Da die Raumluft im Winter häufig deutlich mehr Feuchte enthält als die Luft im Bauteil, spricht man beim Durchströmen eines Bauteils aufgrund von Gesamtdruckunterschieden, in Analogie zur Dampfdiffusion, auch von Dampfkonvektion. Damit wird auch ausgedrückt, dass sich die Schadensbilder bei beiden Vorgängen in der Praxis häufig ähneln. Wie in [19] gezeigt, verteilt sich die durch eine kleine Fehlstelle auf der Warmseite konvektiv eingedrungene Feuchte ähnlich wie bei der Dampfdiffusion relativ gleichmäßig über eine größere Fläche auf der Kaltseite. Die Dampfkonvektion kann in der Baupraxis nicht vollständig unterbunden werden. Selbst bei sorgfältigster Ausführung unter Vermeidung aller Leckagen in Anschlussbereichen z. B. durch Überkleben von Tackernadeln oder beim Verbinden einzelner Bahnen mithilfe von dafür vorgesehenen Klebebändern wird in der Regel keine vollständige und dauerhafte Luftdichtheit erreicht. Dies wurde durch die Versuche in [19] eindeutig nachgewiesen.
Zwar wird die Haft- und Schälfestigkeit von solchen Klebebändern gemäß DIN 4108-11 [20] in Bezug auf ihre Dauerhaftigkeit getestet. Allerdings wird dabei bislang nicht die Luftdichtheit der Klebeverbindung überprüft. Für die Luftdichtheit der Gebäudehülle aus energetischer Sicht spielt die in [19] ermittelte Restundichtheit von Klebeverbindungen keine Rolle. Aus feuchtetechnischer Sicht kann sie jedoch bei wenig feuchtetoleranten Konstruktionen Probleme verursachen. Deshalb muss bei der Feuchteschutzbemessung von Holzkonstruktionen grundsätzlich von einem gewissen Feuchteeintrag durch Dampfkonvektion ausgegangen werden. Entsprechende Ansätze dazu werden in den Abschnitten 3.2 und 3.3 beschrieben.
2.1.7 Anfangsfeuchte
In den 80er Jahren wurden oft noch Dachsparren aus grünem (nicht vorgetrocknetem) Holz eingebaut. Deshalb wurde damals in den Dachdeckerrichtlinien eine Belüftung der Ebene zwischen der Dämmschicht und dem Unterdach gefordert. Heute wird auch für Dächer nur noch getrocknetes Holz verwendet. Leider lässt das nicht darauf schließen, dass die Anfangsfeuchte im Holzbau (= Trockenbau) keine Sorgen mehr bereitet. Kommt es zum Einbau von feuchten Baustoffen kann die Anfangsfeuchte nach wie vor zu Problemen führen, wenn die Konstruktion nicht ausreichend diffusionsoffen ist. Ein kritischer Anfangsfeuchtegehalt ist oftmals der Situation während der Bauphase geschuldet. Baufeuchte mineralischer Baustoffe, wie z. B. ein frischer Estrich oder ein frisches Mauerwerk, geben erhebliche Wassermengen ab und können dadurch Holzbauteile auffeuchten. Das Gleiche gilt für Niederschlagsereignisse vor der Abdichtung, ein häufiges Problem bei Flachdächern. In solchen Fällen ist eine technische Trocknung des Holzbauteils oder eine genaue Verfolgung der natürlichen Austrocknung mithilfe von Sensoren vor der Inbetriebnahme empfehlenswert. Selbst wenn alle Baustoffe lufttrocken eingebaut wurden, ist eine gewisse Anfangsfeuchte vorhanden, die sich bei Inbetriebnahme des Gebäudes umverteilen und stellenweise erhöhte Feuchtegehalte verursachen kann. Deshalb sollten bei der Feuchteschutzbemessung im Holzbau die Anfangsbedingungen berücksichtigt werden. Wenn man diese nicht genauer kennt und eine erhöhte Angangsfeuchte ausschließen kann, ist es zweckmäßig, für alle Bauteilschichten deren Gleichgewichtsfeuchte bei 80% relativer Luftfeuchte anzusetzen. Das entspricht der Feuchte, die Baustoffe aufweisen, die regengeschützt unter Außenluftbedingungen gelagert wurden. Sorptive Dämmstoffe, die trocken gelagert wurden, haben meist jedoch einen geringeren Ausgleichsfeuchtegehalt. Hier kann als Anfangsfeuchte bei Bedarf die Gleichgewichtsfeuchte bei 50 % r. F. angesetzt werden, da höhere Werte eine zusätzliche Feuchtelast bedeuten würde. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn davon auszugehen ist, dass sie tatsächlich mit einer höheren Anfangsfeuchte eingebaut wurden.
2.1.8 Leitungswasserschäden
In Deutschland ereignen sich jedes Jahr mehr als eine Million Leitungswasserschäden in Gebäuden, d. h. jeder Einwohner ist statistisch gesehen mindestens einmal im Leben von einem Leitungswasserschaden betroffen. Deshalb ist die Reaktion von Baukonstruktionen und -materialien auf Leitungswasser und die Rücktrocknungsmöglichkeit auch ein Feuchteschutzthema. Im Gegensatz zu Leitungswasserschäden, die bevorzugt durch technische Trocknung behoben werden, ist bei Überschwemmungsschäden aufgrund von Verunreinigungen oft ein Austausch der betroffenen Materialien erforderlich. Da Leitungswasserschäden deutlich häufiger vorkommen als Überschwemmungsschäden, wurden deren Auswirkungen und die Effizienz von Methoden der technischen Trocknung an Fußbodenaufbauten, Wänden und Deckenkonstruktionen wissenschaftlich untersucht [21]. Wenn die Holzbauteile zwischen den Beplankungen gut durchströmbar sind, können sie mithilfe getrockneter oder erwärmter Luft rasch getrocknet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass auch das Wasser am Fußpunkt von Wänden ausreichend entfernt wird. Wichtig ist in allen Fällen, dass die Trocknungsmaßnamen schnell nach dem Schadensereignis beginnen, da es ansonsten zur Schimmelpilzbildung auf den feuchten Materialien kommen kann.
2.2 Auswirkungen von Temperatur- und Feuchtebeanspruchungen
Die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit sowie das energetische Verhalten von Holzkonstruktionen werden durch das Zusammenspiel der beschriebenen hygrothermischen Beanspruchungen bestimmt. Für die Beurteilung und Quantifizierung der Auswirkungen ist die Kenntnis der lokalen Mikroklimabedingungen im Bauteil und das Verständnis für die physikalischen, chemischen und biologischen Veränderungsprozesse von Bedeutung. Im Holzbau spielen die folgenden Feuchtewirkungen mit ansteigender Relevanz eine Rolle und sollten genauer betrachtet werden:
– Feuchtebedingte Erhöhung des Heizenergieverbrauchs,
– Schäden durch chemische Reaktionen, z. B. Korrosion,
– Alterung oder Entfestigung durch Feuchtewechsel- (Quell- und Schwindvorgänge) sowie hygrothermische Verformungsprozesse,
– Schäden durch mikrobielles Wachstum, z. B. Schimmelpilze, Holzfäule.
In Normen und Richtlinien zum Feuchteschutz wird auf diese Vorgänge meist nicht eingegangen, sondern es werden stattdessen Grenzwerte für den maximalen Feuchtegehalt bzw. die maximale Änderung des Feuchtegehalts oder für die maximale fiktive Tauwasserbildung, z. B. beim Feuchteschutznachweis nach Glaser, festgelegt. Auf die Sinnhaftigkeit solcher Grenzwerte wird später noch eingegangen. Das Ziel der Grenzwerte ist es jedenfalls, die gerade genannten Schadensprozesse zu verhindern. Da die Beurteilungsmethoden, für die die meisten dieser Grenzwerte entwickelt wurden, ausschließlich die Dampfdiffusion aus dem Raum in das Bauteil betrachten und alle anderen hygrothermischen Beanspruchungen negligieren, ist deren Aussagen mit Vorsicht zu begegnen. Daher muss die Beurteilung der unterschiedlichen Schadens- oder Alterungsprozesse in Zukunft eingehender untersucht werden. Erste Ansätze, die in der Regel eine hygrothermische Simulation oder detaillierte Messungen erfordern gibt es bereits. Auf sie wird im Folgenden kurz eingegangen und deren normative Umsetzung im Abschnitt 3 beschrieben.
2.2.1 Feuchtebedingte Erhöhung des Wärmedurchgangs
Wie bereits erwähnt, kann die Pendelbewegung von Feuchte in exponierten Außenbauteilen, wie z. B. bei Dächern, zu einem Latentwärmetransport führen, der kurzzeitig größer sein kann als der Wärmedurchgang durch Wärmeleitung. Über 24 Stunden betrachtet, ist der Effekt durch die Latentwärme allerdings deutlich kleiner und die energetische Auswirkung nur in Ausnahmefällen von Relevanz. Eine spürbare Erhöhung des langfristigen Wärmedurchgangs wäre nur gegeben, wenn der Transport in einer Richtung immer als Dampf und in der anderen als flüssiges Wasser erfolgen würde (Heatpipe-Effekt). So etwas könnte beispielsweise in einem Flachdach passieren, wenn das Tauwasser von der Kaltseite regelmäßig zur Warmseite zurücktropft. Bei einer ordentlich