Lethal Vacation. Josephine Lessmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josephine Lessmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753132990
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hattest du das letzte Mal zu ihnen Kontakt?«

      »Am Tag, als wir losfuhren. Seitdem nicht mehr.«

      »Also gehen sie davon aus, dass du tot bist?«

      Nell schüttelte den Kopf. »Wenn die Mission erfüllt ist und man noch lebt, ist man verpflichtet, in die Geisterstadt zu gehen. So nennt ihr doch diesen Ort, stimmts?«

      »Stimmt. Wir nennen sie Geister. Wir suchen schon eine Weile nach dieser Stadt, nachdem wir einen von euch gefangen nehmen konnten und die Informationen bekamen. Wie viele Schläfer gibt es in den anderen Kolonien?«

      Nell zuckte ahnungslos mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wer zu den Schläfern gehört. Aber die Obrigkeiten in der Geisterstadt wissen alles über euch. Jedes kleinste Detail. Und sie wissen, dass ich den Anschlag überlebt habe, denn ich bin eure Gefangene. Die ganzen Kolonien wissen es. Also sie auch. Es wird nicht mehr lange dauern und sie wecken die Schläfer.«

      Beunruhigte Blicke gingen durch die Zuschauer.

      Ellen nickte und sah die Ratsmitglieder an. »Das sind die Fragen, die für euch relevant sind.« Laut vor sich hin prustend setzte sie sich wieder auf ihren Stuhl und sah erwartungsvoll in die Runde.

      Die Ratsmitglieder blätterten in den Aufzeichnungen umher und sahen stumm einander an. Schwere Seufzer waren zu hören. Die stämmige Frau rieb sich betroffen die Stirn entlang. Die Männer hielten inne, einer von ihnen kraulte nachdenklich seinen Bart.

      »Das sind beklemmende Details … Wir … ähm«, stammelte der Glatzkopf. »Wir beraten uns kurz.«

      Der Rat, bestehend aus fünf Mitgliedern, erhob sich von den Stühlen und verließ die Räumlichkeit.

      Die Hoods und Ivys Gruppe schwiegen sich an.

      Ellen zündete sich eine Zigarette an und pustete den Rauch in die Luft. Grüblerisch strich sie über ihre Stirn.

      Falk steckte sich ebenfalls einen Glimmstängel an und griff liebevoll die Hand seiner Freundin.

      Die Zeit, bis der Rat, wiederkam, war erdrückend.

      Mac beobachtete Nell, die bekümmert auf dem Podest saß. Sein Atem war schwer. Am liebsten wäre er zu ihr gegangen, aber etwas hinderte ihn daran. Er war sich nicht sicher, ob es Enttäuschung oder Traurigkeit war, die ihn zurückhielt. Er zog aus seiner Jackentasche den Brief, den sie ihm geschrieben hatte.

      Mac

      Ich weiß, dass dieser Brief keine Entschuldigung für das ist, was ich getan habe. Aber ich wollte dir erklären, warum ich es tun musste. Ich gehöre einer Gruppe an, die für zahlreiche Anschläge und Morde verantwortlich ist. Wir machen es nicht aus Hass. Wir machen es aus Angst um unsere Familien. Sie leben in Gefangenschaft. Wenn wir die Aufgaben nicht erfüllen, töten sie unsere Angehörigen. Niemand kann das zulassen. Du würdest es nicht tun. Aber die Zeit bei euch hat mir gezeigt, dass es anders geht. Du hast mir vor Augen geführt, dass ich ein Mensch bin. Du hast mich wieder erkennen lassen, was Liebe ist. Ich bekam den Befehl, die Trucks zu sprengen. Ich wollte nie, dass jemand zu Schaden kommt. Ich wollte nie, dass jemand stirbt. Ich hoffe nur, dass du mir irgendwann verzeihen kannst. Ich würde es dir nicht übelnehmen, wenn du mich abweist. Aber du sollst wissen, dass ich Gefühle für dich habe und du mir etwas bedeutest. Auch wenn es nur eine kurze Zeit mit uns war. Du hast mir mit deiner liebevollen und respektvollen Art mehr gegeben, als irgendjemand zu vor. Ich werde dir das nie vergessen. Nell.

      Merklich gerührt faltete er den Brief zusammen und sah zu der Gefangenen, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Sie hatte, ebenso wie er, Tränen in den Augen.

      *

      Die Tür des Beratungsraumes ging nach über einer Stunde auf und der Rat trat geschlossen in den Konferenzraum ein. Sie nahmen Platz und schwiegen sich einen Moment an.

      Die ältere Dame erhob sich von ihrem Stuhl und hielt einen Notizzettel vor ihrer voluminösen Oberweite. »Der Rat hat sich besprochen. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass dies eine Aneinanderreihung von mehreren Tragödien ist. Wir haben schon zu lange zugesehen und nichts getan. Der Angeklagten wird Mord, fahrlässige Tötung und die Mittäterschaft eines Terroranschlags vorgeworfen. Dennoch haben wir uns gegen die Todesstrafe entschieden.«

      »Wie bitte?!«, echauffierte sich Gunnar fassungslos und sprang von seinem Stuhl auf. „Sabine, wollt ihr uns verarschen!? Sie ist eine Mörderin!“

      Sabine seufzte kopfschüttelnd. »In der Zusammenarbeit mit Ellen finden wir, dass Nell kooperativ ist. Vorausgesetzt sie gibt uns die Auskünfte, die wir brauchen, um die Geister ein für alle Mal zu erledigen.«

      Argwöhnisch schaute Nell den Rat an. »Wie meinen Sie das genau?«

      Der kahlköpfige Mann erhob sich von seinem Stuhl. »Wir wollen alle Informationen bezüglich des Standortes, der Verteidigung und des Aufbaus. Wir werden die anderen Kolonien in Kenntnis setzen, dass wir endlich den langersehnten Gegenschlag ausführen können. Wir werden unsere Armee dort hinschicken, um es für immer zu beenden.«

      Aufgebracht und verängstigt zugleich schaute Nell die Ratsmitglieder an. »Aber das könnt ihr nicht tun! Dort leben die Gefangenen in Ghettos. Sie werden sterben, wenn ihr angreift!« Verzweifelt musterte sie jeden einzelnen von den Verantwortlichen. »Bitte, mein Bruder und meine Eltern sind dort. Es leben in diesen Baracken viele Kranke und schwache Leute, die sich nicht wehren können.«

      Angespannt sahen die Hoods und Ivys Gruppe zu den Anführern. Sie spürten, dass die Lage prekär für sie war.

      Grübelnd tippelte Ellen mit den Fingern auf der Tischplatte herum, erhob sich und schritt zu den Ratsmitgliedern vor. »Ich hätte eine andere Idee, wie wir es ohne großes Blutvergießen beenden könnten.«

      »Ach ja? Dann lass mal hören«, forderte der kahlköpfige Mann mit den Narben im Gesicht und setzte sich wieder hin.

      Ihre Worte im Kopf sammelnd, lief Ellen im Raum auf und ab. Ihr Blick schweifte zu den Hoods und Ivys Gruppe. Für einen Moment kniff sie die Augen zusammen und drehte sich den Anführern zu. »Es werden zu viele Unschuldige sterben, wenn wir die Armee schicken. Das würde für die Schläfer ein weiterer Grund werden, anzugreifen.«

      Der Kahlkopf rieb sich zweifelnd die Stirn. »Mit Verlusten ist zu rechnen. Es sind zu viele Menschen bei diesen Anschlägen ums Leben gekommen. Wenn wir jetzt zögern, verlieren wir die-«

      »Wir tun es ihnen gleich«, unterbrach die Jägerin patzig seine Ansprache. »Nell sagte uns, dass die Kommandeure alles über uns wissen: welche Hobbys wir haben … wie wir aussehen, was unsere Jobs sind ... Die Einzigen, die sie nicht kennen, sind diese vier.« Sie zeigte auf Ivy und ihre Männer.

      Verblüfft schauten sie sich an.

      »Wir?«, stutzte Klaas. »Was haben wir damit zu tun?«

      Lächelnd schritt Ellen auf die kleine Gruppe zu. »Ihr seid die Einzigen, von denen sie keine Informationen haben. Für die seid ihr nicht existent. Die Zeit war zu kurz, um Berichte über euch zu sammeln, auch wenn ihr in Stocksen, Pearl und Gonna wart. Ihr schleust euch ein und erledigt die Kommandeure und ihre Handlanger von innen heraus. So, wie die Schläfer es machen. Wie ein Virus.«

      Verwundert schauten sie sich an.

      »Und wie stellst du dir das vor?«, hakte Mac verwirrt nach.

      Die Jägerin stolzierte vor der langen Tafel umher, als würde sie vor einem Publikum stehen. Elegant wehte ihr Gehrock bei jeder Bewegung mit, als würde sie einen Tanz vorführen. »Als Überlebende habt ihr einen langen Weg über Osteuropa zurückgelegt, um nach Hause zu kommen. Das ist im Grunde genommen noch nicht mal gelogen. Auf eurem Weg habt ihr den Amerikaner getroffen und mitgenommen. Nun steht ihr vor den Toren und sucht Schutz«, erzählte Ellen überzeugend und brachte den Rat zum Nachdenken. »Ihr erschleicht euch das Vertrauen der Kommandeure und schlagt dann zu. Ihr werdet sie vergiften.«

      »Wie bitte? Wir vergiften sie?«, staunte Elmar.

      Ellen nickte. »Mit Zyankali. Es tötet