Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301011
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wobei das Farbadjektiv durch ein weiteres Adjektiv oder ein Substantiv näher determiniert wird. Auch das Deutsche kennt derartige Determinativkomposita (Puderrosa, Altrosa). Sogar der aus dem Englischen entlehnte Farbton nude findet sich in einer Farbpalette von Dior.

      Ein besonders treffendes Beispiel für die fantasievolle Benennung von Farben zeigt folgende Textpassage aus marie claire idées no 116 (septembre-octobre 2016, S. 38), bei der es darum geht, ein Skateboard mit Sprühfarben zu gestalten:

      Bombes de peinture coloris discret, chrome cuivré, argenté glitter, moberry, bleu polaire, fluoro pink, potion.

      Fröhlich werden hier Anglizismen und originär französische Bestandteile gemixt. Auch über diesen Weg können Anglizismen relativ unbemerkt ins Französische gelangen. Die Skala der hier ins Auge gefassten Farben erweitert sich stetig, wobei davon auszugehen ist, dass viele dieser Farbnuancen bzw. ihre Bezeichnungen dem einzelnen Sprecher wohl kaum bekannt sind, auch wenn wir im Normalfall nach Kronberger (2017) ca. 100 000 Farbtöne unterscheiden können.

      Cf. zu dieser Thematik auch den Kommentar von Klaus Schamberger, einem bekannten Nürnberger Kolumnisten, in einem Artikel der Nürnberger Zeitung vom 10. Oktober 2016, S. 10:

      Jetzt drängt es mich aber noch zur löblichen Erwähnung eines sehr schönen Möbelhauses, dessen Prospektdichter einen Kleiderschrank in Form einer nahezu nobelpreisverdächtigen Sensationsmeldung anbietet. „Der Kleiderschrank […] bietet durch endlose Kombinationsmöglichkeiten jede Menge Stauraum.“ […] Noch dazu in folgenden scheint’s extra für mich erfundenen Farben: in Macchiato, Vulcan, Lava, Pacific blue, Lilac grey, und obacht! in Wildeiche. Bei der Wildeiche erheben sich in mir allerdings zwei Fragen […]: 1. Warum heißt die Farbe nicht Wild Oak, und 2. Gibt es neben der Wildeiche auch eine Zahmeiche?

      Die Entwicklung von Farben bzw. ihren Bezeichnungen steht zweifelsohne stark mit kulturellen und gesellschaftlichen Tendenzen in Verbindung (cf. in diesem Sinne ebenso Pastoureau 2013), auch wenn diese im Einzelfall noch näheruntersucht werden müssten. So ist auffällig, dass heute, wo Kochshows eine große Rolle spielen, viele Farbtöne nach Gewürzen benannt werden. Im Katalog der Textilfirma Landsʼ End finden sich z.B. Dunkel Ingwer (für ein dunkles Orange), Vintage Zimt (braunorange), Dunkel Koriander (heller Braunton), Dunkel Gewürz Braun (dunkelbraun) sowie Orangenzeste für ein dunkles Orange (burnt orange). Die deutsche Vogue (4/2016) präsentiert auf S. 68 ein À la carte Modemenü unter dem Motto „von Safran bis Zimt“ (beide fungieren auch im Französischen als Farbwörter). InStyle (April 2017, S. 36) propagiert Curry als aktuelle Modefarbe.

      Noch deutlicher werden diese Zusammenhänge im Eintrag für die Farbe Orange auf der Website der Einrichtungszeitschrift Schöner Wohnen:

      Orange ist eine Modefarbe. Das erkennt man schon daran, dass die Farbpsychologie vor ein paar Jahren feststellte, von Orange sei niemand sonderlich angetan, Frauen nur wenig, Männer gar nicht. Wie oft sieht man Orange heute! Seit der „orangenen Revolution“ in der Ukraine im Winter 2004/05, seit sich politische Parteien, große Firmen und Fernsehsender eine Corporate Identity in Orange zulegen, boomt die Farbe und demonstriert, wie schnell die Stimmungen wechseln können. Mit Orange zeigen sich die Bereitschaft zum Verändern und die Lust zum Trend. (Schöner Wohnen Farbe, online: s.v. Orange)

      Trend ist als Wohnfarbe laut Schöner Wohnen Farbe aktuell u.a. Sahara, das sehr poetisch beschrieben wird:

      Dieses Goldorange ist wie ein Spüren von Geräuschen, ein Horchen in die Natur, ein Nachfühlen über frohe Gedanken; „Sahara“ hat eine intensive Gefühlslage. Wer sein Zuhause zum Erlebnis machen möchte, das die Atmosphäre durchweht, das Freude macht, das die Wärme schenkt, liegt mit „Sahara“ goldrichtig. (Schöner Wohnen Farbe, online: s.v. Sahara)

      Farben vermitteln Emotionen, wie uns diese Passage deutlich vor Augen führt. Sie wirken auf uns, oft ohne dass wir uns dieser Wirkung bewusst sind. Dieses Potential lässt sich u.a. für die Behandlung von Krankheiten nutzen (cf. u.a. Riedel 51986; Eberhard 81990). So können z.B. Orange- und Pinktöne bei der Behandlung von Depressionen unterstützend eingesetzt werden.

      6 Fazit

      Im Hinblick auf die hier behandelte Thematik stellt sich eine grundsätzliche Frage: Was passiert, nachdem Sprachen das von Berlin und Kay angenommene Stadium VII erreicht haben? Ergibt sich damit auch eine lineare Proliferation der Secondary Color Terms oder entwickeln sich solche Farbbezeichnungen unter Umständen auch wieder zurück?

      Einige Modezeitschriften, die ich analysiert habe, legen diese Deutung nahe. In Modestrecken werden Farbtöne oft überhaupt nicht mehr benannt, man überlässt es dem Leser, die jeweiligen Farben zu identifizieren, was natürlich auch durch die hochentwickelte Drucktechnik ermöglicht wird, die es erlaubt, auch kleinste Farbnuancen wiederzugeben. So kommt auf ca. 80 Seiten Mode in marie claire 2 (automne-hiver 2014/2015) keine einzige Farbbezeichnung vor, mit Ausnahme der Bezeichnung off-white, die hier aber als Firmenname fungiert. Wieweit dies markenrechtlichen Gründen geschuldet ist, wäre zu überprüfen. Auffällig ist zudem, dass viele Autohersteller ihre Farbskala deutlich reduziert haben und oft nur noch Schwarz, Weiß, Silber und Blau zur Verfügung stehen. Cf. zur Farbe Blau in diesem Kontext u.a. Braem (102012:II): „Die neue Gefühls- und Bewußtseinsmatrix der globalen, mobilen Gesellschaft heißt offensichtlich Blau.“

      Orange, nach Braem (102012:III) „von Natur aus der lebhafte, quirlende Gegenpol zum eher ruhigen Blau“ hat damit aber noch nicht ausgedient, denn: „Beide Farben scheinen sich gegenseitig zu bedingen“ (Braem 102012:III). Sie bilden einen sogenannten Komplementärkontrast. Orange hat keinen universellen Farbfocus (cf. dazu Müller 2017), kann aber – wie jede Farbe – individuelle Assoziationen hervorrufen (ibid.). Wie alle Farben vereint auch Orange gegensätzliche Bedeutungen in sich: von Aggressivität bis Aktivität (zu Orange in der Werbung siehe auch Müller 2017). Und: „Wer ein Kinderzimmer so streicht, wird auch fröhliche Kinder haben, heißt es.“1 Die Trendhaarfarbe für 2017 ist übrigens blorange, sprachlich wie farblich eine Mischform aus blond und orange (cf. u.a. Nivea, online).

      Literatur

       Sekundärliteratur

      Berlin, Brent/Kay, Paul (1969): Basic Color Terms. Their Universality and Evolution. Berkeley/Los Angeles: University of California Press.

      Braem, Harald (102012): Die Macht der Farben. Bedeutung & Symbolik. Wien: Amalthea Signum [München: Langen-Müller/Herbig 11985].

      Eberhard, Lilli (81990): Heilkräfte der Farben. Farben als Heilmittel. Anwendung in der Praxis. Ergolding: Drei Eichen [11974].

      Glanemann, Claudia (2003): Farbe zwischen Universalismus und Relativismus. Gebrauch und Bedeutung der Farbbezeichnungen im heutigen Französischen, mit Berücksichtigung des Italienischen und Deutschen. Münster (Westfalen): Universität Münster [Dissertation].

      Heller, Eva (32006): Wie Farben wirken. Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt [11989].

      Ilea, Martina (2017): Die PURPLE-Kategorie der Basic Color Terms im Französischen. München: Universität München [Zulassungsarbeit].

      Kay, Paul/McDaniel, Chad K. (1978): „The Linguistic Significance of the Meanings of Basic Color Terms“, in: Language 54, 610–646.

      Kristol, Andres M. (1978): Color. Les langues romanes devant le phénomène de la couleur. Bern: Francke.

      Küppers, Harald (22012): Farbenlehre. Ein Schnellkurs. Köln: DuMont [12005].

      MacLaury, Robert E. (2001): „Color terms“, in: Haspelmath, Martin/König, Ekkehard/ Oesterreicher, Wulf/Raible,