Auf der anderen Seite der Skala nähert sich Orange den Rosétönen. Während melon noch – ähnlich wie abricot – als sanftes Orange bezeichnet werden kann und mangue als Farbadjektiv im TLF als „Couleur rose-orangé“ charakterisiert wird, tendieren saumon/saumoné und corail schon stärker zum Rosé-Bereich, auch wenn saumon in PR wie folgt definiert wird: „D’un rose tendre tirant légèrement sur l’orangé“ (Erstbeleg nach TLF: 1860/1903 (saumoné)). Corail existiert laut TLF seit 1907. Flamant bzw. flamant rose (das Deutsche kennt Flamingo als aktuelle Modefarbe) dienen ebenfalls als Farbbezeichnungen aus dem Rosa-Spektrum. PR führt es nicht in dieser Funktion, TLF gibt Belege von 1944 und 1953, so dass es sich also auch hier um Neubildungen des Gegenwartsfranzösischen handelt. Daneben wäre noch pêche zu nennen, das nach TLF als „d’un rose pâle“ definiert wird und 1803 erstmals als Farbwort auftritt.
3 Die französischen Farbwörter rose und violet sowie benachbarte Bezeichnungen
Die zentralen Bezeichnungen rose und rosé finden sich als Wortform bereits im Altfranzösischen, bleiben aber teilweise in ihrer Bedeutung unklar (cf. Schäfer 1987:59). PR datiert rose auf das 15. Jahrhundert: „Qui est d’un rouge très pâle, comme la rose“ (Rosen gab es damals offenbar nur in dieser Farbe).
Ein kräftiger bzw. dunkler Rosa-Ton wird im Deutschen heute häufig mit Pink benannt, das aus dem Englischen übernommen wurde. Das Französische kennt dieses Wort kaum, vielleicht weil man Anglizismen im Französischen häufig ablehnend gegenübersteht. Am ehesten entspricht wohl rose bonbon diesem Farbton (im PR ohne Datierung), vielleicht ist auch fuchsia (cf. Mollard-Desfour 2002, s.v.) als französische Entsprechung zu pink geeignet, wird im PR aber nicht als Farbwort ausgewiesen. Des Weiteren käme noch cyclamen in Frage, das aber bereits einen Übergang zur Violettskala bedeutet. PR: „couleur mauve propre à cette fleur“ (ohne Datierung). Hinzu kommen in den letzten Jahren Beerentöne, die ebenfalls zwischen dem ROSA- und dem VIOLETT-Bereich liegen. So verwendet die Firma Deerberg die englische Bezeichnung cranberry für einen Rosarotton. Bei Land’s End wird das französische baie gebraucht (im PR nicht als Farbe angegeben).
Was die Violett-Töne angeht, so kennt das Altfranzösische hier bestenfalls po(u)rpre, das einem Rotlila nahekommt, und violete (cf. Schäfer 1987:94) (heutiges violet wird nach PR als „mélange du bleu et du rouge“ definiert), die „sich aber dennoch weder durch Anwendungsbreite noch durch hohe Belegzahlen als Repräsentanten eines eigenen Grundfarbbereichs qualifizieren“ (Schäfer 1987:119). Auch hier nimmt die Ausdrucksvielfalt in der Entwicklung zum Neufranzösischen erheblich zu. Der Eintrag violet im PR verweist auf Synonyme wie violacé, lilas, mauve, parme sowie neben dem immer noch existenten pourpre auch violine („De couleur violet pourpre“), des Weiteren auf aubergine, lie-de-vin und prune, letztere in der Bedeutung „violet foncé“. Lilas wurde über dasSpanische und Portugiesische aus dem arabisch-persischen Sprachbereich entlehnt und ist erstmals um 1600 belegt, violine datiert aus dem Jahr 1872, mauve als Farbbezeichnung aus dem Jahr 1875, parme ist erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts belegt. Für lie-de-vin als Farbadjektiv ist im PR kein Erstbeleg angegeben (TLF: 1797 bzw. 1804), ebensowenig wie für aubergine. Dieses ist von der gleichnamigen Frucht abgeleitet, die 1750 erstmals im Französischen auftaucht, d.h. das Farbadjektiv wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit erst danach gebildet. TLF nennt hier den Erstbeleg 1866. Violacé (PR: „Qui tire sur le violet“) findet sich erstmals 1777. Mûre und cassis gelten im PR nicht als Farbbezeichnungen. Prune ist als Farbe laut PR seit 1780 belegt. Hinzu käme lavande, das im PR in der Farbwortfunktion nur als „Bleu lavande, bleu mauve assez clair“ aufscheint, also offensichtlich der Blauskala zugerechnet wird, während mauve wohl eher zum Violett-Spektrum gehört (PR: „D’une couleur violet pâle“, seit 1892).
4 Zwischenfazit
Fassen wir zusammen: Die Farbtypen ORANGE, ROSA und VIOLETT spezialisieren sich im Lauf der französischen Sprachgeschichte immer mehr.1 Ihrerseits bereits Mischfarben (Sekundärfarben), dienen sie zusammen mit anderen Farben als Grundlage für weitere Nuancierungen. Wie schon erwähnt, finden im Bereich der Farbbezeichnungen häufig Entlehnungsprozesse statt. In diesem Fall hat das Französische oft die Rolle der Gebersprache. Im Deutschen finden wir u.a. rosé, violett, mauve, beige (cf. zu letzterem Müller 2017) und natürlich orange und cognac, ebenso das seit einigen Jahren als Modefarbe gern verwendete taupe, ein Grau-Braun-Ton, und bleu als ,mot aller et retour‘, während nude als Modefarbe der letzten Jahre, die für einen sehr blassen Roséton steht und im Deutschen auch mit hautfarben wiedergegeben werden könnte, aus dem Englischen entlehnt wurde. Französisch war lange Zeit die führende Sprache auf dem Gebiet der Mode, wird heute aber zum Teil durch das Englische abgelöst.
5 Aktuelle Tendenzen der Farbbezeichnungen im Französischen und Deutschen
Bei den neueren Farbbezeichnungen im Französischen fällt auf, dass es sich in zahlreichen Fällen um unveränderliche Adjektive handelt. Sie schwächen die Kategorie ‚Genus‘ nicht nur im gesprochenen, sondern auch im geschriebenen Französisch und verstärken damit die Tendenz zur Prädetermination. In der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind sie von Substantiven durch Konversion abgeleitet und entsprechen so einem verbreiteten Wortbildungstrend des modernen Französischen. Außerdem erhöhen sie die semantische Differenzierung im Lexikon bzw. die Polysemie. Eine Besonderheit im Französischen bilden Dubletten wie rose/rosé, orange/orangé, ocre/ocré und saumon/saumoné.
Als Quelle für diesen lexikalischen Reichtum des modernen Französisch dienen in erster Linie Blumen bzw. Pflanzen im allgemeinen, (exotische) Früchte und Gemüsesorten, die in ihrer Farbgebung auffällig bzw. neu sind, daneben auch einzelne Vertreter aus dem Tierreich (flamant (rose), saumon, renard). Seltener sind Tanz- (tango) oder Städtebezeichnungen (parme) die Grundlage.
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Brauchen wir solch differenzierte Farbsysteme? Warum reichen die Grundfarben und nicht einmal die Sekundärfarben mehr aus?
Zunächst denkt man in diesem Kontext sicher an den Bereich der Mode: Modefarben wechseln fast jede Saison, so dass hier spezifische und immer wieder neue Bezeichnungen geradezu notwendig erscheinen (auch Autofarben wären ein lohnendes Untersuchungsgebiet). Ähnliches gilt für die Bereiche Dekoration und Einrichtung, die ebenfalls einer gewissen Mode unterworfen sind.1 Ich habe daher einige Zeitschriften zu diesen Feldern auf das Vorkommen von Farbbezeichnungen hin analysiert – mit teils überraschenden Ergebnissen.
Ich beginne mit einer Textstelle aus Brigitte Nr. 13 (8.6.2016). Dort heißt es S. 82:
Die frischen Beauty-Farben für diesen Sommer machen gute Laune und Lust auf Obst! Erdbeer, Orange oder Melone für den Mund, Drachenfrucht-Pink oder Aprikose auf den Wangen.
Auch im Bereich ‚Kosmetik‘ benötigen wir also eine stark differenzierte Farbskala. Was hier für das Deutsche illustriert wird, lässt sich zumindest teilweise auf das Französische übertragen, wenngleich melon als Farbbezeichnung im PR nicht ausgewiesen ist und es sich bei Drachenfrucht-Pink wohl nur um eine Augenblicksbildung handelt. Dennoch verdeutlicht letzteres den Entstehungsprozess zahlreicher Farbbezeichnungen. Eine bisher weitgehend unbekannte Frucht liefert die Grundlage für einen neuen Farbton, der auch nach ihr benannt wird, cf. papaye, nectarine etc., die ebenfalls den ORANGE-Bereich ausweiten. Fraise ist (ebenso wie framboise) im Französischen eher ein Rotton, während er im Deutschen wohl dem Rosa-Spektrum zuzurechnen ist.
Die Analyse von marie claire idées no 116 (septembre-octobre 2016) – eine an ein weibliches Publikum gerichtete Zeitschrift aus dem Kreativbereich – hat die Rosa-Skala um folgende