entgegenrief: »Drum wurden dir nicht die Werke des Krieges verliehen, mein liebes Töchterchen;
ordne du Hochzeiten und laß die Schlachten den Kriegsgott besorgen!« Ihre Schwester Pallas und
Hera aber sahen sie spöttisch von der Seite an und sprachen stichelnd: »Was wird es sein?
Wahrscheinlich hat die schöne falsche Griechin unsere Schwester nach Troja gelockt, da wird sie
Helenas Gewand gestreichelt und sich mit einer Spange geritzt haben!«.
Drunten auf dem Schlachtfeld hatte sich Diomedes auf den liegenden Äneas geworfen und holte
dreimal aus, ihm den Todesstreich zu versetzen; aber dreimal hielt der zornige Gott Apollo, der nach
der Schwester Verwundung herbeigeeilt war, ihm den Schild vor; und als jener das viertemal
anstürmte, drohte er ihm mit schrecklicher Stimme: »Sterblicher, wage nicht, mit den Göttern dich
zu messen!« Scheu und mit zauderndem Schritt entwich Diomedes. Apollo aber trug den Äneas aus
dem Schlachtgewühl in seinen Tempel nach Troja, wo Leto, seine Mutter, und Artemis, seine
Schwester, ihn in ihre Pflege nahmen. Auf dem Boden, wo der Held gelegen, schuf er sein Scheinbild,
um das sich nun Trojaner und Griechen mit wilden Schlägen und Stößen zankten. Dann ermahnte
Apollo den Ares, daß er den frechen Tydiden, der die Götter selbst bekämpfe, aus der Schlacht zu
entfernen strebe. Und der Kriegsgott, in der Gestalt des Thrakiers Akamas, mischte sich im
Getümmel unter die Söhne des Priamos und schalt sie: »Wie lange gönnet ihr den Griechen das
Morden, ihr Fürsten? Wollt ihr warten, bis um die Tore eurer Stadt selbst gekämpft wird? Wißt ihr
nicht, daß Äneas auf dem Boden liegt? Auf und retten wir den edlen Genossen aus der Hand der
Feinde!« So erregte Ares die Herzen der Trojaner. Sarpedon, der Fürst der Lykier, näherte sich dem
Hektor und sprach zu ihm: »Hektor, wohin ist dir dein Mut geschwunden? Rühmtest du dich doch
jüngst, selbst ohne Verbündete, ohne Heeresmacht, mit deinen leiblichen Brüdern und Schwägern
allein wolltest du Troja schirmen; nun aber sehe ich ihrer keinen in der Schlacht, sie schmiegen sich
alle wie die Hunde vor dem Löwen, und wir Bundesgenossen allein müssen den Kampf
aufrechterhalten!« Hektor fühlte den Vorwurf tief im Herzen, er sprang vom Wagen, schwenkte die
Lanze, durchwandelte ermahnend alle Heldengeschwader und erweckte den tobenden Streit aufs
neue. Seine Brüder und alle Trojaner kehrten die Stirne dem Feinde wieder zu. Auch den Äneas, mit
Gesundheit und Kraft erfüllt, sandte Apollo wieder in den Kampf, daß er sich plötzlich unverletzt den
Seinigen wieder zugesellte. Alle freuten sich, aber keiner nahm sich Zeit, ihn zu fragen; sie stürzten
nur miteinander in die Schlacht.
Aber die Danaer, Diomedes, die beiden Ajax und Odysseus an der Spitze, erwarteten ruhig die
Heranstürmenden wie ein unbewegliches Gewölk; und Agamemnon durcheilte die Heerschar und
rief: »Jetzt seid Männer, o ihr Freunde, und ehret euch selbst in der Schlacht; denn wo ein Volk sich
selbst ehrt, da stehen mehr Männer als fallen; aber für den Fliehenden gibt es keinen Ruhm und
keine Rettung!« So rief er, schickte zuerst den Speer gegen die heranrückenden Trojaner ab und
streckte den Freund des Äneas, den hochgeehrten Deïkoon, der immer im Vorderkampfe stritt,
nieder. Aber auch die gewaltige Hand des Äneas tötete zwei der tapfersten Danaer, Krethon und
Orsilochos, Söhne des Diokles, die zu Pherai im Peloponnes wie zwei freudige Berglöwen zusammen
aufgewachsen waren. Um die Gefallenen trauerte Menelaos, schwenkte den Speer und warf sich
rasch in das vorderste Gewühl. Ares selbst spornte sein Herz, denn er hoffte, daß ihn Äneas fällen
werde. Aber Antilochos, Nestors Sohn, um den Völkerhirten besorgt, stürzte gleichfalls hervor an
seine Seite, während jene beiden schon voll Kampfgier ihre Lanzen gegeneinander gezückt hatten.
Als Äneas zwei Helden sich gegenübersah, wich er zurück; Menelaos und Antilochos retteten die
beiden Leichen aus den Händen der Feinde und übergaben sie den Freunden; sie selbst wandten sich
dem Vorkampfe wieder zu. Menelaos durchstach den Pylaimenes, Antilochos hieb seinem
Wagenlenker Mydon das Schwert in die Schläfe, daß er auf den Scheitel gestellt in den Staub stürzte,
bis ihn seine eigenen Rosse umwarfen, die Antilochos mit der Geißel den Griechen zutrieb.
Jetzt aber jagte Hektor mit den tapfersten Heerscharen der Trojaner voran, und der Kriegsgott selbst
wandelte bald vor, bald hinter ihm her. Als Diomedes den Gott kommen sah, stutzte der Held, wie
ein Wanderer vor einem brausenden Wasserfalle staunt, und rief dem Volke zu: »Staunet nicht über
die Unerschrockenheit Hektors, ihr Freunde, denn immer geht ein Gott neben ihm her und wehrt das
Verderben von ihm ab. Darum, wenn wir weichen, so weichen wir den Göttern!« Indessen stürmten
die Schlachtreihen der Trojaner immer näher heran, und Hektor erschlug zwei tapfere Griechen auf
einem Streitwagen, den Anchialos und Menesthes. Ajax, der Telamonier, eilte herbei, sie zu rächen;
er traf mit der Lanze den Amphios, einen Verbündeten der Trojaner, unter dem Gurte, daß er in
dumpfem Falle zu Boden stürzte; dann stemmte er den Fuß auf den Leichnam und zog die Lanze
heraus; ein Hagel von Speeren hinderte ihn, den Gefallenen der Rüstung zu berauben.
Auf einer andern Seite trieb ein böses Verhängnis den Herakliden Tlepolemos auf den Lykier
Sarpedon zu, dem er schon von weitem zurief. »Was nötigt dich, hier in Angst zu vergehen,
weibischer Asiate, der du dich fälschlich rühmst, ein Zeussohn zu sein wie mein Vater Herakles! Du
bist feige, und selbst wenn du ein Tapferer wärest, so solltest du jetzt dem Hades nicht entgehen!«
»Habe ich mir noch keinen Ruhm erworben«, entgegnete ihm Sarpedon, »so soll dein Tod mir ihn
verschaffen!« Und nun kreuzten sich die Lanzen beider Helden; der Wurfspieß des Sarpedon traf den
prahlerischen Gegner gerade in den Hals, daß die Spitze hinten hervordrang und er entseelt zur Erde
stürzte. Aber auch des Tlepolemos Speer hatte den linken Schenkel Sarpedons bis auf die Knochen
durchbohrt, und nur sein Vater Zeus hemmte den Tod. Die Freunde führten den Bebenden aus dem
Kampfe, so hastig, daß keiner bemerkte, wie er die aus dem Schenkel hervorragende Lanze noch
nachschleppte. Auch die Leiche des Tlepolemos trugen die Griechen aus dem Kampfe zurück.
Während Odysseus in der führerlosen Schar der Lykier wütete und schon ganz nahe an dem
flüchtenden Sarpedon war, erfreute diesen der Anblick des herannahenden Hektor, und er rief ihm
mit schwacher Stimme zu: »Priamos' Sohn, laß mich nicht den Achivern zum Raube daliegen;
verteidige mich, daß ich mein Leben ruhig in dieser Stadt