3.2.1.5 Generische Datensätze für Holzwerkstoffe
Die beschriebenen Materialeigenschaften liegen für zahlreiche Hölzer und Holzwerk- bzw. Naturfaserdämmstoffe in den Datenbanken der Simulationswerkzeuge vor. Aber es gibt natürlich immer noch viele Produkte, für die die hygrothermischen Materialeigenschaften nicht oder nicht in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass Holz selber als Naturprodukt inhomogen und natürlich je nach Herkunft, Alter und Wachstumsbedingungen gewissen Schwankungen der Eigenschaften unterworfen ist. Auch bei den Holzwerkstoffen macht sich dieser Einfluss noch bemerkbar – außerdem werden hier die Rezepturen immer wieder geändert, was zwar eine Kontrolle der mechanischen, in der Regel aber nicht der bauphysikalischen Parameter nach sich zieht. Da zudem konkrete Produkte in der Planungsphase oft noch gar nicht feststehen, wird eine allgemeingültige Bemessung u. U. schwierig.
Bild 9. Simulierte Feuchteverhältnisse bei Verwendung des generischen AIF-Datensatzes für eine flexible Holzfaserdämmmatte mit einem exemplarischen produktspezifischen Datensatz „Dämmung A" für den Einsatz im diffusionsdichten Flachdach. Im unkritischen Feuchtebereich führen die Datensätze zu nahezu deckungsgleichen Ergebnissen, bei höheren Feuchten können die Ergebnisse dagegen etwas stärker divergieren.
Ziel eines AiF-Forschungsvorhabens [77,78] war es daher zum einen, auf Basis von zahlreichen Labormessungen an Materialien aus den verschiedenen Holzwerkstoff-Produktgruppen, funktionale Zusammenhänge zwischen typischerweise bekannten Größen wie der Rohdichte oder der Partikelgröße des Werkstoffs und seinen bauphysikalischen Eigenschaften herzustellen. Auf diese Weise wird den Herstellern eine einfachere Optimierung ihrer Produkte ermöglicht. Zum anderen sollten repräsentative Datensätze für die verschiedenen Produktgruppen erstellt werden, mithilfe derer eine Bemessung von Bauteilen durchgeführt werden kann. Nur im Einzelfall oder bei besonderen Anforderungen an die Eigenschaften ist es erforderlich, im Anschluss noch eine produktspezifische Bemessung durchzuführen.
Im Zuge des Forschungsvorhabens wurden generische Datensätze für acht Produktgruppen von Holzwerk- und Faserdämmstoffen erstellt, die bei der Beurteilung kritischer Konstruktionen im Vergleich zur Verwendung produktspezifischer Datensätze jeweils etwas auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse erzeugen. Die Materialien können jedoch je nach Einbausituation, wie z. B. innen oder außen in der Konstruktion, unterschiedlich kritische Parameter aufweisen. Bei der Anwendung im geneigten, nach außen diffusionsoffenen Dach, resultiert die Feuchte in den Materialien vor allem aus dem hohen Luftfeuchteniveau des Außenklimas im Winter, d. h. der Feuchtegehalt wird höher, wenn das Niveau der Sorptionsisotherme steigt. Bei Flachdächern dringt die Feuchte dagegen durch die Dampfbremse vom Innenraum her ein – die eindiffundierende Menge ändert sich kaum mit den Eigenschaften der Materialien oberhalb der Dampfbremse. Das beim belüfteten Dach leicht günstigere hohe Niveau der Sorptionsisotherme führt beim generischen Datensatz dazu, dass die gleiche Feuchtemenge zu einem höheren Anstieg der relativen Feuchte im Außenbereich des Bauteils führt. Relevante Diskrepanzen treten allerdings vor allem dann auf, wenn in den Konstruktionen kritische Feuchtegehalte erreicht werden. Für Produktgruppen mit größerer Streuung der Materialeigenschaften werden jeweils zwei Datensätze zur Verfügung gestellt, die die kritischen Bandbreiten am oberen und unteren Rand repräsentieren. Im hygrothermisch günstigen Bereich können die generischen Datensätze das Verhalten der Bauteile i. d. R. gut repräsentieren (Bild 9).
Die AIF-Datensätze ermöglichen damit also eine einfache und allgemeingültige Bemessung „funktionierender Bauteile“. Bei hygrothermisch günstigen Bedingungen ist von einer guten Übereinstimmung zwischen den generischen und produktspezifischen Materialdaten auszugehen. Dies wurde anhand von zahlreichen Vergleichsberechnungen in [77] belegt. Wenn bei der Simulation mit den AIF-Datensätzen kritische Grenzen überschritten werden, bedeutet dies, dass sich die Konstruktion nicht besonders gutmütig verhält und zumindest keine freie Auswahl bezüglich der Materialien aus der verwendeten Produktgruppe besteht. Es kann aber mit produktspezifischen Datensätzen überprüft werden, ob mit speziellen Materialien die Funktionsfähigkeit trotzdem sichergestellt werden kann. Für die Analyse von Schadensfällen sind die AIF-Datensätze aufgrund des beschriebenen Verhaltens nur bedingt geeignet.
3.2.2 Rand- und Anfangsbedingungen
3.2.2.1 Außenklimabedingungen
Die Klimadaten sollten als Stundenwerte vorliegen, da eine Mittelwertbildung über längere Zeiträume, vor allem bei den äußeren Klimaparametern, zu ungenauen Ergebnissen führen kann. Die Auswahl der äußeren Klimadatensätze hängt vom Standort des Gebäudes und den erwarteten hygrothermischen Beanspruchungen auf das zu bemessende Bauteil ab. Dabei können auch lokale Besonderheiten berücksichtigt werden, wie z. B. die Nähe zu einem Gewässer, Lage im Tal oder auf dem Berg etc. Die meteorologischen Datensätze sollten alle erforderlichen Klimaparameter enthalten, wobei nicht für jedes Bauteil alle Klimaparameter vorhanden sein müssen. Z. B. braucht man für die Bemessung von Flachdächern mit normaler Abdichtung keine Regendaten, für Gründächer aber schon. Für die Langzeitbeurteilung von Baukonstruktionen sollten keine Daten von extremen Jahren (besonders kalte oder warme Jahre) verwendet werden, da eine Folge extremer Witterungsbedingungen über mehrere Jahre in der Realität nicht auftritt. Hier besteht außerdem die Gefahr, dass bewährte Konstruktionen bei der rechnerischen Beurteilung durchfallen. Will man den Einfluss extremer Witterungsverhältnisse berücksichtigen, dann sollte ein entsprechender Jahresdatensatz in die Reihe durchschnittlicher Datensätze integriert werden.
Hygrothermische Referenzjahre und Lokalklimaanpassung
Für die Außenklimabedingungen werden Klimadaten herangezogen, die die erforderlichen Klimaelemente in für den jeweiligen Standort oder die Region repräsentativer Form enthalten. Dabei sind die sogenannten Testreferenzjahre TRY des Deutschen Wetterdienstes DWD für eine hygrothermische Bemessung nur bedingt geeignet, da sie vor allem auf Basis thermisch typischer Verhältnisse erstellt bzw. ausgewählt wurden, bei denen Luftfeuchte und Regenbelastung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Für die hygrothermische Bauteilsimulation werden daher im Anhang D der DIN 4108 [31] die hygrothermischen Referenzjahre HRY des Fraunhofer IBP empfohlen [71, 72], die alle erforderlichen Klimaelemente in geeigneter und repräsentativer Form enthalten. Die regionale Einteilung Deutschlands orientiert sich an der Einteilung des DWD für die TRY-Regionen – die Anzahl der Regionen wurde jedoch gegenüber den TRY auf 11 reduziert werden. Im Gegenzug kann eine weitere Differenzierung, falls im Einzelfall erforderlich, mithilfe von Anpassungen des regionalen Klimadatensatzes auf die lokalen Verhältnisse erfolgen [72, 73]. Auf diese Weise können vor allem die auch innerhalb der Regionen u. U. sehr unterschiedliche Niederschlags- bzw. Schlagregenbelastung auf Basis der langjährigen Messdaten, die in entsprechenden Klimadaten z. B. seitens des DWD zur Verfügung stehen, aber auch spezifische Einflüsse, die z. B. aus der Lage in einer Stadt oder auf dem Berg resultieren, einfach berücksichtigt werden. Die Einflussfaktoren der Lage sowie die Bandbreite der Veränderung der einzelnen Klimaelemente sind exemplarisch in Bild 10 zusammengestellt. Die Werkzeuge sind im frei verfügbaren Lokalklimagenerator gebündelt, der auch die HRY enthält, die als Grundlage für die Anpassungen dienen [75].
Mikroklima am Bauteil
Während einige der Klimaelemente wie die Lufttemperatur und die Luftfeuchte direkt angesetzt werden, müssen andere wie die Sonnenstrahlung, der Wind oder der Niederschlag auf die Neigung und Orientierung des zu simulierenden Bauteils umgerechnet werden. Diese Umrechnung erfolgt aber in den Simulationsprogrammen selbst,