Bild 14. In der ASHRAE Norm zur Feuchteschutzbeurteilung von Baukonstruktionen durch hygrothermische Simulation [52] wird empfohlen, den Schlagregeneinfluss bei Außenwänden zu berücksichtigen, indem man eine kleine Menge (1 %) des auf die Fassade auftreffenden Schlagregens auf die nächstliegende Bauteilschicht hinter der äußere Wetterschutzschale aufbringt.
Da nach den großen Schadensereignissen in Nordamerika auch in Europa und anderen Teilen der Welt ähnliche Probleme mit der Schlagregenpenetration von gedämmten Außenwänden aufgetreten sind, wurde der amerikanische Ansatz in den Abschnitt 5.3 des WTA-Merkblatts 6-2 [39] übernommen. Eine Literaturstudie über Regenwasserpenetrationsuntersuchungen für Mauerwerksvorsatzschalen in [53] hat ergeben, dass der Wert von einem Prozent des Schlagregens für solche Konstruktionen ganz gut passt. Andere Studien an Außenwänden mit hinterlüfteten Bekleidungen [54] kommen zu dem Schluss, dass der Regenwasserpenetrationsansatz in ASHRAE 160 von 1 % eher etwas konservativ ist, d. h. für diese Außenwandkonstruktionen auf der sicheren Seite liegt. Wendet man diesen Ansatz auf massive Außenwände mit WDVS in Europa an [55], zeigt sich, dass das Aufbringen von einem Prozent der Schlagregenmenge direkt auf die Oberfläche des Mauerwerks selbst bei hoher Schlagregenbeanspruchung keinerlei negative Auswirkungen auf die Feuchte im Mauerwerk hat. Sie bleibt trotz des Regenwassereintrags unter der Gleichgewichtsfeuchte des Mauerwerks bei 80% relativer Feuchte (praktischer Baufeuchtegehalt). Das erklärt auch, warum es bei außen gedämmtem Mauerwerkswänden kaum nennenswerte sichtbare Probleme gibt.
Bild 15. Momentaufnahme der Filmdarstellung der instationären Temperatur- und Feuchteverteilung (Bereiche und Mittelwerte) in einer nach Westen orientierten zweischaligen Außenwand mit Holz-Tragkonstruktion im Verlaufe des Monats Mai. Der Wassergehalt in der Außenschale erreicht niederschlagsbedingt hohe Werte bis hin zur freien Wassersättigung des Mauerwerks, was trotz Luftspalt auch zu einer entsprechenden Befeuchtung der dahinter liegenden OSB führt.
3.2.5 Simulationsergebnisse und deren Interpretation
Als Rechenergebnisse werden die stündlichen Veränderungen der Temperatur- und Feuchtefelder sowie der Wärme- und Feuchteströme über die Bauteilgrenzen ausgegeben. Aus diesen Ergebnissen können sowohl die langfristigen Verläufe der hygrothermischen Kenngrößen Temperatur, relative Feuchte und Wassergehalt an verschiedenen Positionen im Bauteil als auch deren örtliche Verteilungen (Profile) zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt werden. Eine zweckmäßige und anschauliche Art der Ergebnisdarstellung ist die filmähnliche Abfolge der instationären Feuchte- und Temperaturprofile. Bild 15 zeigt beispielhaft einen Schnappschuss aus einem solchen Ergebnisfilm, der bei der Simulation des hygrothermischen Verhaltens einer zweischaligen Wand entstanden ist.
3.2.5.1 Feuchtebilanz
Die Beurteilung der Ergebnisse von hygrothermischen Simulationsberechnungen erfordert etwas Erfahrung. Ähnlich wie bei der Beurteilung nach Glaser kommt es darauf an, dass sich in der Konstruktion langfristig kein Wasser ansammelt. Deshalb wird zunächst der Verlauf des Gesamtwassergehalts analysiert. Wenn es hier zu einer permanenten Akkumulation in relevantem Umfang kommt, ist das bereits ein KO-Kriterium. Wenn der Gesamtwassergehalt fällt oder von Jahr zu Jahr gleich bleibt, ist die Voraussetzung für eine weiterführende Auswertung gegeben, d. h. dann werden die hygrothermischen Verhältnisse in den einzelnen Materialschichten sowie an den Oberflächen und Materialgrenzen betrachtet.
3.2.5.2 Relevante Bewertungskriterien für den Holzbau
Für den Holzbau gibt es bereits einige Bewertungskriterien, die aus langjährigen Erfahrungen und aus der stationären Dampfdiffusionsberechnung stammen. Allerdings besteht derzeit noch eine gewisse Diskrepanz zwischen der Genauigkeit der hygrothermischen Simulation, die Temperatur- und Feuchteverhältnisse mit meist stündlicher Auflösung zur Verfügung stellt und den in der Praxis etablierten, meist stark vereinfachten stationären Grenzwerten. Diese beziehen sich z. B. bei Schimmel oder Holzfäule ausschließlich auf ein bestimmtes Feuchteniveau ohne dessen Einwirkdauer, die gleichzeitig auftretende Temperatur oder die Sensitivität des jeweiligen Materials adäquat zu berücksichtigen. Die Anwendung solcher Grenzwerte führt dann im besten Fall zu Konstruktionen mit großen Sicherheitsreserven, im ungünstigsten Fall dazu, dass gut funktionierende, gegebenenfalls sogar nachweisfreie Bauteile ausgeschlossen würden. Um dieses Problem zu lösen, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Bewertungskriterien analog zu den genaueren Berechnungsverfahren zu verfeinern. Anspruch und Ziel ist dabei, nicht nur die Feuchteverhältnisse, sondern auch deren Bewertung so realitätsnah wie möglich zu gestalten.
In diesem Abschnitt werden zunächst die einfachen Grenzwerte erläutert, die bei einer Bewertung natürlich immer auch berücksichtigt und wenn möglich eingehalten werden sollten. Es wird aber auch auf bereits verfügbare oder in Bearbeitung befindliche verfeinerte Bewertungsmöglichkeiten verwiesen, die in anderen Abschnitten ausführlicher behandelt werden.
Die relative Feuchte, die von Biologen auch als Wasseraktivität bezeichnet wird, ist die für die meisten Schadensmechanismen maßgebliche Feuchtegröße. Sie beschreibt, wie stark das Wasser an die Poren- oder Faserstruktur des Materials durch Sorptionskräfte gebunden ist. Unterhalb von etwa 70 bis 80 % r. F. ist diese Bindung so stark, dass das Wasser kaum für chemische oder für biologische Prozesse „genutzt“ werden kann – werden diese Feuchtewerte also nicht überschritten, können in den Konstruktionen eigentlich gar keine Schäden auftreten. Ausnahme sind hier nur Spannungen oder Risse aufgrund von Schwinden des Materials bei sehr trockenen Bedingungen. Oberhalb von etwa 95 % r. F. spricht man dann vom sogenannten Kapillarwasserbereich, bei dem die Bindungskräfte nur noch schwach sind und dementsprechend in den Poren zunehmend flüssiges Wasser vorliegt, dass vergleichsweise leicht entzogen werden kann.
Der Feuchtebereich unterhalb von 80 % r. F. gilt im Baubereich als relativ sicher, da mikrobielles Wachstum, wenn überhaupt dann nur sehr langsam in Gang kommen kann. Diese Grenze kann bei geeigneter Auslegung der Konstruktion auf der Raumseite des Bauteils i. d. R. gut eingehalten werden. Praktisch unmöglich ist dies dagegen bei nahe am Außenklima liegenden Schichten, da die Außenluftfeuchte vor allem im Winter regelmäßig Werte über 90 oder sogar über 95 % r. F. erreicht. Dies führt bei längerer Einwirkdauer und diffusionsoffener Bauweise zu ebenso hohen Feuchten in den Materialien. In diesem Bereich ist eine generelle Begrenzung auf 80 % r. F. also nicht sinnvoll, unwirtschaftlich oder manchmal sogar kontraproduktiv. In einigen Ländern wie z. B. in Schweden wird eine derartige Begrenzung in den Normen trotzdem ohne geeignete Differenzierung gefordert, was den Planer vor nahezu unlösbare Aufgaben stellt oder zwingt, die Anforderung mit entsprechend guter Begründung zu umgehen. Auch in der ersten Version der ASHRAE Norm 160 [52] lag das Grenzkriterium für Oberflächen innerhalb eines Bauteils bei einem Monatsmittel von 80 % r. F. mit der Folge, dass eine Reihe von bewährten Konstruktionen die Feuchteschutzbeurteilung nicht bestanden haben. In der aktuellen Version wurde das allerdings korrigiert und durch das Schimmelpilzwachstumsmodell von Viitanen [26] ersetzt.
3.2.5.3 Feuchteverhältnisse an den Oberflächen
An den raumseitigen Oberflächen sowie im Bereich von Luftschichten in den wärmeren Bereichen eines Bauteils besteht die Gefahr von Schimmelpilzbildung, wenn bestimmte Temperatur- und Feuchtegrenzen überschritten werden. Bei Einhaltung von 80 % r. F. ist ein Schimmelrisiko im Winter sicher ausgeschlossen. Bei Überschreitung dieses Werts oder bei längerfristigem Auftreten von hohen relativen Feuchten in Kombination mit hohen Temperaturen kann dagegen Schimmelpilzbildung nicht mehr sicher ausgeschlossen werden