LJ: Ja. Im März.
Cy79: Wie geht es dir denn inzwischen?
LJ: Geht schon. Und selbst?
Cy79: Nicht so toll.
LJ: Was ist denn los? Seid ihr krank?
Cy79: Nö. Jörg ist arbeitslos. Erst hatte er keinen Außendienst mehr, dann hatte er keinen Job mehr. Zehn seiner ehemaligen Kollegen sind noch in Kurzarbeit. Allen anderen wurde inzwischen gekündigt.
LJ: Au. Weia.
Cy79: Ach, irgendwie war diese Entwicklung absehbar. Jörgs Chef hatte schon vor der Pandemie Ambitionen, die Anzahl seiner Arbeitnehmer zu verschlanken, wie man es neudeutsch so schön umschreibt. Einfacher ist unsere Situation deswegen trotzdem nicht. Ich habe meinen Job zwar noch, kann von meinem Einzelgehalt aber nicht abdecken, was wir vorher von zwei Gehältern getragen haben.
LJ: Logisch. Und wie hat Jörg es aufgenommen? Wie geht es ihm?
Cy79: Naja, geht so. Er hat natürlich umgehend Arbeitslosengeld beantragen wollen. Auf dem Amt gab und gibt es aber keine freien Termine mehr. Stattdessen haben sie Wartelisten, die sich auf Grund des Lockdowns angestaut haben. Auf dem Amt sind sie jetzt erst einmal damit beschäftigt, diese Wartelisten Schritt für Schritt abzuarbeiten.
LJ: Die sind wahrscheinlich schlichtweg überlastet.
Cy79: Klar. Dafür haben wir ja auch Verständnis. Unser Leben läuft trotzdem in der Zwischenzeit weiter.
LJ: Ja, das kenne ich. „Januar, Februar, März, April, …
Cy79: … die Jahresuhr steht niemals still“, genau. Also tut eben jeder von uns beiden, was er kann, um unsere Situation zu verbessern. Du hast ja keine Ahnung, wie viele Stunden Jörg nun täglich vor dem Rechner verbringt. Ach was, von wegen täglich. Zähle die Nächte mal getrost dazu. Übrigens soll ich dich von Frank grüßen. Wir sind uns letztens zufällig über den Weg gelaufen. Er ist jetzt auch arbeitslos. Die Gastronomie mit dem Biergarten dran musste dicht machen.
LJ: Nee, oder? Au je. Grüße ihn mal von mir.
Cy79: Mache ich. Er wollte dich auch längst schon angerufen haben, aber er traut sich nicht. Wegen der Geschichte vom März. Er möchte dir gegenüber nicht pietätlos sein. Ich hatte Jörg schon vorgeschlagen, dass wir uns doch wieder einmal mit Frank treffen oder ihn zu uns einladen könnten, aber Jörg will nicht. Meistens surft er auf der Suche nach Stellenangeboten durch das Internet. Jedes Mal, wenn er eine für seinen Fachbereich vakante Stelle entdeckt, schreibt er sofort eine Bewerbung. Egal wie weit der Arbeitsplatz entfernt liegt. So lange es innerhalb von Deutschland ist, zieht er alle passenden Jobangebote in Erwägung.
LJ: Angenommen, er würde weiter entfernt etwas finden. Und dann?
Cy79: Dann würde er sich vor Ort zur Zwischenmiete einquartieren. Möglichst kostengünstig natürlich. Am Besten auf Firmenkosten. Je nachdem, was machbar wäre. Dann würde er seiner Arbeit nachgehen und an den freien Tagen pendeln. Nach Feierabend würde er Stellenangebote durchforsten, die in der Nähe unseres Wohnortes liegen und sich dort bewerben, sobald die Lage wieder etwas überschaubarer geworden ist. Oder ich komme nach, sobald auch ich einen sicheren Job in seinem neuen Wohnort habe.
LJ: Uff. Naja, wahrscheinlich würde euch das Amt dies oder etwas Ähnliches eh abverlangen.
Cy79: Genau dasselbe dachten wir uns auch.
LJ: Nichtsdestoweniger: Hut ab.
Cy79: Danke. Nur leider werden für seinen Arbeitsbereich zur Zeit kaum Leute gesucht. Wie sieht es denn bei dir aus? Kommst du über die Runden?
LJ: So einigermaßen. Es könnte besser sein. Die meiste Zeit halte ich mich mit kurzfristigen Aushilfstätigkeiten über Wasser.
Cy79: Im Bereich Literatur und Kunst wimmelt es nicht gerade von Jobs, was?
LJ: Kann man nicht gerade behaupten. Ist nicht so wild. Ich komme schon durch. Es gibt bestimmt andere, denen es schlechter geht.
Cy79: Das mag wohl sein. Einfach ist es für dich aber auch nicht gerade.
LJ: Ja, im Augenblick ist es noch schwerer als sonst. Aber ich kriege das schon irgendwie hin. Ich achte auf Aushänge in lokalen Supermärkten und Drogerien. Und zwei Mal täglich gucke ich in diversen Internetforen nach Anfragen zu Arbeitsaufträgen.
Cy79: Und dann?
LJ: Mache ich, was so anfällt: Rasen mähen, Unkraut zupfen, Hecke schneiden, Einkäufe erledigen, Gartenzaun anstreichen und vieles mehr. Arbeitsablauf und Entlohnung erfolgen meistens kontaktlos.
Cy79: Wie das denn? Die tätigen doch bestimmt nicht alle eine Überweisung?
LJ: Wo denkst du hin? Nö. Meistens wird die Garage oder das Gartenhäuschen vorher aufgeschlossen. So dass ich die Gerätschaften für die Arbeit herausnehmen kann. Oft steht ein Zink-, Emaille- oder Plastikeimer bereit, den ich benutzen soll. Da liegt dann in der Regel meine Lohntüte drin. Mal ist das Geld auch in das Armaturenbrett eines Traktors oder die Verkleidung eines Anhängers eingeklemmt.
Cy79: Bitte was? Wie kommt man denn auf die Idee, dort Geld einzuklemmen?
LJ: Zum Beispiel dann, wenn das Fahrzeug so eingedreckt ist, dass die Räder nicht mehr drehen oder die Ladefläche unbenutzbar ist.
Cy79: Ach, und du sollst den Karren dann wieder in Ordnung bringen oder was? Wenn der so eingesaut ist, dass der nicht mehr nutzbar ist?
LJ: Japp. In so einem Fall muss der Traktor oder Hänger häufig noch am selben Tag, spätestens jedoch am nächsten Morgen, wieder einsatzbereit sein. Es kommt durchaus vor, dass der Bauer einfach keine Zeit hat, um die Autowäsche selber durchzuführen. Und was eine reguläre Waschstraße betrifft: Selbst wenn die geöffnet wäre, würde manch ein Bauer sie verschmähen.
Cy79: Wieso denn das? Ist doch praktisch: Einfach durchfahren und fertig.
LJ: Weil die nicht nur die Kosten für den Waschgang, sondern auch das Spritgeld für ihre mitunter lange Hin- und Rückfahrt berechnen. Solange ich auch nur zwei Euro günstiger bin, besteht zwischen ihnen und mir eine echte Gesprächsgrundlage.
Cy79: Das ist nicht dein Ernst?
LJ: Doch.
Cy79: Was haben die denn vor der Pandemie gemacht, wenn sie ihre Fahrzeuge sauber kriegen mussten? Wenn die keine Waschstraße benutzen?
LJ: Das weiß ich auch nicht. Vielleicht haben die das dann doch mal selber gemacht. Oder jemanden anderes dafür in Anspruch genommen.
Cy79: Und wenn gerade mal keine Fahrzeuge zu schrubben sind?
LJ: Mache ich halt das, was sich so ergibt. Manchmal ist es auch so, dass ich in einem offenen Kellerraum ein altes Weck-Glas finde, das den vereinbarten Geldbetrag enthält. Meistens direkt dort, wo ich den Großeinkauf zwecks Einlagerung abstellen soll.
Cy79: Wird dort etwa immer noch gehamstert???
LJ: Naja. Die Nachfrage für WC-Papier, Masken, Desinfektionsmittel und Mehl ist mittlerweile ein klein wenig zurückgegangen. Für jegliche Art von Hefe jedoch blüht der Schwarzmarkt konstant.
Cy79: Na, das klingt doch nach einer guten Einkommensquelle!
LJ: Richtig. Leider habe auch ich für Hefe keine anderen Bezugsquellen als die umliegenden Supermärkte, Drogerien und Bäckereien.
Cy79: Das ist natürlich schade. Ein prall gefülltes Hefe-Versteck ist jetzt wahrscheinlich Gold wert.
LJ: So ungefähr, ja.
Cy79: Wir haben, glaube ich, auch keine mehr. Muss ich gleich mal nachgucken. Wenn noch welche da ist, stelle ich die sofort online. Danke für den Tipp.
LJ: Bitte sehr. Viel Glück.
Cy79: Zehn Euro pro Portionsbeutel, was meinst du?
LJ: Connyyyyyy…!!!