Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301011
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la construction conjonction + pronom sujet + verbe (+ complément) prédominait dès l’époque de l’Alexis.

      Daraus ergibt sich eine offensichtliche „Asymmetrie“ zwischen Haupt- und Nebensätzen,9 ohne dass dafür etwaige pragmatische Gründe geltend gemacht werden können.

      Im Folgenden sollen im Licht dieser Erkenntnisse die ältesten Sprachdenkmäler des Altfranzösischen einer genauen Analyse in Bezug auf die Setzung/Nicht-Setzung des Subjektpronomens unterzogen werden, von den Straßburger Eiden (9. Jh.) bis zu den Quatre Livre des Reis (12. Jh.).10 Dass die meisten der bis dahin überlieferten Texte metrisch gebundene Texte sind, ist für eine syntaktische Untersuchung ein Nachteil, der sich aber nicht umgehen lässt.

      3 Empirische Untersuchung

      3.1 Vorbemerkungen

      Untersucht werden deklarative Hauptsätze (keine Fragesätze, Imperativsätze und Optativsätze) und Nebensätze. Nicht berücksichtigt werden weiter impersonale Ausdrücke, da die Setzung des expletiven il oder „il neutre“ (dt. „es“) der Setzung des referentiellen Subjektpronomens chronologisch nachgeordnet ist; cf. dazu Moignet (1965:96–97) und Buridant (2000:§ 342, S. 427): „La non-expression est particulièrement fréquente dans le cas des verbes impersonnels, où il sujet neutre ne s’impose que lentement“. Die Setzung bzw. Nicht-Setzung des expletiven il muss von derjenigen des referentiellen Subjektpronomens daher unbedingt getrennt beschrieben werden.1

      Festzuhalten ist, dass auch die Negation als Element „X“ funktionieren kann, welches dann Inversion bewirkt, mit der Folge der Nicht-Setzung eines pronominalen Subjekts:2

       (8) [Ewruin:] Ne vol Ø reciwre Chielperin (Leodegarlied V. 57)

      Cf. dazu Franzén (1939:24, 66–67, 128) und Buridant (2000:§ 340). Grund ist nach Franzén, dass die Negation ursprünglich ein betontes Element war.

      Vorauszuschicken ist auch noch eine Bemerkung zur Nicht-Setzung des Subjektpronomens innerhalb derselben Satzkonstruktion in syndetischer oder asyndetischer Parataxe bei dem Vorliegen eines identischen Subjektreferenten. In solchen Fällen muss der Referent, der das aktuelle Diskurstopic darstellt, nicht noch einmal genannt werden. Zunächst zu syndetischer Parataxe mittels et:3

       (9) Après parlat ses filz envers Marsilies,Et Ø dist al rei: „[…]“ (Rolandslied V. 496)

      Noch im Neufranzösischen ist bei Topic-Kontinuität nach et eine nochmalige Nennung des Subjektreferenten nicht nötig, cf. Il mange un bifteck et Ø boit un verre de rouge. Zu asyndetischer Parataxe:

       (10) Voldrent la veintre li Deo inimi,Ø Voldrent la faire dïaule servir. (Eulaliasequenz V. 3–4)

       (11) La domnizelle celle kose non contredist:Ø Volt lo seule lazsier, si ruovet Krist. (Eulaliasequenz V. 24)

       (12) Ille amat Deu, Ø lo covit;Ø rovat que litteras apresist. (Leodegarlied V. 17–18)

      Da die Interpunktion von dem modernen Herausgeber stammt, können wir auch einen Doppelpunkt wie in Beisp. (11) und ein Semikolon wie in Beisp. (12) unter „Topic-Kontinuität innerhalb derselben komplexen Satzkonstruktion“ subsumieren, denn der Herausgeber hätte ja auch ein Komma schreiben können.4

      Im Fall von syndetischer und asyndetischer Parataxe sind es also pragmatische Gründe (Topic-Kontinuität), die für die Nicht-Setzung des Subjektpronomens verantwortlich sind.5

      3.2 Corpus-Untersuchung1

      3.2.1 IX. Jh.

       Straßburger Eide (843) 1

      (Textumfang: 14 Zeilen)

      Vorbemerkungen: om „man“ (Z. 6) wird nicht als Subjektpronomen angesehen, und auch io in ne io ne neuls (Z. 13), ein disjunktes Pronomen, das nicht weggelassen werden kann, wird nicht als Subjektpronomen gezählt, obwohl io hier Subjekt von er (Z. 14) ist.

      Der althochdeutsche (genauer: rheinfränkische) Wortlaut wird nur angegeben, wenn Parallelen zwischen dem altfranzösischen und dem althochdeutschen Text aufgezeigt werden sollen.2

       (13) [Der Ostfranke Ludwig der Deutsche leistet den Schwur auf Altfranzösisch:]31 Pro Deo amur […]42 et nostro commun salvament […],3 in quant Deus savir et podir me dunat,4 si salvarai eo cist meon fradre Karlo haldih thesan mīnan bruodher5 et in aiudha et in cadhuna cosa,6 si cum om per dreit son fradra salvar dift,7 in o quid il mi altresi fazet,in thiu thaz er mig sō sama duo,8 et ab Ludher nul plaid nunquam prindrai Ø,indi mit Ludheren in nohheiniu thing ne gegango Ø,9 qui, meon vol, […] in damno sit.

       (14) [Die Heerführer leisten den Schwur in ihrer jeweiligen Muttersprache – derjenige Karls des Kahlen auf Altfranzösisch und derjenige Ludwigs des Deutschen auf Althochdeutsch:]10 Si Lodhuuigs sagrament que Ø son fradre Karlo jurat conservat,Oba Karl then eid, then er sīnemo bruodher Ludhuuuīge gesuor, geleistit11 et Karlus […] non l’ostanit,12 si io returnar non l’int pois,ob ih inan es iruuenden ne mag:13 ne io ne neuls cui eo returnar int pois,noh ih noh thero nohhein, then ih es iruuenden mag,14 in nulla aiudha contra Lodhuuuig nun li iu er.

      Alle Setzungen bzw. Nicht-Setzungen des Subjektspronomens sind „regelkonform“, mit einer einzigen scheinbaren Ausnahme (v. infra). Im altfranzösischen Wortlaut wird viermal das Subjektpronomen gesetzt,5 einmal im Hauptsatz: si salvarai eo (Z. 4) und dreimal im Nebensatz: in o quid il [...] fazet (Z. 7); si io [...] pois (Z. 12); cui eo [...] pois (Z. 13), ohne jede Hervorhebung. Der althochdeutsche Wortlaut weist in allen Fällen eine Entsprechung auf.

      In zwei Fällen wird das Subjektpronomen nicht gesetzt; einmal im Hauptsatz nach „X“: X prindrai (Z. 8)6 (genauso im Althochdeutschen) und einmal im Nebensatz in Verbindung mit „X“: que [.…] jurat (Z. 10).

      Alle diese Fälle entsprechen der „Prognose“ in § 2 bis auf Z. 4, wo es im Hauptsatz heisst: si salvarai eoSi ist Adverb und löst Inversion aus; hier steht also ausnahmsweise das Subjektpronomen in Inversion (ebenso im althochdeutschen Wortlaut: sō haldih). Es werden uns noch weitere derartige Fälle begegnen. Bei der Prognose bezüglich der Nicht-Setzung in Inversion handelt es sich also nicht um eine strikte „Regel“, sondern nur um eine mehr oder weniger ausgeprägte „Tendenz“. In den Zitaten in § 2 aus Foulet und Franzén heisst es ja auch, dass das Subjektpronomen in Inversion „très souvent“, „le plus souvent“ fehle, aber eben nicht immer.7

      3.2.2 X. Jh.

       Eulaliasequenz (um 900) 1

      (Textumfang: 29 Zeilen)

      Das Subjektpronomen wird hier siebenmal ohne jede Hervorhebung gesetzt, viermal im Hauptsatz: Elle nont2 eskoltet (V. 5), Il […] enortet (V. 13), Ellent3 adunet (V. 15), Elle […] non auret (V. 20), und dreimal im Nebensatz: Qu’elle […] raneiet (V. 6), Qued elle fuiet (V. 14), Qu’elle perdesse (V. 17).

      Das Subjektpronomen wird im Hauptsatz elfmal nicht gesetzt (ohne Berücksichtigung der impersonalen Verbform chielt, V. 13), davon neunmal nach „X“, z.B. bel auret corps (V. 2),4 und zweimal in asyndetischer Parataxe nach einem Komma/Doppelpunkt des Herausgebers bei identischem Subjekt/Topic, cf. oben die Beispiele (10)-(11). Im Nebensatz wird dreimal das Subjektpronomen nicht gesetzt, davon zweimal in Verbindung mit „X“ vor dem Verb (V. 26, V. 28).5 Alle Setzungen/NichtSetzungen sind „regelkonform“ mit einer Ausnahme:

       (15) Enz enl fou lo6 getterent com Ø arde tost:Elle colpes non auret, poro nos coist. (V. 19–20)