Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Kottisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847676713
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Mitteilungsblattes heraus. In diesem internen Blatt konnte jeder seine Einspielungen und Erlebnisse beschreiben. Schon nach wenigen Monaten wurde dieses Blatt in Englisch herausgegeben.

      *

      Es ist schon eine ungeheuere Behauptung, mittels eines Tonbandgerätes beweisen zu können, dass das Leben nach dem Tod weitergeht.

      Und dass es jederzeit jedem vorgespielt werden kann.

      Und dass es keiner besonderen Begabung bedarf.

      Manch einer, der das Leben satt hat, weil er zu viele Schicksalsschläge bekam und meint, immer nur zu den Verlieren zu gehören, könnte in Versuchung geraten, einen Strick oder 50 Tabletten zu nehmen, weil es angeblich „da drüben“ wunderschön ist.

      Und ein anderer könnte mit Ruhe und Gelassenheit seinem Tod entgegensehen bei dem Gedanken, dass sein Leben so weitergeht; zwar in anderer Form und in einer anderen Dimension.

      Aber beide hätten denen, die das alles nicht interessiert, eines voraus: das Gefühl, dem Geheimnis des Lebens auf der Spur zu sein.

      Und deshalb sage ich aus eigener Erfahrung:

      Es ist ein Phänomen, dass sich Verstorbene aus dem Jenseits melden, wenn Lebende daran interessiert sind, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Angefangen hat das alles so:

      Im Jahre 1959 nahm der schwedische Maler, Archäologe und Sänger Friedrich Jürgenson (1903 – 1987) in seinem Garten Vogelstimmen auf ein Tonbandgerät auf. Als er das Band abspielte, hörte er seltsamerweise Stimmen von Verstorbenen. Er begann der Sache nachzugehen und experimentierte fortan mit seinem Tonbandgerät, machte weitere Aufnahmen und stellte fest, dass es wirklich die Stimmen seiner verstorbenen Verwandten und anderer Verstorbener waren.

      1967 erschien sein Buch „Sprechfunk mit Verstorbenen“.

      Dieselben Experimente machte der Lette Konstantin Raudive (1909 – 1974) Psychologieprofessor und Student von C.G. Jung. Auch er nahm ab 1965 die Stimmen von verstorbenen Menschen auf Tonband auf.

      Dr. Raudive war ein Sprachgenie, er sprach lettisch, russisch, französisch, spanisch, deutsch, schwedisch und lateinisch. 1969 erschien sein Buch „Unhörbares wird hörbar“ auf der Frankfurter Buchmesse. Seine Einspielungen wurden von 2 wissenschaftlichen englischen Gremien untersucht und für paranormal erklärt: Angesichts der Ergebnisse der Tests findet etwas statt, was wir mit unseren normalen physikalischen Begriffen nicht erklären können. Die Stimmen waren Fakten, die Interpretationen blieben offen, waren nicht erklärbar. Betrug wurde durch die Tests ausgeschlossen.

      In der Zwischenzeit hatte sich dieses Phänomen in alle Welt verbreitet, es gab Vereine und Interessengemeinschaften.

      Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: man nehme ein Tonbandgerät, steuere die Aufnahme sehr hoch aus, setze das Mikrophon einen Meter vom Gerät entfernt und drücke auf den Aufnahmeknopf. In den meisten Fällen wird so ein Experiment mit Fragen eingeleitet, und es dauert nicht lange, da kann man nach dem Zurückspulen und Abhören Stimmen hören, die sich auf die Fragen beziehen.

      Die Stimmen kommen teilweise leise oder laut, schnell oder langsam, singend oder sprechend, von metallischen Geräuschen begleitet oder in polyglotter Sprache durch. Sie bringen auch Emotionen zum Ausdruck: Hass, Zorn oder Liebe. Als damals in den 70er Jahren die Deutsche Bundespost in Schweden war und über die Einspielungen im Fernsehen berichtete, trat ein weiteres Phänomen zu Tage. Wenn Jürgenson das Bandgerät rückwärts laufen ließ, enthielt es vollkommen andere Nachrichten als beim Vorlauf. Und wenn er das Band mit einer anderen Geschwindigkeit abspielte, kamen wiederum ganz andere Nachrichten. Die Stimmen sagen: Gedanken bedeuten Sprechen, das heißt, dass der Gedanke als elektromagnetischer Impuls bereits „drüben“ ankommt, bevor der Inhalt ins Mikrophon gesprochen wird. Insofern erhalten einige Experimentatoren schon die Antworten, bevor sie die Fragen gestellt haben.

       4.

      Seit ungefähr dreißig Jahren träumte er immer wieder denselben Traum, er sah ein totes Babygesicht, das plötzlich die Augen öffnete und sich zur hässlichen Fratze verwandelte. Dann wachte er schweißgebadet von seinem eigenen Schrei auf.

      Er erinnerte sich an eine Begebenheit in seiner Kindheit. Da gab es die Geschichte vom Flaschengeist. In seiner Fantasie hatte sich das Bild festgesetzt, dass dieser Flaschengeist sich ausdehnen könnte, um die Flasche zu sprengen. Dahinter verbarg sich eine latente Wut, eine Aggression von großem Ausmaß, die nach Befreiung schrie, die das Glas zersprengen wollte. Er hatte große, unerklärliche Schuldgefühle.

      Durch diesen immer wiederkehrenden Traum entwickelten die Psychologen die These, dass Paul in der frühen Kindheit etwas Schlimmes erlebt haben musste. Er habe sie verdrängt, aber das Erlebte arbeite unbewusst weiter, wolle nach oben ins Bewusstsein steigen. Die Psyche jedoch schütze sich davor und hielt es in einer Schublade fest.

      Außerdem gab ihnen ein Traum, der immer denselben Inhalt hatte, ein Rätsel auf.

      Aber seine Mutter, als sie noch lebte, berichtete ihm, er habe eine normale, liebevolle Kindheit gehabt. Es gäbe nach ihrem Wissen kein Erlebnis, das solch schlimme Alpträume auslösen könne.

      Ab und zu kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht deshalb enormes Interesse an Verstorbenen hatte, dass er deswegen über das Tonband in ihre Welt eindringen wollte.

      Auch Klara beobachtete diese Erscheinung mit großer Sorge. Sie war zwar immer anwesend, wenn er von Alpträumen gebeutelt schreiend aufwachte, konnte ihn zwar auch beruhigen, aber wirklich helfen konnte sie ihm nicht.

      Auch seine frühere Verlobte Anne bekam selbst Todesängste, wenn sie ihn so schreien hörte.

      Paul dachte an Hypnosesitzungen, die ihm Aufschluss geben könnten, verwarf aber den Gedanken wieder. Spukschloss Seele, sagte er sich. Keiner weiß genau, was in den inneren Tunneln des Unterbewusstseins vor sich ging.

      Abgesehen davon, ist und bleibt das Leben ein Rätsel, dachte er. Und da er ein Mensch war, der sich nicht damit zufrieden gab, einfach da zu sein, wollte er wissen, was nach dem leiblichen Tod kam.

      Da verfolgte er eines Tages eine Fernsehsendung, als ein deutsches Team nach Schweden fuhr und diesen Jürgenson besuchte. Er war wie elektrisiert, einen Blick in jene Welt zu werfen, von der niemand etwas wusste, viele aber daran glaubten, oder glauben wollten, dass es sie gibt.

      Paul war davon überzeugt, dass es sie gibt, diese Sphäre der Geistigkeit nach dem Tod. Er war fest davon überzeugt, dass es hier auf dieser Welt keine Sinnlosigkeit gibt, dass alles seinen Sinn hat, und sei er noch so grausam. Er konnte anderen Menschen einen Trost geben, wenn sie jemanden verloren haben oder wenn sie an ihren eigenen Tod dachten. Und dieser Trost bestand in ganzen vier Worten: das Leben geht weiter. Die Stimmen, die er und viele seiner Freunde auf dem Tonband festhielten, waren ein Anscheinsbeweis.

      Raudives Einspielungen wurden von 2 wissenschaftlichen englischen Gremien unter strengsten Bedingungen untersucht und für paranormal erklärt: Angesichts der Ergebnisse der Tests findet etwas statt, was wir mit unseren normalen physikalischen Begriffen nicht erklären können. Die Stimmen waren Fakten, die Interpretationen blieben offen. Betrug wurde durch die Tests ausgeschlossen.

      Auch für Paul gab es nur eine einzig mögliche Interpretation, nämlich dass es die Verstorbenen sind, die sich manifestieren. Wer anders sollte es denn sein? Wer anders als die uns bekannten Toten konnte sich mit Namen und Informationen melden und sich dadurch zu erkennen geben!?

      Paul erinnerte sich. Im Ladengeschäft in Frankfurt passierte im Frühjahr eines der zeitübergreifenden Phänomene. Paul saß im vierten Stock in seinem Büro. Zu dieser Zeit wurde unten auf der Strasse das Pflaster herausgerissen und erneuert. Dadurch drangen die Geräusche der einzelnen Maschinen, Kräne und Motoren und Arbeiterstimmen auch zu ihm hinauf. Er ließ sich trotzdem nicht davon abhalten, auch dort in seinem Büro Tonbandstimmeneinspielungen zu machen.

      Es war am 22. August 1976, einem regnerischen Tag, als er das Band einschaltete und ins Mikrophon sprach: „Kann ich Konstantin Raudive sprechen?“