Tödliche Geschwister. Jo Caminos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Caminos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738076936
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Sie ist etwas - sagen wir mal eigen. Ich lasse an der Rezeption nach dir ausrufen, wenn ich da bin, ja?“

      „Okay, bis später dann!“, konnte Tobey noch sagen, da hatte Charlene bereits aufgelegt. Offensichtlich drängte es mal wieder. Das tat es bei Bühnenproben immer.

      So, Junge. Was machst du jetzt den lieben langen Tag? Er sah zum Fenster raus, hin zu dem satten Grün des Wellness-Bereichs, der inmitten der Mojave wie ein Fremdkörper wirkte. Tobey wollte gar nicht wissen, was die künstliche Bewässerung der Parkanlage täglich kostete. Der Pool! Ja, genau das würde er sich gönnen, einen verschlafenen Nachmittag am Pool. Vielleicht würde er später auch noch Achterbahn fahren. Das passte zwar nicht wirklich in sein Budget, aber wenn er schon einmal hier war.

      Er konnte nicht wissen, welche Achterbahnfahrt ihm bevorstand, später …

      11. Kapitel

      

      „Möchten Sie noch etwas zu trinken?“, fragte der Barkeeper.

      Dan Miller war in Gedanken gewesen. Barbra hatte sich zur Toilette begeben. Ihr war noch immer übel, wenn auch nicht mehr gar so schlimm. Nein, sagte er sich, mit der Weiterfahrt würde es heute nichts mehr werden. Aber was soll´s.

      „Bitte noch ein Bitter Lemon - aber diesmal etwas weniger Eis“, sagte er zu dem Barkeeper, der ihm kurz darauf das Getränk brachte und sich gleich wieder entfernte. Der Mann wirkte etwas mürrisch. Sein Blick sprach Bände.

      Dan schüttelte desinteressiert den Kopf. Was interessierte ihn der Barkeeper? Er ließ den Blick über die Szenerie schweifen. Die Bar war nur spärlich besetzt, was allerdings nicht verwunderte, immerhin war es noch früh am Abend. Er musste grinsen, als er an ihren damaligen Aufenthalt im Resort dachte - insbesondere an die Achterbahnfahrt, nach der Bob und Jack speiübel gewesen war. Ja, das waren schöne Zeiten gewesen, doch leider waren sie vorbei. Bob war ein Jahr später gestorben - und Jack und Belinda waren an die Ostküste gezogen. Das berufliche Angebot, das Jack von einem etablierten Bankhaus in New York bekommen hatte, war zu gut gewesen, um es ablehnen zu können.

      „Na, Fremder, so in Gedanken …?“

      Dan zuckte zusammen. Barbra ließ sich auf den benachbarten Barhocker gleiten und lächelte ihm zu. Er strich ihr sanft über die Wange. „Du siehst wieder besser aus, Schatz.“

      Sie nickte. „Mir geht es auch wieder besser. Irgendwie ist es mir nicht nach Autofahren. In meinem Magen rumort es noch ein wenig - und ich muss dir ja nicht sagen, wie ungern ich im Dunkeln im Auto unterwegs bin. Ich bin froh, dass wir über Nacht hierbleiben …“

      Dan lächelte verstehend. Barbra litt unter Nachtblindheit. Wenn sie in der Dämmerung oder nachts neben einem im Auto saß, konnte sie sehr enervierend sein.

      Barbra legte ihm die Hand auf den Arm. „Du musst doch hungrig sein, Dan. Gehen wir was essen?“

      „Kannst du denn Essen riechen - bei deiner Übelkeit? Ich bin noch nicht so hungrig. Später vielleicht …“

      „Mach dir keine Gedanken. Mir geht es schon wieder sehr viel besser. Aber du musst etwas essen! Wir können uns ja einen Platz auf der Terrasse geben lassen oder im Steakhouse. Der Sternenhimmel über der Wüste ist fantastisch. Sollen wir nachher ein bisschen Spazierengehen? Die Grünanlage des neuen Resorts ist herrlich. Man glaubt kaum, dass man in der Wüste ist.“

      Oh Barbra, immer musst du einen bemuttern, dachte Dan, doch er sagte nichts. Er wollte keinen Ärger provozieren. Seine Frau reagierte meist sehr ungehalten, wenn man ihr Gluckenverhalten unterstellte. „Okay“, sagte er nach einem Moment. Er trank schnell seinen Bitter Lemon leer, der diesmal zu wenig Eis enthalten hatte, und stellte das Glas auf den Tresen zurück.

      „Sei großzügig mit dem Trinkgeld, der Barkeeper hat etwas böse geguckt“, kicherte Barbra.

      Dan warf dem Mann, der gelangweilt ein Glas trocken rieb, einen schnellen Blick zu, lächelte dann aber.

      „Er wird keinen Grund zur Klage haben“, meinte er und zog Barbra vom Barhocker. Kurze Zeit später schlenderten sie auf Charley´s Steakhouse zu. Ein gutes Steak ist genau das, was ich jetzt gebrauchen kann, sagte sich Dan. Wohl oder übel musste er Barbra recht geben: Er hatte Hunger - und das nicht wenig.

      Als sie durch den Korridor traten, erfasste sie ein eisiger Hauch aus der Klimaanlage. Barbra fröstelte etwas, doch sie hätte gezittert, wenn sie den Blick der Frau gesehen hätte, die ihr und Dan einen mehr als mörderischen Blick zugeworfen hatte …

      12. Kapitel

      

      Nach dem Sonnenbad am Pool waren Eugene und Sheila in Charley´s Steakhouse gegangen, um sich dort zu stärken. Das Mexican Steak galt als Spezialität des Hauses. Eugene konnte nur den Kopf schütteln, als Sheila in Rekordzeit ein Riesensteak verschlang. Das konnte man wirklich nicht mehr essen nennen. Sie fraß wirklich wie ein Scheunendrescher. Einige der Gäste hatten indigniert den Kopf geschüttelt, andere angewidert weggesehen.

      „Schling nicht so“, hatte Eugene ihr zugeflüstert, doch Sheila hatte nicht hören wollen. Mehrmals war ihr ein lautstarker Rülpser entwichen. Ein vorbeigehender Kellner hatte etwas gequält gelächelt, aber nichts gesagt. Doch der Blick des Mannes hatte Bände gesprochen. Eugene konnte es ihm nicht verdenken. Sheilas Erscheinung war widerlich. Sie schnaufte und stopfte das Essen in sich rein, als wäre eine Fressmaschine am Werk. Ihr Top war bekleckert, die Finger fettig. „Das war nötig!“, stieß sie schließlich hervor, wobei ihr ein weiterer Rülpser entwich. Sie lehnte sich ächzend gegen die Stuhllehne und kratzte sich am Po. Eugene hatte die Augen verdreht. „Das war unglaublich lecker.“ Sheila roch am Finger, mit dem sie sich kurz zuvor am Hintern gekratzt hatte. Sie verzog angewidert das Gesicht. Eugene sah zu einem der Livrierten, der Gäste an einem der anderen Tische bediente, und leicht die Brauen hob. Tischmanieren schienen ein Fremdwort für Sheila zu sein. Wenigstens hatte sie keinen Nachtisch gewollt.

      Sie hatten das Steakhouse gerade verlassen und wollten auf ihr Zimmer gehen, als Sheila ruckartig stehenblieb. Ihre Augen schienen zu glühen.

      „Mutter!“, zischte sie.

      Eine hochgewachsene Frau mit kurz geschnittenem blondem Haar war zusammen mit einem Mann an ihnen vorbeigegangen. Die beiden näherten sich dem Eingang zum Steakhouse, wo sie von den beiden Livrierten begrüßt wurden.

      „Was regst du dich so auf?“, flüsterte Eugene, der keine Aufmerksamkeit erregen wollte. Nach dem Duschen hatte er sich die Haare zurückgekämmt und mit sehr viel Haargel fixiert, was sein Aussehen stark veränderte. Er besaß eine fliehende Stirn, die jetzt noch stärker hervortrat und ihn unattraktiv erscheinen ließ. Glücklicherweise hatte er sich den Schnauzer schon vor einer Weile abrasiert. Der Mann, dessen Foto im Fernsehen zu sehen war, hatte nicht viel Ähnlichkeit mit dem Eugene, der sich hier im Primm Desert Experience Resort aufhielt, trotzdem wollte er vorsichtig sein; auch, wenn er den Kick genoss - das Spiel mit dem Feuer.

      „Die Frau, die eben am Arm des Mannes ins Steakhouse ging, sah aus wie meine Mutter. Eugene, kann das sein, kann das …“ Sheila stammelte. Sie wirkte fassungslos.

      Eugene packte sie bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen. „Bleib ruhig, Sheila! Verliere jetzt nicht die Nerven! Deine Mutter ist tot! Das hast du selbst gesagt!“

      Sheila atmete tief durch. Sie ließ Eugene einfach stehen und ging zurück zum Eingang des Steakhouse. Die beiden Livrierten neben der Tür warfen ihr einen merkwürdigen Blick zu, als dächten sie: Ist das fette Weib noch immer nicht satt? Sheila beachtete die beiden nicht, die sie angesprochen hatten und fragten, ob sie ihr helfen könnten. Sie blieb neben der Tür stehen und spähte ins Innere. Eugene, der neben sie getreten war, bemerkte, dass sie zitterte. Schweißperlen waren auf ihrer Stirn erschienen. Ihre Augen glänzten fiebrig.

      „Lass das, Sheila!“, flüsterte ihr Eugene ins Ohr. Er wollte sie


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