Seitenblicke auf die französische Sprachgeschichte. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301011
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et Ulixen quidam opinantur longo illo et fabuloso errore in hunc Oceanum delatum adisse Germaniae terras, Asciburgiumque, quod in ripa Rheni situm hodieque incolitur, ab illo constitutum nominatumque; aram quin etiam Ulixi consecratam, adiecto Laërtae patris nomine, eodem loco olim repertam, monumentaque et tumulos quosdam Graecis litteris inscriptos in confinio Germaniae Raetiaeque adhuc extare. quae neque confirmare argumentis neque refellere in animo est: ex ingenio suo quisque demat vel addat fidem. (Tacitus, Germ. 3, 1914:134)

      To return. Ulysses also – in the opinion of some authorities – was carried, during those long and storied wanderings, into this ocean, and reached the countries of Germany. Asciburgium, which stands on the banks of the Rhine and has inhabitants today, was founded, they say, and named by him; further, they say that an altar dedicated by Ulysses, who coupled therewith the name of his father Laertes, was once found at the same place, and that certain barrows with monuments, inscribed with Greek letters, are still extant on the borderland between Germany and Raetia. I have no intention of furnishing evidence to establish or refute these assertions: everyone according to his temperament may minimise or magnify their credibility. (Tacitus, Germ. 3, 1914:135)

      Die Stelle ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert; sie konstruiert einerseits und ohne jede historische Fundierung einen mythischen Zusammenhang zwischen der Irrfahrt des Odysseus und der Romanisierung des Niederrheingebiets; andererseits ist sie jedoch frappierend, da ja nicht nur aus Gallien, sondern gerade auch aus der nachmaligen Provinz Raetia ‚Rätien‘ gallische Inschriften in griechischer Schrift belegt sind (vgl. Lambert/Lejeune 1994, Petersmann 2016), und dies – nach Auskunft der beschriebenen Scherbe von Manching (bei Ingolstadt) – bereits in vorrömischer Zeit (cf. David 2015). Darüber hinaus wurden in Rätien etliche nicht verständliche Inschriften gefunden, die in einem Alphabet verfasst sind, das von der heutigen Forschung als „rätisch“ bezeichnet wird und das über etruskische Vermittlung ohne jeden Zweifel ebenfalls auf ein westgriechisches Alphabet zurückführt. Man kann also geradezu den Eindruck haben, das Wissen um die griechischen Inschriften bzw. die Inschriften in griechischem Alphabet habe Tacitus auf die Idee gebracht, ausgerechnet Odysseus zum „Entdecker“ des Rheinlands zu erheben.

      Hier ist jedoch vor allem der keineswegs sagenhafte, sondern bis heute mindestens teilweise erhaltene Ortsname Asciburgium relevant, der im zitierten Passus genannt wird: Während die zweite Konstituente –burgium im Laufe der Geschichte durch phonetisch ähnliches –berg ersetzt wurde, hat sich die erste Konstituente bis in die heutige Form Asberg erhalten; dieser Ort, ein Stadtteil des heutigen Moers, gehört zu den bedeutenden provinzialrömischen Fundorten in der ehemaligen Provinz Germania inferior, die nicht allzu lange vor der mutmaßlichen Abfassung von Tacitus’ Schrift (98 n. Chr.?) von den Batavern geplündert worden war (69 n. Chr.), wie wiederum Tacitus in seinen Historiae (4, 33; 1931:60) berichtet, und danach unter Vespasian (Kaiser von 69–79 n. Chr.) neu belegt und wieder ausgebaut worden ist. Die Mitteilung dieses Namens hatte daher womöglich eine gewisse Aktualität. Ein Blick auf die Tabula Peutingeriana (online) zeigt übrigens, dass sich in unmittelbarer Nähe von Asciburgium ein Name mit der Variante burgus-, nämlich Burginatium,1 das heutige Kalkar, findet:

      Abbildung 1: Visualisierung des Ausschnitts aus der Tabula Peutingeriana nach Verba Alpina (online: https://www.verba-alpina.gwi.uni-muenchen.de?page_id=133&tk=199)

      Eine spätere Quelle, Ammianus Marcellinus (ca. 325-ca. 395 n. Chr.), belegt wiederum am Rhein in einer Aufzählung mehrerer gut identifizierbarer Orte, die Kaiser Iulian (Kaiser 360–363 n. Chr.) wieder instand setzen ließ, ein Quadriburgium, das mit dem heutigen Qualburg in der Gemeinde Bedburg-Hau (Kreis Kleve) übereinstimmen dürfte:

      Et utrumque perfectum est spe omnium citius. Nam et horrea veloci opere surrexerunt, alimentorumque in eisdem satias condita, et civitates occupatae sunt septem: Castra Herculis Quadriburgium Tricensima et Novesium, Bonna Antennacum et Vingo, ubi laeto quodam eventu, etiam Florentius praefectus apparuit subito, partem militum ducens, et commeatuum perferens copiam, sufficientem usibus longis. (Ammianus XVIII, 4; 1950:406–408)

      For not only did the granaries quickly rise, but a sufficiency of food was stored in them; and the cities were seized, to the number of seven: Castra Herculis [= Arnhem-Meinerswijk], Quadriburgium [= Qualburg], Tricensima [= Xanten] and Novesium [= Neuss], Bonna [= Bonn], Antennacum [= Andernach] and Vingo [= Bingen], where by a happy stroke of fortune the prefect Florentius also appeared unexpectedly, leading a part of the forces and bringing a store of provisions sufficient to last a long time. (Ammianus XVIII, 4; 1950:407–409)

      Zwei weitere burgus-Namen bezeugt die Tabula Peutingeriana in Pannonia inferior, nämlich Tittobvrgo, das heutige Dalj (ganz im Nordosten Kroatiens)2 und Bvrgenis, das heutige Novi Banovci (20 km. nordwestlich von Belgrad; cf. RE, Band III, 1, Sp. 1062). In beiden Fällen handelt es sich um Auxiliarkastelle die ebenfalls bereits auf augusteisch-tiberische Zeit (30 v. Chr.-37 n. Chr.) zurückgehen.3

      Das bei Tacitus erwähnte Asciburgium präsentiert sich im 1. Jahrhundert n. Chr., zur Zeit der Erwähnung, so wie alle früh belegten Kastelle als eine Anlage mit Erdwällen und wohl auch mit einer zugehörigen Zivilsiedlung (canaba); man darf also hinter der namensbildenden Konstituente burg(i)us ein Appellativ mit der Bedeutung ‚nicht durchgängig in Stein ausgeführtes Grenzkastell mit einer peripheren canaba‘ vermuten.

      2 Ein appellativischer Beleg

      Einen wortgeschichtlich bedeutsamen Beleg von burgus in appellativischer Verwendung liefert nun eine etwas oberhalb des Moseltals, zwischen Bernkastel-Kues und Koblenz, in Mittelstrimmig (Ortsteil Liesenich), gefundene Bauinschrift. Dort heißt es:

      Qui burgum (a)edificaverunt Lup(ulinius) Am/minus pr(a)efectus Sab(inius) Acceptio Vid(ucius) / Perpetu(u)s Flavius Tasgillus CO() Lepidus / Min(ucius) Luppus cum C(a)es(ius) Ursulus paratus / est Victorino Augusto et / Sa(n)cto co(n)s(ulibus) X Kal(endas) Iunias

      Hier erbauten der Präfekt Lupulinus Amminus, Sabinius Acceptio Viducius, Perpetuus Flavius Tasgillus, CO(), Lepidus Minucius Luppus gemeinsam mit Caesius Ursulus einen Burgus; er wurde für den Herrscher Victorinus und für Sanctus, die Konsulen, eingerichtet, 10 Tage vor den Kalendae des Juni (Übers. Th.K.)1

      Die Inschrift ist auf einen 23. Mai datiert, der von der Forschung dem Jahr 270 n. Chr. zugeschrieben wird.2

      Der Beleg ist für die Wortgeschichte von zentraler Bedeutung; denn burgus referiert hier auf einen spezifischen, unmittelbar vor Anbringung der Inschrift ausgeführten Gebäudetyp und nicht auf einen gesamten Siedlungskomplex (Grenzkastell mit canaba), nämlich auf eine kleinere, aber in massiver Steinbauwiese ausgeführte, turmähnliche Befestigungsanlage.

      Durch Wiederstandsmessungen im Erdreich des Vicus bei Mittelstrimmig ließ sich die inschriftlich belegte Kleinfestung genauestens lokalisieren. Mächtige Mauern schützten ein 13x18 m großes durch Räume unterteiltes Gebäude mit kleinem Innenhof. Der Festungsbau war von zwei Gräben umgeben. Die bis zu 48 m langen Gräben zeigen keine Unterbrechung, der Zugang führte über Brücken. (Thoma 2006:online; cf. auch die dort veröffentliche Rekonstruktion des Gebäudes). Bemerkenswert ist auch die frühe Datierung der Inschrift, denn erst ca. 100 Jahre später, im Zuge des Ausbaus des Limes unter Valentinian (Kaiser von 364–375) wurden Gebäude dieser Art zur Sicherung in regelmäßigen Abständen an der gesamten Reichsgrenze ausgeführt, wie durch Ammianus Marcellinus bezeugt wird:

      At Valentinianus magna animo concipiens et utilia, Rhenum omnem a Raetiarum exordio, ad usque fretalem Oceanum, magnis molibus communiebat, castra extollens altius et castella, turresque assiduas per habiles locos et opportunos, qua Galliarum extenditur longitudo: non numquam etiam ultra flumen aedificiis positis, subradens barbaros fines. (Ammianus Marcellinus XVIII, 2, 1; 1950:122)

      But Valentinian, meditating important and useful plans, fortified the entire Rhine