Blümchenkaffee. Nadja Hummes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadja Hummes
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753170374
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Lenja. Störe ich?“

      „Wie man’s nimmt. Ich tanze gerade.“

      „Aha. Ähem… Wieso?“

      „Hm. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Bewegung, die mit Freude verbunden ist, viel effektiver als solche ist, die unter Stress oder Druck ausgeübt wird. Zum Beispiel weil die Produktion von Nervenzellen positiv beeinflusst wird. Ich meine mich zu erinnern, dass es auch beim Vernetzen von Synapsen eine Rolle spielt. Möglicherweise tanze ich gerade aber auch einfach nur, weil ich Bock darauf habe.“

      „Tanzen…“ seufzt Micha, „Das würde ich auch gerne mal wieder.“

      „Dann mache das doch. Schalte dir Musik ein und leg’ los.“

      „Wahrscheinlich mache ich das sogar. Nachher, wenn wir aufgelegt haben. Ich hoffe, die Clubs öffnen bald wieder. Selbst wenn man hundert Jahre alt wird, ist das Leben viel zu kurz, um ins Sofa zu pupsen.“

      „Insbesondere dann,

       so man stattdessen

       Musik hören

       und tanzen kann.“

      „Das reimt sich… und was sich reimt, ist gut. Oft jedenfalls. Ja, ich weiß. Du hast wirklich Recht. Ich werde mir gleich tatsächlich mal eine Runde abzappeln gönnen. Durch’s Zimmer zu tanzen ist schließlich nicht nur Teenagern vorbehalten.“

      „Quatsch, das darf man mit über Vierzig noch genauso. Sowohl in Zeiten einer Pandemie als auch ohne eine solche.“

      „Stimmt. Leider machen das nur sehr wenige. Du machst das. Das ist einer deiner Vorzüge.“

      „Und was hast du gerade gemacht? Bevor du mich angerufen hast?“

      „Ich habe meine geringe Freizeit damit verbracht, mit dem autodidaktischen Erlernen einer von mir vernachlässigten Programmiersprache zu beginnen. Äußerst trocken.“

      „Aha. Äußerst trocken. Ja, das klingt danach. Warum tust du auch so etwas? Und dann noch in deiner Freizeit. Da gibt es doch Schöneres.“

      „Ja, gibt es. … Ich mache das, weil ich diese Programmiersprache seitens meiner Arbeit demnächst benötigen werde. Zumindest ansatzweise. Wusstest du eigentlich, dass das logische Denken in der linken Gehirnhälfte sitzt?“

      „Ja, da habe ich schon einmal von gehört. Ähem. Gibt es einen besonderen Grund, aus dem du angerufen hast?“

      „Och, ich wollte einfach nur mal auf andere Gedanken kommen. Naja, und… hören, wie es dir geht.“

      „Ah.“

      „Und? Wie geht’s dir?“

      „So lala.“

      „Das ist immerhin besser als ‚äußerst bescheiden’.“

      „Ja.“

      „Gehst du noch täglich spazieren?“

      „Ja.“

      „Hey, das ist prima. Bewegung tut gut! Alles wird angekurbelt: Die Dopaminausschüttung, der Stoffwechsel…“

      „Ja.“

      „Ich wollte dich nur aufmuntern, Lenja.“

      „Weiß ich, Micha. … Danke.“

      „Malst du noch?“

      „Ja.“

      „Sehr gut. Lass das bloß nicht schleifen. Was hast du denn zuletzt gemalt?“

      „Fließenden Sand.“

      „Fließenden Sand?“

      „Ja.“

      „In einer Wüste?“

      „Boah, wie langweilig!“

      „In einer Sanduhr?“

      „Geht es noch einfallsloser?!“

      „Öh… Oder… an einem Meeresstrand?“

      „Micha!!!“

      „Öhm. O.k. Wie malst du fließenden Sand? Also solchen, den du nicht so furchtbar abgedroschen findest?“

      „Sagt dir der Begriff ‚lost place‘ etwas?“

      „Lost place: Verlassener Ort. Oder auch: Verloren gegebener Ort. Bist du jetzt auch so jemand, der sich da herum treibt?“

      „Ach Micha. Du solltest mich besser kennen.“

      „Das hätte mich auch gewundert. Und was hat das jetzt mit dem fließenden Sand zu tun, den du gemalt hast?“

      „Ich habe ja nicht nur den Sand gemalt. Also: Auf dem Bild ist ein riesiges Gebäude. Das ist aber längst verlassen. Lost Place. Steht leer. Ist marode.“

      „Leer stehender maroder Riesenbau. O.k. Klingt interessant.“

      „Ranken wachsen durch die Fenster. Baumsprösslinge brechen durch die Böden. Vögel sitzen auf den Steinen. Alles eingebettet in eine ungestört wild wuchernde grüne Landschaft. Und aus den Fugen rieselt Sand. In ganz vielen kleinen wunderschönen Körnern. Keines gleicht dem anderen. Manche glitzern. Manche wirken unscheinbar. Einige werden vom Wind durch die Gegend geweht. Andere kleben an Laub oder Zweigen und gelangen dadurch irgendwohin. Zum Beispiel, indem einer der Vögel beginnt, Nistmaterial einzusammeln.“

      „Hmmmmm. Ja, so langsam bekomme ich eine ungefähre Vorstellung.“

      „Ein Großteil des Sandes rieselt aber einfach zu Boden, – wo er sich zu einem kleinen Hügel auftürmt. Und dort wiederum befinden sich Ameisen. Die musste ich einfach dazu malen. Die gehören dahin. Die freuen sich über den Sand.“

      „Und sind in einem gesunden Ökosystem nicht ganz unwichtig.“

      „Stimmt auch wieder. Das hatte ich beim Malen gar nicht bedacht. Ich habe einfach gemalt, was sich richtig anfühlte.“

      „Genau so soll es ja auch sein. Und? Wie nennst du das Bild? Oder lässt du es ohne Titel?“

      „Nein. Dieses hat einen Namen.“

      „Nämlich?“

      „‚Ausgleich‘.“

      „Cool!“

      „Danke.“

      „Hast du Valtteri schon ein Foto davon geschickt? Was sagt er denn dazu?“

      „Der weiß noch gar nichts davon. … Und von der anderen Sache auch nicht.“

      „Oh. … Also hast ihm noch immer nicht geschrieben?“

      „Nein. Ich nehme es mir jeden Tag vor, aber…“

      „Ist nicht so schlimm, Lenja. Mache dir da keinen Druck. Valtteri und du, ihr seid so gut miteinander befreundet. Ihr habt so einen Draht zueinander. Er wird es verstehen, wenn er erst weiß, weswegen.“

      „Ich hoffe es.“

      „Na klar. Die kleine Funkstille tut eurer Freundschaft keinen Abbruch. Du meldest dich einfach bei ihm, wenn du soweit bist. Alles andere ergibt sich schon von selbst.“

      „Ja.“

      „Soll ich jetzt lieber auflegen?“

      „Nein.“

      „Soll ich dich noch ein bisschen aufmuntern? Oder ablenken?“

      „Ja bitte.“

      „Öhm. Na super. … Da habe ich mir etwas eingebrockt. … Tjaaa. … Ich weiß im Grunde auch nicht so recht, was ich dir noch erzählen soll. Aber… Du solltest auf jeden Fall weiterhin durch dein Zimmer tanzen. Nicht nur heute. Immer. Ähhh… Also, immer, wenn dir danach ist, meine ich. Und spazieren gehen. Und solche Sachen.“

      „Schwimmen wäre auch mal wieder toll. Wäre ich jetzt in Finnland, würde ich bestimmt