Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301011
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wir hätten sonst in dieser Zeile mit elf Silben, die mit der folgenden elfsilbigen Zeile in V. 20 durch die Assonanz gebunden ist, zwei Silben mehr.7 Cf. dazu auch Buridant (2000:426, § 341): „[D]ans les textes versifiés, des facteurs métriques peuvent jouer dans le choix entre expression/non-expression“. Dasselbe gilt auch für die frühen assonierenden Texte.

       Jonasfragment (2. Viertel 10. Jh.) 8

      (Textumfang: ein Folium; 226 Zeilen)

      (Mischsprachlich lat.-afrz.)

      Es handelt sich um das Fragment einer Homilie über den Propheten Jonas, z.T. in Tironischen Noten auf der Basis des Lateinischen geschrieben. Die recto-Seite ist in so schlechtem Zustand überliefert (cf. die Abbildung von Vorder- und Rückseite des Foliums bei de Poerck 1955, nach S. 40), dass sie sich kaum auswerten lässt. Immerhin fällt ein Subjektpronomen im Nebensatz ins Auge, das festzuhalten ist, auch wenn der Kontext fehlt:

       (16) quant il lo… (Z. 22)9

      Die verso-Seite ist besser lesbar. Hier fallen im Hauptsatz auf:

       (17) tu douls mult a… (Z. 178)

       (18) e jo ne dolreie de tanta milia hominum […]? (Z. 181–182)

      und im Nebensatz:

       (19) inde habuit misericordias si cum il semper solt haveir de peccatore. (Z. 115–116)„daher hatte er Mitleid mit dem Sünder, wie er [es] immer zu haben pflegte“10

       (20) cum il faciebat de perditione Iudeorum. (Z. 127)

       (21) porqet il en cele durecie et en cele encredulitet permes sient. (Z. 166–167)

       (22) si cum il ore sunt. (Z. 173)

       (23) cum co uidit qet il se erent convers de uia sua mala (Z. 194)

       (24) liberi de cel peril qet il habebat discretum (Z. 196–197)

      Andererseits fehlt das Subjektpronomen „regelkonform“ in Inversion nach si:

       (25) si escit Ø foers de la ciuitate. e si sist Ø contra orientem ciuitatis. e si auardevet11 Ø cum Deus parfereiet… (Z. 136–138)

      Wir finden sogar eine Reihe von nicht gesetzten Subjektpronomina im Nebensatz in Verbindung mit „X“ (cf. § 2, Beisp. (5) und Z.10 der Straßburger Eide):

       (26) qe Ø super els metreiet. (Z. 118)

       (27) [als Fortsetzung von Beisp. (24)]: qe Ø super els mettreiet. (Z. 197)

       (28) <et preparavit Dominus> un edre sore sen cheve qet Ø umbre li fesist. (Z. 145–146)12

       (29) <tant laveient of>fendut. qe Ø tost le uolebat delir. (Z. 187)

       (30) E poro si vos avient <qe bie>n faciest cest triduanum ieiunium qet Ø oi comenciest. (Z. 201–203)

       (31) poscite li qe cest fructum qe Ø mostret nos habet qel nos conservet. (Z. 214–216)

      Das Fazit ist, dass sich auch in dieser schwer beschädigten Handschrift die Regeln der Setzung bzw. Nicht-Setzung des Subjektpronomens deutlich erkennen lassen. Den angeführten Beispielen kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie die Mechanismen zeigen, denen nicht-literarische, metrisch nicht gebundene Gebrauchstexte (zu denen auch die Straßburger Eide gehören) folgen. Der Setzung des Subjektpronomens in den Beisp. (16)-(24)), die den in § 2 vorgestellten Prinzipien folgen, kommt keinerlei „Hervorhebungsfunktion“ zu. Von größtem Interesse sind auch die nicht gesetzten Subjektpronomina in Nebensätzen in Verbindung mit einem dem finiten Verb vorangestellen „X“ (Beispiele (26)-(31)).

       Leodegarlied (um 1000) 13

      (Textumfang: 240 Verse)

      Regelkonforme Setzungen des Subjektpronomens im Hauptsatz (z.B. Il lo reciut, V. 21) und im Nebensatz (z.B. cum il l’audit, V. 42) müssen hier und im Folgenden nicht mehr kommentiert werden, und auch nicht mehr die häufige Nicht-Setzung im Hauptsatz nach „X“ (z.B. Dominedeu devemps Ø lauder, V. 1). Es sollen also nur noch interessante Fälle und „Ausreißer“ zur Sprache kommen.

      Die Nicht-Setzung des Subjektpronomens kommt im Hauptsatz, außer nach „X“ und in Verbindung mit der Negation (cf. Beisp. (8)), auch in Teilsätzen vor, die bei identischem Subjektreferenten/Topic in asyndetischer Parataxe angeschlossen sind, cf. Beisp. (12). Im Nebensatz finden wir die Nicht-Setzung in Verbindung mit einem betonten Element vor dem Verb. Auch sie ist als regelkonform anzusehen (cf. oben zum Jonasfragment).

      „Ausreißer“ im Hauptsatz sind nur zwei Vorkommen des Verbs in absoluter Initialstellung:

       (32) Ø Uarda, si vid grand claritet (V. 201)

       (33) Ø Rendet ciel fruit espiritelquae Deus li auret per donet. (V. 215–216)

      In beiden Beispielen ist der Subjektreferent mit dem des vorausgehenden Subjekts und Topics identisch (Topic-Kontinuität), aber es beginnt ein neuer Satz (ein Punkt geht voraus). Franzén (1939:50) bemerkt zu solchen Fällen nur kurz, sie kämen mit Vorliebe in den Chansons de geste vor.

      Im Hauptsatz gibt es ein paar Fälle, in denen das Subjektpronomen trotz der Anwesenheit eines vorausgehenden „X“ gesetzt wird, z.B.

       (34) fid aut.il grand e veritet (V. 34)„lealtà ebbe egli grande e scrupolo della verità“14

      Die Konstruktion X-V-Spr wird hier durch das Metrum (den Achtsilbler) bedingt sein. Aber auch in nicht metrisch gebundenen Texten kann die Setzung des Subjektpronomens nach „X“ vorkommen (cf. Z. 4 der Straßburger Eide), so dass diese Konstruktion nicht als „Ausreißer“ gelten soll.

      In den folgenden beiden Beispielen fällt hingegen die unregelmäßige Setzung des Subjektpronomens auf:

       (35) Dominedeu [= DO], // il lo laissat (V. 127)15

       (36) Dominedeu [= IO] // il les lucrat (V. 214)„al Signore Iddio li guadagnò“16

      Hier würde die Nicht-Setzung des Subjektpronomens nach dem einleitenden Element „X“ Dominedeu das Metrum des 2. Halbverses zerstören, das vier Silben erfordert:

       (35') *Dominedeu // laissat Ø

       (36') *Dominedeu // les lucrat Ø

      In Beisp. (36') wäre außerdem aufgrund des „Tobler-Mussafia-Gesetzes“ die Stellung des unbetonten Objektpronomens zu Beginn des zweiten Halbverses nicht zulässig (cf. dazu Foulet 1968 [1930]:§ 162).

      Unregelmäßig, aber im Altfranzösischen zuweilen (v.a. in Versepen) vorkommend, ist auch die Wiederaufnahme eines lexikalischen Subjekts durch das Subjektpronomen:

       (37) [Am Laissenanfang:] Rex Chielperings // il se fud mors; (V. 115)

      Dieser Konstruktionstypus, der formal wie ein Subjekts-Left detachment im modernen Französisch aussieht, besitzt jedoch im Altfranzösischen eine andere Funktion, die man „rhetorisch“ und „rhythmisch“ nennen kann; cf. die Diskussion bei Wehr (2007:486–488).

      Auch im Nebensatz gibt es ein paar „Ausreißer“, nämlich die Nicht-Setzung des Subjektpronomens nach der Konjunktion und dem Relativpronomen, die den Nebensatz einleiten. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die (zu erwartende) Setzung das Metrum verändern würde