

      »Die Gefangenen bekommen nicht das gleiche Essen wie die Kommandeure«, rief Nell dazwischen und zog die Aufmerksamkeit auf sich. »Das Essen für sie wird rationiert. Sie müssen selbst für sich sorgen. Vergammeltes, schlechtes Essen ist das einzige, was ihnen zur Verfügung gestellt wird. Viele sind deshalb unterernährt und dadurch krank.«

      Nachdenklich sahen die Teilnehmer auf die Gefangene, die aufgeregt auf dem Stuhl hin und her rutschte.

      Erbost sprang Ivy vom Stuhl hoch, lief zu der Jägerin und drehte sie sich um. »Wir werden nicht eure Marionetten sein. Das ist nicht fair!«

      Verwundert runzelte Ellen die Stirn. »Nicht fair?« Mit verdattertem Blick musterte sie die Überlebende und führte Ivy ein paar Schritte zurück zur Tafel. »Findest du es etwa fair, was in Stocksen passiert ist? Findest du es fair, das tausende Leute umgebracht, gehängt oder bei lebendigem Leib verbrannt wurden? Als hätten sie es verdient?«

      Ivy schüttelte selbstbewusst den Kopf. »Niemand hat verdient, was ihnen zu gestoßen ist. Aber die einzigen, die bezahlen müssten, sind Leute wie sie und keine Unschuldigen.« Ivy zeigte mit dem Finger auf die Ratsmitglieder. »Die Anführer waren es, die die Leute aussortiert und in den Tod geschickt haben. Nicht wir!«

      Ein empörtes Raunen war im Zimmer zu hören.

      Ruckartig stand der kahlköpfige Mann auf. Er musterte Ivy mit finsterem Blick. »Du bewegst dich auf verdammt dünnem Eis, Mädchen.«

      Erneut schüttelte sie den Kopf. »Ich sage nur die Wahrheit.«

      »Du weißt einen Scheiß! Du warst nicht dabei, als die Zentren angezündet wurden!«, schrie er aufgebracht.

      Sabine zog den Kahlkopf auf seinem Platz zurück.

      »Das ist richtig. Ich war nicht dabei. Aber die Anführer haben die Leute rausgeschmissen und den Infizierten zum Fraß vorgeworfen. Dabei wollten sie nur Sicherheit. Darum geht es: ums Überleben! Hättet ihr sie aufgenommen wie alle anderen auch, stündet ihr nicht an dieser Stelle. Um in Sicherheit zu sein, hätten sich viele bereitwillig geändert«, erwiderte Ivy aufgebracht und sah zu ihren Leuten und den Hoods.

      Cornelia sah beeindruckt zu ihr und nickte leicht.

      Ellen stellte sich mit mahnendem Blick vor Ivy. »Sie haben damals diese Leute rausgeworfen, weil sie dachten, dass es richtig sei«, sprach sie bedachtsam. »Niemand hat damit gerechnet, dass es solche Auswirkungen haben könnte.«

      »Menschen werden zu Mördern, wenn ihr Liebstes in Gefahr ist«, zischte Ivy ihr entgegen. »Ich weiß, wie es sich anfühlt, diese Gefahr zu spüren. Du kannst den Drang nicht stoppen. Du musst handeln.«

      Ellen musterte ihre Augen und lächelte provokant. »Dann hilf uns. Geh mit deinen Leuten da rein und erledige die Sache. Es würde nicht lange dauern.«

      Ivy dachte einen Moment nach. Sie schaute zu Mac, Elmar und Klaas. Ihre Augen wanderten zu Cornelia, Falk und Mikey, der langsam und besorgt den Kopf schüttelte. Sie spürte die erwartungsvollen Blicke seitens Gunnar.

      »Falls du je deine Kinder wiederfinden solltest, willst du sie doch in Sicherheit aufwachsen sehen, oder?«, fragte Ellen nach einer Weile. Doch Ivy schluckte ihre Worte reaktionslos runter. »Ob du es wahrhaben willst oder nicht … Es ist auch deine Welt. Und irgendwann werden sie auch deine Kolonie angreifen und Menschen töten. Wir haben nur diese eine Chance.«

      Ivy drehte sich zu Ellen um, sah sie verletzt und wütend zugleich an. Sie atmete tief ein und aus. »Das ist nicht mein Krieg. Das ist eurer. Ich bin wieder zurückgekommen, um meine Familie zu finden. Nicht, um Krieg zu führen.«

      Ellen starrte ihr in die Augen. Ivys Blick war selbstsicher. Sie wusste, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde. Seufzend schaute Ellen Linus an und zwinkerte ihm zu. Mit schnellen Schritten lief der junge Mann durch den Raum und warf Elmar und Klaas einen kurzen Blick zu.

      Die Jägerin wandte sich an Ivy und suchte nach den passenden Worten. »Was könnte deine Meinung ändern?«

      »Nichts. Wir haben genug gekämpft. Wir wollen zur Ruhe kommen«, erwiderte Ivy beharrlich. »Ich will meine Leute nicht weiter gefährden.«

      Beide Frauen starrten sich wie Rivalinnen an. Sie musterten sich gegenseitig und Ivy bekam nicht mit, dass Linus wieder zurück zu Nell ging.

      »Mama?«

      Alle Beteiligten schauten verwundert zur Eingangstür des Raumes.

      Langsam, fast in Zeitlupe drehte sich Ivy ungläubig dreinblickend um. Tränen stiegen abrupt in ihre Augen. Ihre Beine gaben nach und sie sackte in sich zusammen. Zweifelnd starrte sie zur Tür. Der Anblick raubte ihr den Atem.

      Vor der Tür stand ein kleiner dürrer Junge mit kurzen dunkelblonden Haaren. Nervös fummelte er an seinen Händen herum. Er stierte Ivy schluchzend an. »Mama ...«

      Ivy brach in Tränen aus. »Konrad!«

      Der Junge rannte sofort auf sie los und fiel in ihre Arme. Ivy krallte sich in den abgemagerten Körper fest. Sie spürte jeden einzelnen Knochen. Sie sah ungläubig in sein Gesicht, strich behutsam über seine feuchte Wange und wischte geistesabwesend unter seiner Nase entlang. Seine Haare fühlten sich stumpf und ungepflegt an.

      »Meine Mami«, schluchzte Konrad überglücklich und umarmte sie, so fest er konnte.

      »Mein kleiner Junge … mein Baby«, flüsterte sie und küsste immer wieder sein Gesicht. Perplex drehte sie sich, ihren Sohn an sich gepresst, zu Ellen, die sich neben sie gehockt hatte. Sie fand keine Worte, für das, was gerade in ihr vor ging. Sie sah zu den anderen, denen ebenso Freudentränen wie Fassungslosigkeit im Gesicht standen. Ivy versuchte zu sprechen, bewegte ihre Lippen, doch sie bekam keinen Ton raus.

      Behutsam strich Ellen ihr über den Rücken. Sie selbst hatte Tränen in den Augen. »Geht. Ihr habt euch viel zu erzählen.« Ellen stand auf und zitierte Linus zu sich. Er half Ivy beim Aufstehen, die ihren Jungen nicht loslassen konnte.

      Verwirrt sah Ivy zu ihren Männern und den Hoods. Sie nickten ihr nur zu und sie verließ mit Konrad auf dem Arm den Raum.

      Als die Tür ins Schloss fiel, hielten alle einen Moment inne.

      Cornelia schniefte gerührt und tupfte sich mit einem Tuch über die Wange.

      Ellen seufzte ebenso schwer und wischte unter ihren Augen entlang. »Ich würde vorschlagen, dass wir unsere Entscheidung auf morgen vertagen. Die Gefühle schlagen hier echt um sich«, sprach sie mit belegter Stimme und winkte Nell zu sich.

      Die Gefangene stand auf und folgte Ellen nach draußen. Sie warf Mac einen kurzen Blick zu und lächelte verhalten. Doch erwidern konnte er es im Moment nicht.

      Die Ratsmitglieder und die Hoods verließen ohne ein weiteres Wort zu sagen das Zimmer.

      ***

      

      Kapitel 2

      Illmers

      Gästehaus, Balkon

      11.März 2015, 23:30 Uhr

      Ellen saß zugedeckt auf dem überdachten Balkon und lauschte der Nacht. Sie nippte ab und zu an ihrer Tasse und rauchte eine Zigarette.

      »So spät nach wach?«, fragte Ivy, die auf die Terrasse trat und sich gegen die Brüstung lehnte. Sie schaute auf die wenig beleuchtete Straße.

      »Jap … Warum bist du munter? Wo ist dein Sohn?«, erwiderte Ellen mit aufmerksamem Blick.

      »Konrad schläft. Er war so aufgeregt, dass er Nasenbluten bekam. Wir haben über einiges gesprochen, aber …« Ivy rieb sich seufzend die Stirn und setzte sich auf den Stuhl neben Ellen. »Wir müssen vieles aufarbeiten.«

      Die Jägerin beobachtete die Überlebende, die sichtlich mitgenommen