Die Schwarze Biene. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738058345
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ausführlich darüber reden.“ Ewen legte auf und sah Carla an.

      „Es ist mir schon klar, dass unser Urlaub jetzt zu Ende ist.“

      „Nein, Carla, auf keinen Fall. Ich werde Paul nur schnell informieren, er hat einige Fragen, weil er gestern erfahren hat, dass auf Marie Le Goff bereits zwei Anschläge verübt worden sind.“

      „Wenn du erst einmal damit anfängst, dann hörst du nicht mehr auf, ich kenne dich Ewen.“

      „Ich werde mich bestimmt zurückhalten. Ich will unseren Urlaub doch auch genießen.“

      Ewen war auch klar, dass Carla Recht hatte. Er liebte und lebte seinen Beruf. Dennoch wollte er Carla den Gefallen tun und einige erholsame Tage mit ihr verbringen. Er würde sich Mühe geben, sich möglichst zurückzuhalten und die Lösung des Falles, seinen Kollegen Gilles Roudaut und Paul Chevrier zu überlassen, wenigstens für einige Tage.

      Ewen und Carla trafen im Hotel ein. Ewen ging in die Bar und bestellt sich ein Glas Rosé. Der Wirt sah ihn etwas befremdlich an.

      „Rosé, Monsieur Ewen? Ich habe keine Flasche kalt gestellt. Im Herbst wird er zu selten verlangt.“

      „Bitte öffnen Sie mir eine Flasche. Ich trinke Rosé sehr gerne, auch im Herbst, und ich verspreche Ihnen, die Flasche in den nächsten Tagen zu leeren.“

      Der Wirt nickte und ging an die Theke. Als Ewens Telefon klingelte, stand das Glas Rosé bereits vor ihm, und er hatte den ersten Schluck genossen.

      „Paul, jetzt habe ich Zeit, mit dir zu sprechen. Was hat es mit diesen Anschlägen und Drohungen auf sich?“

      „Nun, wie ich dir vorhin schon kurz geschildert habe, ist auf Marie Le Goff zweimal ein Anschlag verübt worden, und sie hat eine Morddrohung erhalten. Ihr Mann hat in der Gendarmerie die Nachricht hinterlassen, dass sie für einige Tage auf die Île d´Ouessant fahren würden. Das ist mein Wissensstand. Jetzt würde ich von dir gerne hören, ob es dir möglich ist, mit ihr zu sprechen. Du hast vorhin angedeutet, dass du die Frau kennengelernt hast.“

      „Stimmt, ich habe die beiden Le Goffs auf der Überfahrt nach Ouessant kennengelernt. Wir haben uns am Tisch unter Deck gegenübergesessen, und Carla ist mit der jungen Marie Le Goff ins Gespräch gekommen. Nach der Ankunft in unserem Hotel haben wir einen ersten Spaziergang über die Insel unternommen, das haben die Le Goffs wohl auch gemacht, denn als wir uns dem Leuchtturm, Phare du Creac´h, genähert haben, ist uns Jean Le Goff entgegengerannt gekommen und hat um Hilfe gebeten. Er hat erzählt, dass seine Frau abgestürzt sei, und er ihr nicht helfen konnte. Ich habe den Notruf informiert, und nach wenigen Minuten sind Retter vor Ort gewesen. Doch dann ist die Überraschung gekommen. Sie haben Marie Le Goff nicht finden können.“

      „Ist sie abgestürzt?“

      „Le Goff hat es gesagt, aber bei näherer Betrachtung habe ich festgestellt, dass es keinerlei Spuren eines Absturzes gegeben hat. An der Stelle, die uns der junge Mann gezeigt hat, ist absolut nichts zu sehen gewesen. Auch an dem Ginsterbusch, an dem sie sich festgehalten haben soll, haben wir nichts entdecken können. Keinen abgebrochenen Ast, keine heruntergefallenen Blüten, obwohl der Strauch noch voll davon gewesen ist und auch keine Rutschspuren auf dem feuchten Gras.“

      „Dann deutet wohl alles auf ein Verbrechen hin.“

      Paul war nachdenklich geworden.

      „Meinst du, dass Jean Le Goff seine Frau umgebracht haben könnte und die beiden Anschläge als Tarnmanöver durchgeführt, beziehungsweise organisiert hat?“

      „Schon möglich, aber mir ist sein Verhalten gestern nicht so vorgekommen. Ich glaube nicht, dass er seine Frau ermordet hat. Ich habe eher den Eindruck, dass die beiden uns etwas vorspielen. Als wir heute, auf dem Rückweg von unserer Wanderung, über die südliche Landzunge, an dem Lieu dit Kerandraon, vorbeigekommen sind, habe ich von Weitem den Eindruck gehabt, Marie Le Goff zu sehen. Die Person hat uns bemerkt und ist in einem Haus verschwunden. Ich bin sofort zu dem Haus gegangen und habe mit ihr sprechen wollen. In dem Augenblick, als ich mich der Haustür genähert habe, ist sie von einem älteren Herrn geöffnet worden. Ich habe ihn nach der jungen Frau gefragt, die soeben das Haus betreten hat. Als Antwort habe ich lediglich erhalten, dass nur er mit seiner Frau in dem Haus wohne. Von einer jungen Frau wisse er nichts. Eine Marie Le Goff sei ihm unbekannt.“

      „Du meinst, Marie Le Goff versteckt sich in dem Haus und hat ihren Absturz vorgetäuscht?“

      „Könnte doch gut sein. Wenn die Frau für tot erklärt werden würde, hätte der Schreiber des Drohbriefes sein Ziel erreicht, und Marie würde nicht weiter belästigt werden. Vielleicht haben die beiden sich das so ausgedacht.“

      „Das würde gleichzeitig bedeuten, dass sie ihr Zuhause wechseln müssen. Sie können dann nicht mehr in Melgven wohnen.“

      Pauls Zweifel waren berechtigt. Trotzdem hätte es sich aus seiner Sicht so zugetragen haben können. Er müsste mehr über Marie in Erfahrung bringen.

      „Paul, versuche doch bitte festzustellen, wie Marie Le Goff mit ihrem Mädchennamen heißt, und wo ihre Eltern wohnen. Vielleicht findest du noch weitere Details über ihre Kindheit und das Leben, das sie geführt hat, bevor sie Jean Le Goff geheiratet hat. Es wäre doch möglich, dass wir dort einige Hinweise finden, die uns auf die Spur eines eventuellen Verbrechens führen.“

      „Gut, Ewen, ich werde mich darum kümmern. Ich versuche, dich in den nächsten Tagen erst einmal in Ruhe zu lassen, damit ihr euren Urlaub noch ein wenig genießen könnt.“

      Paul legte auf. Ewen nahm das Glas Rosé in die Hand und nippte daran. Seine Gedanken verweilten bei der verschwundenen Marie. Er hatte nicht bemerkt, dass sich der Wirt dem Tisch genähert hatte.

      „Monsieur Kerber, darf ich Ihnen noch etwas Wein nachgießen?“

      Ewen wurde durch die Frage aus seinen Gedanken gerissen und nickte.

      „Ein Glas nehme ich noch, der Rest ist für morgen.“

      Carla betrat die kleine Bar, als Monsieur Tanguy Kerlann schon wieder hinter seiner Theke stand.

      „Konntest du mit Paul sprechen?“, fragte sie Ewen und setzte sich zu ihm an den Tisch.

      „Ja, es ist alles erledigt, was darf ich dir zum Aperitif bestellen?“

      „Ach, ich möchte im Augenblick nichts trinken“, antwortete Carla und griff nach Ewens Hand.

      „Ich würde gerne ein paar ruhige Tage mit dir verbringen, ohne dass du ständig mit deinen Gedanken bei irgendeinem Kriminalfall weilst.“

      „Ich rufe nur noch einmal den Kollegen in Brest an, dann ist der Fall für mich abgeschlossen. Wenigstens für die nächsten Tage.“

      „Hoffentlich, Ewen!“ Carla hegte keine großen Hoffnungen. Es war ihr inzwischen klar, dass Ewen erst nach seiner Pensionierung wirklich abschalten würde, im besten Fall. Er war mit Leib und Seele Kriminalkommissar.

      Ewen wählte die Nummer von Gilles Roudaut, der sich sofort meldete.

      „Gilles, Ewen hier. Gibt es etwas Neues bei dir?“

      „Hallo Ewen, nicht wirklich, wir haben Jean Le Goff ausführlich verhört. Er bleibt bei seiner Aussage, dass seine Frau Marie abgestürzt ist. Es gibt keinen Beleg für ein Gewaltverbrechen. Wir werden ihn wohl morgen früh wieder auf freien Fuß setzen müssen. Er hat uns gesagt, dass er wieder auf die Insel will, um alleine nach seiner Frau zu suchen.“

      „Gilles, ich habe vorhin ein Gespräch mit meinem Kollegen in Quimper geführt. Paul Chevrier hat mir berichtet, dass gegen Marie zwei Mordanschläge verübt worden sind, und dass sie eine Morddrohung erhalten hat. Dabei ist mir die Idee gekommen, dass Maries Tod vielleicht fingiert worden ist, um dem eventuellen Aggressor ihren Tod vorzugaukeln. Die Idee ist weit hergeholt, das ist mir schon klar, aber sie liegt immerhin im Bereich des Möglichen. Was meinst du dazu?“

      „Hmmm, klingt interessant. Das würde einiges erklären. Ich werde versuchen, Jean Le Goff damit zu konfrontieren. Danke