Der Vergleich mit den früheren Blockrandbedingungen zeigt nur bei der Außenlufttemperatur eine leichte Anhebung von –10 °C auf –5 °C. Allerdings ist die Tauperiode bei den neuen Randbedingungen um 50 % länger. Bei der Verdunstungsperiode wird darauf verzichtet, die Temperaturen und relativen Luftfeuchten anzugeben. Hier werden nur noch die Wasserdampfpartialdrücke als Randbedingungen definiert. Das hat den Vorteil, dass es auf dem Papier nicht mehr zu einer Überschneidung von Dampfdruck und Sättigungsdampfdruck kommen kann. Die inneren und äußeren Wasserdampfpartialdrücke sind wie bisher gleich groß. Sie wurden jedoch von 982 Pa auf 1200 Pa angehoben, was beispielsweise bei einer Luftfeuchte von 70 % einer Temperatur von ca. 15 °C entspricht. Ebenfalls angepasst wurden die Partialdrücke in den Tauwasserebenen für Wände und Dächer (1700 Pa bzw. 2000 Pa), wobei für verschattete oder die Sonnenstrahlung reflektierende Dächer die Randbedingungen für Wände anzusetzen sind. Vergleichsuntersuchungen mit alten und neuen Randbedingungen in [37] haben für verschiedene Wand- und Dachkonstruktionen im Großen und Ganzen ähnliche Beurteilungen ergeben. Allerdings gibt es auch Beispiele für unterschiedliche Ergebnisse. Wenn beispielsweise in einer Konstruktion erst bei Außentemperaturen unter –5 °C Tauwasser ausfällt, dann sind die alten Randbedingungen kritischer. Fällt Tauwasser über –5 °C aus, dann können die neuen Randbedingungen etwas kritischer sein, weil die Tauperiode länger andauert. Eine Anpassung dieser Randbedingungen an andere Gebäudenutzungs- oder Außenklimabedingungen ist unzulässig, da es sich beim Periodenbilanzverfahren um ein modellhaftes Nachweis- und Bewertungsverfahren handelt, dass nicht die realen physikalischen Vorgänge und hygrothermischen Beanspruchungen abbildet.
Die DIN 4108-3 hat in ihrer aktuellen Form vom Oktober 2018 die Vorgaben für die Glaserberechnung in der DIN EN 13788 nur in stark abgewandelter Form umgesetzt. Ein Grund war die bisherige Bewertungsmethode, die eine Tauwassermenge und eine Verdunstungsmenge ausweist. Der einfache Nachweis besteht darin, die beiden Größen miteinander zu vergleichen. Dabei sollte die Verdunstungsmenge die Tauwassermenge möglichst deutlich überschreiten. Das zeigt, dass die errechnete Verdunstungsmenge einen theoretischen Wert darstellt, der physikalisch nicht begründbar ist. Es ist schlichtweg ausgeschlossen, dass aus einer anfangs völlig trockenen Konstruktion mehr Wasser verdunstet als vorher in Form von Tauwasser dort angefallen ist. Deshalb wird in der DIN EN ISO 13788 anders vorgegangen. Dort wird für jeden Monat untersucht, ob es irgendwo in der Konstruktion Tauwasserbildung gibt und deren Menge berechnet. Wenn es zwei oder mehr Tauwasserebenen gibt, ist jede individuell zu bilanzieren. Im nächsten Monat werden die Dampfdrücke in den Tauwasserebenen des Vormonats auf den dort geltenden Sättigungsdampfdruck gesetzt. Falls es jetzt in einer Tauwasserebene zu einer Verdunstung kommt, wird genau berechnet, wohin dieses Wasser diffundiert. Trocknet das Wasser in der betrachteten Tauwasserzone während des Monats aus, muss bestimmt werden, wann dies passiert und der Monat wird unterteilt in eine Periode mit Tauwasser in der betrachteten Ebene (Dampfdruck = Sättigungsdampfdruck) und eine Periode ohne Tauwasser in dieser Ebene. Es kann natürlich sein, dass sich in derselben Konstruktion in einer Tauwasserebene weiteres Tauwasser bildet, während in einer anderen Tauwasserebene bereits Verdunstung stattfindet. Es kann auch sein, dass das Wasser in einer Ebene schneller austrocknet als in einer anderen Ebene. In diesem Fall muss der Monatsschritt weiter unterteilt werden und der beschriebene Vorgang für beide Ebenen angepasst werden. Diese etwas komplizierte Prozedur muss für alle Monate durchgeführt werden und am Ende sind die akkumulierten Mengen zu erfassen und mit den vorgegebenen Grenzwerten zu vergleichen. Außerdem ist der Monat zu ermitteln, indem das Bauteil wieder vollständig austrocknet.
In Anbetracht der Tatsache, dass viele der Einschränkungen auch für die Dampfdiffusion gemäß DIN EN ISO 13788 gelten, ist dieser Aufwand eigentlich nicht zu rechtfertigen. Daher kann man die Weiterentwicklung zum sogenannten Periodenbilanzverfahrens aus praktischen Gründen zwar begrüßen. Die andere Alternative, das Glaserverfahren ganz aufzugeben, hätte allerdings auch Vorteile gehabt, wenn man sich die Anwendungseinschränkungen dieser Nachweismethode genauer anschaut. Beispielsweise wurden neben Flachdächern mit Begrünung auch solche mit Bekiesung, Plattenbelägen oder Holzrosten vom Feuchtenachweis mithilfe des Periodenbilanzverfahrens ausgeschlossen. Dasselbe gilt für Holzdachkonstruktionen mit Metalldeckung oder ähnlich dichten Eindeckungen ohne Hinterlüftung der Eindeckung. Außerdem wurden zahlreiche Warnhinweise für Bauteile aufgenommen die durch Schichten mit sd,e > 2 m begrenzt sind.
Das größte Problem des Periodenbilanzverfahrens nach Glaser ist jedoch die Tatsache, dass die Ergebnisse nicht immer auf der sicheren Seite liegen. Dies gilt vor allem für Konstruktionen, die ein geringes Trocknungspotenzial besitzen. Wie in Abschnitt 2.1.6 dargelegt, ist es unmöglich, eine Holzkonstruktion vollständig luftdicht auszuführen, d. h. eine gewisse Menge an Feuchte gelangt durch die sogenannte Dampfkonvektion immer in ein Außenbauteil. Deshalb wird seit 2012 in der DIN 68800-2 [33] die Berücksichtigung einer Trocknungsreserve gefordert. Das ist die Menge an Feuchte von der vermutet wird, dass sie währen der Tauperiode über Konvektion zusätzlich zur Feuchte aufgrund von Dampfdiffusion eindringt. Die Trocknungsreserve dient dazu, kleine Feuchteeinträge durch Kriechströmungen sowie die Auswirkungen der Anfangsfeuchte von Holzbauteilen abzubilden. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Bauteil gemäß dem Stand der Technik handwerklich sorgfältig ausgeführt wurde. Für Außenwände und Decken setzt die DIN 68800-2 eine Trocknungsreserve von 100 g/m2 und für Dächer von 250 g/m2 an. Diese Trocknungsreserve wird zur Tauwassermenge durch Dampfdiffusion addiert und die Summe aus beiden mit der Verdunstungsmenge verglichen. Bleibt die Verdunstungsmenge größer, ist das Bauteil in Ordnung. Ist sie kleiner als die Summe aus Tauwassermenge und Trocknungsreserve, fällt die Konstruktion durch (siehe Abschnitt 3.3).
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die „Euroglasernorm“ DIN EN ISO 13788 [36]. Dort heißt es in Abschnitt 1-7 „Berechnung des Trocknungsvorgangs von Bauteilen“: Dieser Abschnitt enthält ein Verfahren zur Bestimmung des Trocknungspotenzials von Bauteilen, insbesondere solchen, die durch Schichten mit hohem Wasserdampf-Diffusionsdurchlasswiderstand wie Folien, Membranen oder Beschichtungen mit sd > 2 m begrenzt sind. In der Anmerkung wird erklärt: Materialschichten können durch Rohbaufeuchte, während der Bauphase gefallenen Regen, eine Undichtheit in den Versorgungsleitungen, einen Schaden an einer wetterfesten Schicht oder ein inzwischen behobenes früheres Problem mit Tauwasserbildung im Bauteilinneren befeuchtet worden sein.“ Die Dampfkonvektion wird hier zwar nicht explizit erwähnt, aber das Ziel, die Feuchtetoleranz einer Konstruktion abschätzen, bzw. besonders empfindliche Aufbauten identifizieren zu können, ist klar erkennbar. Dementsprechend wird vorgeschlagen, eine Feuchtemenge von 1 kg/m2 in die Mitte einer festgelegten Schicht einzubringen und danach die Berechnung mit denselben Randbedingungen, wie beim Tauwasserschutznachweis, über einen Zeitraum von maximal 10 Jahren fortzusetzen. Als Ergebnis ist anzugeben, wie lange es dauert bis das Bauteil wieder trocken ist, bzw. welche Risiken mit der höheren Feuchte verbunden sein können.
Trotz dieser Maßgabe in der DIN EN ISO 13788 und der Einführung einer Trocknungsreserve für die Glaser-Berechnung in der DIN 68800-2 wurde in der DIN 4108-3 auf einen ähnlichen Ansatz verzichtet. Da die Trocknungsreserve aus dem Holzbau kam, wurde die Übertragbarkeit auf andere Konstruktionsarten bezweifelt. Es ist zwar richtig, dass es in diesem Zusammenhang wenig Erkenntnisse mit einer solchen Reserve bei anderen Konstruktionen gibt. Allerdings ist davon auszugehen, dass Fehlstellen auch hier die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen können. Für den Holzbau hat sich das Verfahren der Trocknungsreserve jedenfalls in den letzten 20 Jahren bewährt und ist seit 10 Jahren in der Holzschutznorm verankert. Die Alternative wäre direkt zur hygrothermischen Simulation überzugehen. Da dies sicher nicht für alle Planer eine gangbare Option darstellt, ist der Normenausschuss bestrebt, die Liste der nachweisfreien Konstruktionen (Stufe 1) beständig zu erweitern.
3.1.3 Feuchteschutznachweis durch hygrothermische Simulation
Bei der hygrothermischen Simulation wird das dynamische Temperatur- und Feuchtverhalten von Baukonstruktionen