Die Schwarze Biene. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738058345
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Spur entdecken. Seine Entscheidung stand fest, er würde die Kollegen in Brest informieren. Auch wenn er den Fall zu gerne sofort bearbeitet hätte, aber er war hier nicht zuständig.

      Ewen nahm sein Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer seines Kollegen, Gilles Roudaut. Er war froh, dass er auch auf seinem privaten Handy einige wichtige Telefonnummern aus dem dienstlichen Bereich gespeichert hatte. Es dauerte ein wenig, dann meldete sich sein Kollege.

      „Roudaut!“

      „Hallo Gilles, Ewen hier.“

      „Ewen, schön deine Stimme zu hören. Wie läuft es in Quimper?“

      „Kann ich im Moment nicht sagen, ich halte mich auf der Île d´Ouessant auf. Ich denke, dass du herkommen solltest.“

      „Auf die Insel? Was soll ich dort?“

      „Ich bin heute Morgen mit der Fähre angekommen. Carla und ich wollen hier ein paar Tage Urlaub verbringen. Auf dem Schiff ist ein junges Ehepaar gewesen, das seine Flitterwochen auf der Insel verbringen will. Vor etwa einer Stunde ist uns der Ehemann begegnet und hat um Hilfe gebeten, seine Frau sei bei einem Spaziergang abgestürzt. An der von ihm genannten Unfallstelle sind aber keinerlei Spuren festzustellen gewesen, die auf einen Absturz hingewiesen hätten. Ich habe die Klippen, auf einer Länge von etwa 300 Metern, abgesucht aber rein gar nichts gefunden, was auf das Unglück hinweisen könnte. Ich bin mir unschlüssig, ob es sich hier um ein Verbrechen handelt oder um einen Unfall. Da du zuständig bist, wollte ich dich informieren.“

      „Besten Dank, Ewen, ich hätte ansonsten nicht gewusst, wie ich meinen Tag verbringen könnte.“ Gilles lachte herzlich.

      „Ich bin in einer Stunde bei dir. Ich lasse mir sofort einen Hubschrauber kommen. Kannst du mir sagen, wo genau sich die Stelle befindet, an der die Frau abgestürzt sein soll?“

      „Das ist nur einige 100 Meter von dem Leuchtturm Phare du Creac’h entfernt. Ich werde jetzt mit meiner Frau unseren Spaziergang fortsetzen, komme aber dann zurück zu der vermeintlichen Absturzstelle. Wir können uns später noch einmal kurzschließen.“

      „Danke mein Freund, bis später.“

      Ewen legte auf und suchte Carla, die in der Zwischenzeit einige Schritte weitergegangen war. Ewen ging auf sie zu, nahm ihre Hand und sie setzten den begonnenen Spaziergang fort.

      „Hast du Probleme entdeckt?“ Carla sah ihn fragend an.

      „Ach, keine Probleme die mich betreffen, ich habe bereits mit Gilles in Brest telefoniert. Er wird gleich mit dem Hubschrauber herkommen. Es gibt ein paar Ungereimtheiten.“

      „Welche Ungereimtheiten?“

      „Der junge Le Goff hat gesagt, dass seine Frau Marie abgestürzt ist. Aber an der genannten Stelle finden sich keinerlei Spuren, die auf einen Absturz hindeuten. Auch an dem Strauch, an dem sie sich festgehalten haben soll, kann ich rein gar nichts erkennen. Ich bin mir unsicher, ob die Geschichte wirklich so abgelaufen ist. Die Bergungshelfer haben die Seenotrettung alarmiert und die werden gleich die Küste vom Meer aus absuchen. Wenn sie die Leiche von Marie Le Goff finden, muss geklärt werden, wie die Frau ums Leben gekommen ist.“

      „Du glaubst, ihr Mann hat sie ermordet?“

      „Im Augenblick kann ich nichts dazu sagen. Ich bin nur skeptisch. Es gibt für mich keine logische Erklärung, warum er lügen sollte. Wenn seine Frau abgestürzt ist, ohne mit dem Klippenrand in Berührung gekommen zu sein, dann würde niemand daran zweifeln. Wir müssten zwar immer noch ihre Leiche finden, aber über kurz oder lang gibt das Meer sie bestimmt wieder her. Wenn ein Verbrechen vorliegt, dann muss die Polizei dem nachgehen. Der Fall erinnert mich an die Ermordung der vier Vergewaltiger. Du kannst dich bestimmt auch daran erinnern?“

      „Wie sollte ich den Fall je vergessen können, schließlich ist meine Tochter ein Opfer der Vergewaltigung gewesen.“

      „Damals hat alles nach einem Unfall ausgesehen, wenn wir nicht der Möwenspur, wie mein luxemburgischer Freund Henri sie bezeichnet hat, nachgegangen wären.“

      „Nur gut, dass du nichts damit zu tun hast, Ewen, wir machen hier Urlaub.“

      Carla sah Ewen an und bemerkte die Falten auf seiner Stirn. Er dachte angestrengt nach. Es war zwar nicht sein Fall aber dennoch konnte er ihn nicht so einfach vergessen.

      Der Weg führte sie vom Leuchtturm weg. Sie gingen in Richtung der südwestlichen Spitze der Insel. Sie kamen an türkisfarbigen Buchten vorbei, die am Fuße der steilen Granitwände lagen. Die hohen Felsen waren hier oben über und über mit Heidekraut bewachsen und bildeten einen wundervollen Kontrast zu dem darunter liegenden blaugrünen Wasser. Immer wieder stachen Felsen wie spitze Nadeln aus dem Wasser heraus und verliehen der Küste ein bizarres Aussehen. Aus der Entfernung wirkten manche der Felsformationen wie eine Mondlandschaft. Es war eine wunderbare, wilde naturbelassene Küste, die sie in dieser Art bisher nicht gesehen hatten. An der Point du Raz hatten sie auch eine wilde Küste bewundern können aber diese hier übertraf alles bisher Erlebte.

      Der Boden und das Gras auf dem sie spazierten waren herrlich weich, und sie hatten das Gefühl auf einer Schaumstoffmatte zu gehen. Bei jedem Schritt gab der Boden angenehm nach. Es war eine Erholung für die Füße. Mehr als einmal hatte Ewen die Überlegung angestellt, sich einfach auf dieses weiche Gras zu legen, den Blick übers Meer schweifen zu lassen und seinen Träumen nachzugehen. An der Point de Pern angekommen, legte er sich auf das wunderbare weiche Gras und ließ seinen Blick über den mit Heide bewachsenen Boden, die Felsformationen und das Wasser schweifen, bis zum Leuchtturm von Nividic. Carla setzte sich zu ihm, auch sie genoss diesen wunderbaren weichen Untergrund. Auf dem Rückweg kamen sie an der Chapelle Notre-Dame de Bon Voyage vorbei, passierten zwei kleine Windmühlen und kleinere Siedlungen, die man auf dem Festland eher als Ansammlung von einigen Gehöften bezeichnet hätte, und gingen wieder zurück zum Leuchtturm.

      Ewen bat Carla, ihn noch einmal zur Absturzstelle zu begleiten, damit er mit seinem Kollegen aus Brest, der bestimmt schon eingetroffen sein müsste, sprechen könnte. Carla wurde etwas missmutig bei dieser Bitte, sie fühlte, wie der Urlaub zu verschwinden drohte und Ewen in den nächsten Kriminalfall hineinglitt. Als sie sich der angeblichen Absturzstelle näherten, sah er den Hubschrauber auf der Wiese stehen und seinen Kollegen Gilles Roudaut an der Klippe auf und abgehen. Ewen bat Carla um Verständnis und eilte auf den Kollegen zu.

      „Bonjour Gilles!“, sagte Ewen und reichte ihm die Hand.

      „Du bist schneller zurück, als ich dachte!“, meinte Gilles und gab Ewen die Hand.

      „Ich habe mir die Stelle bereits angesehen. Wie du am Telefon schon gesagt hast, es gibt keinerlei Spuren, die auf einen Absturz der Frau hinweisen. Ihr Mann spricht immer von einem Unfall, und dass er seiner Frau nicht hat helfen können und Hilfe geholt hat. Ich bin der Meinung, dass er uns etwas vormacht. Die Frau ist hier nicht abgestürzt. Ich habe vorhin noch mit der Seenotrettung gesprochen. Ihr Rettungsboot und ein Hubschrauber sind dabei, die Küste abzusuchen. Bis jetzt hat die Suchmannschaft keinerlei Spuren entdecken können, geschweige denn eine Leiche gesichtet. Die See ist allerdings ziemlich aufgewühlt, sagt der Pilot, mit dem ich gerade telefoniert habe.“

      „Ich habe mir so etwas schon gedacht“, erwiderte Ewen und schien nachzudenken, dann meinte er:

      „Ihr müsst wohl eine Untersuchung einleiten und Jean Le Goff zum Verhör nach Brest mitnehmen.“

      „So ist es, wir müssen davon ausgehen, dass er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat.“

      Ewen verabschiedete sich von seinem Kollegen, Gilles Roudaut, und ging zu Carla zurück, die etwas angespannt auf ihn wartete. Auf dem weiteren Rückweg erklärte Ewen ihr die aktuelle Situation, und sie diskutierten über das Verschwinden von Marie Le Goff. Er vergaß nicht hinzuzufügen, dass sowohl sein Kollege Roudaut, als auch er erhebliche Zweifel an Jean Le Goffs Schilderung über den Vorfall hatten.

      Kapitel 2

      Marie